Bootsunglück in Griechenland: Möglicherweise waren Push-Backs Ursache
Neun mutmaßliche Schleuser, die an Bord des untergegangenen Kutters waren, gerettet und dann festgenommen wurden, sollen einer großen Bande angehören. Die Fahnder wollen jetzt die Hintermänner des Schleuserrings ermitteln.
Push-Backs verantwortlich für Unglück?
Die Küstenwache setzte sich gegen Vorwürfe zur Wehr, bei ihrem Einsatz am Mittwoch den Tod der bis zu 700 Menschen an Bord des Schiffes in Kauf genommen zu haben. Wie "WDR" berichtet, soll die Rede von sogenannten Push-Backs sein. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, mit denen Flüchtlinge gehindert werden, eine Grenze zu übertreten um dann dort einen Asylantrag zu stellen. Die griechische Küstenwache weist diese Vorwürfe zurück. Die europäische Polizeibehörde Europol ermittelt nun.
Angeblich bot ein Patrouillenboot Hilfe an - was von den Menschen an Bord des Kutters aber abgelehnt worden sei. Zudem müssen die 78 geborgenen Todesopfer identifiziert und die 104 Überlebenden registriert werden. An der Unglücksstelle wurde weiter gesucht - ohne Erfolg. Hoffnung, jetzt noch Überlebende zu finden, gibt es keine mehr.
Internationales Entsetzen
Die Katastrophe vor Griechenlands Küste löste international Entsetzen aus. Papst Franziskus sagte am Sonntag in Rom, mit "großer Trauer und viel Schmerz" habe er davon erfahren. Er mahnte, "alles Mögliche zu tun, damit solche Tragödien sich nicht wiederholen". Gemeinsam mit der italienischen Polizei und der europäischen Polizeibehörde Europol wollen die Griechen nun die Drahtzieher der Schleuserbande ermitteln. Nach dem Unglück wurden neun Ägypter zwischen 20 und 40 Jahren festgenommen, die zu den Überlebenden gehören.
Die Bande soll in den vergangenen Monaten bis zu 18 Fahrten übers Mittelmeer aus Libyen nach Italien organisiert haben. Einer der Männer habe zugegeben, Geld dafür erhalten zu haben, um während der Reise Arbeiten am Schiff vorzunehmen, berichteten griechische Medien. Die anderen Männer sollen bisher alle Vorwürfe abstreiten. Von vielen Seiten gab es Vorwürfe, dass die Küstenwache nach Entdeckung des Kutters nicht eingeschritten sei. Einige Medien zitierten Überlebende, die Küstenwache habe den Untergang sogar erst verursacht, indem sie das Boot Richtung Italien habe schleppen wollen.
Hilfe wurde abgelehnt
Am Sonntag veröffentlichte die griechische Zeitung "Kathimerini" das Protokoll eines Berichts, den der Kommandant des Patrouillenboots 920 seinen Vorgesetzten gegeben habe. Demzufolge bot der Kapitän dem völlig überfüllten Fischkutter etwa zwei Stunden vor dem Unglück Hilfe an - was von dort aber abgelehnt worden sei.
"Wir näherten uns dem Schiff, um seinen Zustand und den der Passagiere zu überprüfen und erneut Hilfe anzubieten", zitierte die Zeitung den Kapitäns, dessen Name nicht veröffentlicht wurde. Dann hätten die Beamten am Bug des Schiffs ein Seil befestigt. Von Bord seien jedoch Rufe wie "No Help" und "Go Italy" zu hören gewesen - man brauche keine Hilfe, Ziel sei Italien. "Trotz wiederholter Appelle, ob sie Hilfe brauchten, ignorierten sie uns und machten gegen 23.57 Uhr das Seil los."
Das Patrouillenboot habe das Boot dann im Abstand von 200 Metern begleitet, gab der Kapitän an. Um 1.40 Uhr habe der Kutter erneut angehalten. Dann habe sich das Boot langsam geneigt. Unter den Passagieren habe es Aufruhr gegeben, auch Schreie seien zu hören gewesen. Innerhalb einer Minute sei das Boot dann jedoch gekentert. Das Mittelmeer ist an dieser Stelle etwa 5000 Meter tief.
Zusammenfassung
- Nach dem Schiffsunglück im Mittelmeer mit mehreren Hundert ertrunkenen Flüchtlingen aus Afrika läuft jetzt die Suche nach den Schuldigen.
- Es gibt Vorwürfe, Push-Backs könnten die Ursache des Unglücks sein.
- Die griechischen Behörden baten am Wochenende die europäische Polizeibehörde Europol um Hilfe bei den Ermittlungen.