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Kiew sieht russische Truppenkonzentration vor Charkiw

Russland baut nach ukrainischen Angaben seine Streitkräfte nördlich der Region Charkiw auf, verfügt aber noch nicht über die Truppenstärke für einen größeren Vorstoß. Russland schicke zusätzliche Regimenter und Brigaden aus anderen Gebieten und von Truppenübungsplätzen in diese Region, um seine Truppen an zwei Hauptangriffslinien im Norden der Region zu verstärken, teilte der ukrainische Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj am Donnerstag mit.

Nach heftigen russischen Angriffen im Nordosten der Ukraine seit dem 10. Mai habe sich die Front stabilisiert. "Diese russischen Kräfte sind derzeit nicht ausreichend für eine großangelegte Offensive und einen Durchbruch unserer Verteidigung", sagte Syrskyj in einer Erklärung auf dem Messenger-Dienst Telegram. Die Ukraine habe Munitionsreserven aufbauen können.

Die Bemerkung deutet darauf hin, dass sich Kiews akuter Mangel an Artilleriemunition entspannt hat, seit die USA im April nach monatelanger Verzögerung ein größeres Hilfspaket genehmigten. Auch US-Außenminister Antony Blinken hatte am Mittwoch gesagt, dass die gelieferten US-Waffen zur Stabilisierung der ukrainischen Frontlinien beitragen würden.

Zuvor hatte der Bürgermeister Charkiws, Ihor Terechow, von neuerlichen russischen Raketenangriffen auf die zweitgrößte ukrainische Stadt berichtet Mindestens vier Menschen seien verletzt, eine Gasleitung beschädigt und zahlreiche Fenster zerbrochen worden, so Terechow. Acht Raketen seien auf Charkiw abgefeuert worden, auch eine Gemeinde nördlich der Stadt sei getroffen worden, sagte der Gouverneur der Region, Oleh Synjehubow.

Der ukrainische Militärgeheimdienst zerstörte eigenen Angaben zufolge zwei russische Patrouillenboote vor der von Russland annektierten Halbinsel Krim. Der Militärgeheimdienst GUR erklärte am Donnerstag im Online-Dienst Telegram, seine Spezialkräfte hätten mittels Marinedrohnen die "Boote des Aggressorstaats Russland an der vorübergehend besetzten Krim erfolgreich angegriffen".

Russland habe versucht, die Drohnen in der Wuska-Bucht im Nordwesten der Krim mit Kampfflugzeugen und Hubschraubern zu zerstören. Dies habe die ukrainischen Kräfte indes nicht davon abgehalten, ihre "Kampfmission erfolgreich abzuschließen".

Der GUR veröffentlichte Videos, auf denen zu sehen war, wie Hubschrauber aufs Meer feuerten. Zudem waren Aufnahmen einer Drohne zu sehen, die zwei vertäute Boote anvisierte. Desweiteren wurde eine große Explosion gezeigt. Vorläufigen Erkenntnissen zufolge handle es sich bei den russischen Booten um kleine Motorboote vom Typ KS-701 Tunets. Diese werden oft für Küstenpatrouillen verwendet.

Russland kommentierte die ukrainischen Angaben wie üblich nicht. Moskau hatte zuvor angegeben, in der Nacht mindestens zwei ukrainische Marinedrohnen zerstört zu haben, die "auf die Krim zusteuerten". Zudem fing Russland laut eigenen Angaben 13 Drohnen in der südrussischen Schwarzmeerregion Krasnodar und über dem Schwarzen Meer in der Nähe der Krim ab. Es seien auch acht vom Westen gelieferte Raketen des US-Typs ATACMS über dem Asowschen Meer abgeschossen worden, zitierte die Nachrichtenagentur Tass das russische Verteidigungsministerium. Zudem seien acht ukrainische Drohnen über dem Schwarzen Meer in der Nähe der annektierten Halbinsel Krim abgefangen worden. Laut einem Vertreter der von Russland eingesetzten Behörden auf der Krim beschädigten Raketentrümmer zwei Fähren in der Nähe der Hafenstadt Kertsch am östlichen Ende der Halbinsel.

Während der italienische Außenminister Antonio Tajani einen Einsatz italienischer Waffen gegen Ziele in Russland ablehnte, will Frankreich seine Unterstützung für das angegriffene Land intensivieren. Wie mit dem Vorgang vertraute Diplomaten am Donnerstag Reuters sagten, könnte Frankreich in Kürze Militärausbilder in die Ukraine entsenden. Die Entscheidung über die personellen Hilfen könnte kommende Woche anlässlich eines Besuchs von Präsident Wolodymyr Selenskyj in Frankreich bekannt gegeben werden.

Zwei Diplomaten sagten, zunächst solle eine begrenzte Anzahl von Personal entsendet werden, um die Rahmenbedingungen des Einsatzes vorzubereiten. Danach würden mehrere hundert Ausbilder in die Ukraine verlegt. Die Schulungen sollen sich auf Minenräumung, Instandhaltung und Fachwissen für Kampfflugzeuge konzentrieren. Frankreich werde zudem eine motorisierte Brigade finanzieren, bewaffnen und ausbilden. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte im Februar international für Aufsehen gesorgt, als er die Entsendung von Bodentruppen zur Unterstützung der Ukraine explizit nicht ausschloss. Macron profilierte sich seitdem als Wortführer der Unterstützer der Ukraine in Westeuropa. Jüngst sprach er sich gemeinsam mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz auch dafür aus, dass die Ukraine westliche Waffen gegen Ziele in Russland einsetzt, von denen aus das Land beschossen wird.

ribbon Zusammenfassung
  • Russland verstärkt seine Truppen nördlich von Charkiw, hat aber noch nicht die nötige Truppenstärke für eine größere Offensive. Seit dem 10. Mai gab es heftige russische Angriffe im Nordosten der Ukraine.
  • Der Bürgermeister von Charkiw berichtet von neuen russischen Raketenangriffen auf die Stadt, bei denen mindestens vier Menschen verletzt wurden. Acht Raketen wurden auf Charkiw abgefeuert.
  • Frankreich plant die Entsendung von Militärausbildern in die Ukraine und könnte diese Entscheidung nächste Woche bekannt geben. Frankreich wird zudem eine motorisierte Brigade finanzieren, bewaffnen und ausbilden.