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EU-Beistandsverpflichtung gilt für Grönland

Grönland ist zwar kein Teil der Europäischen Union, aber trotzdem von der Beistandsverpflichtung der EU-Staaten umfasst. "Theoretisch müsste Österreich Grönland in irgendeiner Form zu Hilfe kommen", betont der Wiener Völkerrechtler Ralph Janik im APA-Gespräch. Allerdings sieht Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages "keinen militärischen Automatismus" vor und sei daher "ein Papiertiger". Österreich könne somit - wie alle anderen Staaten - militärischen Beistand verweigern.

Das von US-Präsident Donald Trump offensiv beanspruchte Grönland ist nach einer Volksabstimmung im Jahr 1982 aus der damaligen Europäischen Gemeinschaft ausgetreten und befindet sich damit außerhalb des EU-Wirtschaftsraums. Die weltgrößte Insel gehöre aber "immer noch zum dänischen Staatsgebiet", betonte Janik. Entsprechend greift auch die EU-Beistandsverpflichtung, die explizit den Fall eines bewaffneten Angriffs "auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates" anführt. Die anderen Mitgliedsstaaten schulden dem angegriffenen Staat "alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung", heißt es in dem Artikel weiter.

Die auf den ersten Blick sehr starke und weitreichende Formulierung erfährt aber durch den zweiten Satz eine Relativierung, wonach dies "den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedsstaaten unberührt" lasse. Auf diese eigentlich für neutrale Staaten wie Österreich eingefügte Bestimmung können sich nämlich auch die anderen Mitgliedsstaaten berufen - und somit militärischen Beistand verweigern.

Die Beistandsverpflichtung wäre von den Mitgliedsstaaten gemeinsam im Namen der Europäischen Union zu aktivieren, und zwar durch einen Beschluss des Rates, so Janik. Vorausgehen müsste dem, "dass ein Staat sagt: Wir brauchen Beistand". Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof - etwa durch einen Mitgliedsstaat, der sich nicht ausreichend unterstützt fühlt - sei ausgeschlossen. Die Verweigerung des militärischen Beistandes hätte somit "höchstens politische Konsequenzen".

Die EU-Beistandsverpflichtung ähnelt Artikel 5 des Nordatlantikvertrags. Auch in diesem wird es jeder einzelnen Vertragspartei überlassen, bei einem Angriff jene Maßnahmen zu treffen, "die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten". Anders als die EU-Beistandsverpflichtung ist jene nach dem Nordatlantikvertrag auch geografisch begrenzt. Dies war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 1949 wegen der großen Überseegebiete einzelner NATO-Staaten - insbesondere in Afrika - relevant. In jüngster Vergangenheit war etwa die Frage aktuell, ob auch die beiden spanischen Exklaven im Norden Afrikas, Ceuta und Melilla, von der Beistandsverpflichtung umfasst sind.

Im Jahr 2011 aufgelöste WEU sah automatischen militärischen Beistand vor

Eine automatische militärische Beistandsverpflichtung sah der Vertrag über die Westeuropäische Union (WEU) vor. Darin hieß es für den Fall eines Angriffs auf einen Mitgliedsstaat in Europa, dass die anderen Parteien diesem "alle in ihrer Macht stehende militärische und sonstige Hilfe und Unterstützung leisten" werden. Die WEU sollte eigentlich der militärische Pfeiler der Europäischen Union werden, doch kam es nicht dazu. Im Jahr 2011 - nach dem Inkrafttreten des EU-Vertrags von Lissabon und der neuen Beistandsverpflichtung - wurde die WEU aufgelöst. Ihr hatten zehn EU-Mitglieder angehört, neben den sechs Gründungsmitgliedern Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Niederlande und Luxemburg noch Großbritannien, Griechenland, Spanien und Portugal.

ribbon Zusammenfassung
  • Grönland unterliegt trotz seines Austritts aus der Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1982 der EU-Beistandsverpflichtung, da es weiterhin zum dänischen Staatsgebiet gehört.
  • Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages sieht keinen militärischen Automatismus vor, was bedeutet, dass Österreich und andere Staaten militärischen Beistand verweigern können.
  • Die Beistandsverpflichtung muss durch einen Ratsbeschluss aktiviert werden, und eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof ist ausgeschlossen.