Deutsche Grenzen: Pendler brauchen Bescheinigung ab Freitag
Ab Freitag müssen berufliche Pendler dann eine Bestätigung vorlegen, aus der hervorgeht, dass sie bei einem systemrelevanten Arbeitgeber beschäftigt sind und von diesem zwingend für die Aufrechterhaltung des Betriebs benötigt werden. Hintergrund der Verlängerung ist dem Vernehmen nach, dass man den Arbeitgebern nach der erst jetzt erfolgten amtlichen Veröffentlichung der geänderten sächsischen Quarantäneverordnung Zeit geben musste, um sich auf die neuen Regelungen vorzubereiten. Um Verwirrung und eine Ungleichbehandlungen an den Grenzübergängen in Sachsen und Bayern zu verhindern, wurde die Frist dann auch für den bayerischen Grenzabschnitt verlängert.
In rund 2.500 systemrelevanten Betrieben in Bayern dürfen weiter Pendler aus Tirol und Tschechien arbeiten, hieß es am Mittwochnachmittag. Die Grenzgänger bekamen für ihre Einreise eine Bescheinigung ausgestellt. "Mit diesen Papieren kommen die Firmenmitarbeiter aus Tschechien und Tirol problemlos und schnell über die Grenze", versprach Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch in München.
Tschechien und der größte Teil Tirols gelten seit Sonntag als Gebiete, in denen sich mutierte Varianten des Coronavirus bereits stark verbreitet haben. Von hier dürfen - von einigen Ausnahmen abgesehen - fast nur noch Deutsche und Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland einreisen. Deutschlands Innenminister Horst Seehofer (CSU) ordnete in Absprache mit Bayern und Sachsen stationäre Kontrollen an diesen Grenzabschnitten an. Für Berufspendler aus bestimmten Branchen gibt es Ausnahmen.
Die deutsche Bundespolizei wies nach eigenen Angaben deutlich mehr Menschen an der Grenze zu Tschechien als an der zu Tirol ab. An der Grenze zu Österreich seien es vom Sonntag bis Dienstag etwa 1.200 Personen gewesen, an der Grenze zu Tschechien dagegen 7.100, teilt ein Sprecher der Bundespolizei auf Anfrage mit. Laut Innenministerium wurden an beiden Grenzabschnitten 37.362 Personen kontrolliert.
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) kritisierte die deutsche Regelung erneut scharf. Die deutschen Maßnahmen seien "praxis- und weltfremd", sagte Schallenberg der "Kleinen Zeitung" (Mittwochausgabe). "Wir reden immerhin von einer der ganz wesentlichen, wenn nicht der wesentlichsten Wirtschaftsarterie des gesamten europäischen Binnenmarktes. Hier so über das Ziel hinauszuschießen ist fahrlässig." Er verwies darauf, dass nicht nur Österreich, sondern auch Frankreich und Luxemburg wegen des deutschen Vorgehens besorgt seien. Parallelen zu Ischgl wies Schallenberg zurück. "Wo Fehler begangen wurden, muss man daraus lernen."
Aber Österreich habe bei der ersten Welle sehr gut reagiert. "Wir waren eines der Länder, das am ungeschorensten blieb. In der EU mit dem Finger aufeinander zu zeigen, das bringt nichts. Das tun wir nicht, das ist nicht unsere Art. Es wäre fein, wenn auch unsere deutschen Nachbarn das unterließen."
Auch von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kam Kritik. Die deutschen Maßnahmen seien eine Gefahr für die Versorgungssicherheit in vielen Staaten Europas. "Das Handeln unserer deutschen Nachbarn ist kurzsichtig und fahrlässig. Mit dem Finger auf Tirol zu zeigen löst keine Probleme, sondern schafft noch zusätzliche." Die Europäische Kommission sei ein wichtiger Partner, teile die österreichische Einschätzung und habe ebenfalls Kritik an den deutschen Maßnahmen geübt. "Pauschale Grenzschließungen und Reiseverbote sind keine Lösung - es braucht viel mehr maßgeschneiderte und praktikable Lösungen", so der Innenminister.
Die Staaten der Visegrad-Gruppe forderten dem tschechischen Ministerpräsident Andrej Babis zufolge die EU auf, im Grenzstreit mit Deutschland einzugreifen. "Was an den deutschen Grenzen passiert, ist natürlich ein Verstoß gegen den Binnenmarkt und ein großes Problem für uns alle", sagt Babis nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Polen, Ungarn und der Slowakei. Man habe EU-Ratspräsident Charles Michel um Hilfe gebeten.
Die bayerischen Spediteure, Transport- und Logistikunternehmen haben die sofortige Aufhebung der Grenzkontrollen in Bayern gefordert. Nach dem einseitigen und unvermittelten Vorgehen Deutschlands hätten Tirol und dann Italien postwendend entschieden, den Brennerpass und die italienische Brennerautobahn für den Lkw-Verkehr zu sperren. Damit sei eine der wichtigsten europäischen Transitrouten praktisch lahmgelegt, kritisierten die Logistikverbände LBS und LBT.
Nach ihren Angaben würden durch die Maßnahmen Lieferketten zerrissen. Die Unternehmen müssten lange Wartezeiten in Italien oder Umwege von 200 Kilometern in Kauf nehmen. Die Lkw-Fahrer müssten entlang der A22 mit Kollegen für Schnelltests Schlange stehen. "Keine andere Berufsgruppe war bisher so sicher vor Infektionen wie unser fahrendes Personal - und wird jetzt ohne Not einem solchen Gesundheitsrisiko ausgesetzt", kritisierten LBS und LBT. An den Grenzübergängen zwischen Bayern und Tschechien spielten sich ähnliche Szenen ab.
Deutschland hatte am Wochenende straffe Grenzkontrollen und strenge Regeln für Einreisen angeordnet, weil es die Verbreitung des Coronavirus, insbesondere der Varianten, eindämmen will.
Zusammenfassung
- Berufspendler dürfen noch bis Donnerstagnacht ohne eine spezielle Bescheinigung ihres Arbeitgebers in Sachsen und Bayern die deutsche Grenze passieren.
- Bis Donnerstag 24.00 Uhr sei die Vorlage des Arbeitsvertrages an der Grenze ausreichend, hieß es am Mittwoch aus dem deutschen Innenministerium.
- Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) kritisierte die deutsche Regelung erneut scharf.
- Hier so über das Ziel hinauszuschießen ist fahrlässig."