Aufgeheizte Stimmung vor Wahlen in Ostdeutschland
Die Wahlen am Sonntag in Sachsen und Thüringen dürften nicht nur in den beiden Ländern für eine schwierige Regierungsbildung sorgen, sie dienen auch als wichtiger Stimmungstest vor der deutschen Bundestagswahl im kommenden Jahr. Den Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP droht ein desaströses Ergebnis.
Im Fokus steht das Abschneiden der AfD. In Erfurt fand am Samstag der Wahlkampfabschluss der "Alternative für Deutschland" mit Auftritten von Rechtsaußen-Spitzenkandidat Björn Höcke und der AfD-Co-Vorsitzenden Alice Weidel vor nach Polizeiangaben etwa 1.300 Teilnehmern statt. 3.000 Gegendemonstranten störten mit Trillerpfeifen.
"Die Zukunft Deutschlands entschieden"
Weidel hatte bei einer Wahlkundgebung am Vorabend betont: "In Sachsen, in Thüringen und später in Brandenburg wird die Zukunft Deutschlands entschieden." Sowohl in Dresden als auch in Erfurt ist allerdings kein Bündnispartner für die Partei in Sicht.
Stattdessen könnte dem erst Anfang des Jahres gegründeten Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eine entscheidende Rolle bei der Koalitionsbildung zukommen.
Wer regiert mit wem?
In Thüringen hätte nach Umfragen nur ein noch nie dagewesenes Bündnis aus CDU, BSW und SPD eine politisch machbare Mehrheit. Eine solche Koalition dürfte aber heikel werden: Wagenknecht war einst SED-Mitglied und galt später als Ikone der kommunistischen Plattform in der Linken - was etlichen CDU-Politikern Bauchschmerzen macht. Außerdem gilt sie als Russland-freundlich und kritisierte immer wieder die Corona-Politik.
Die aktuelle rot-rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) dürfte Umfragen zufolge keine Mehrheit erreichen.
Auch in Sachsen könnte das BSW Einfluss auf die Regierungsbildung nehmen. Allerdings ist hier zumindest eine Neuauflage des aktuellen Bündnisses von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) mit Grünen und SPD denkbar. Es könnten aber auch weitere Parteien hinzukommen. Die CDU schließt - anders als mit der Linken - eine Koalition mit dem BSW bis dato nicht aus.
Was sagen die Umfragen?
In den Umfragen lag die AfD in Thüringen in den vergangenen Tagen mit Werten zwischen 29 und 30 Prozent klar auf dem ersten Platz vor der CDU mit 22 bis 23 Prozent. Die Linke kommt demnach auf 13 bis 14 Prozent - und liegt damit hinter dem BSW, das auf 17 bis 18 Prozent käme. Die SPD könnte 6 bis 7 Prozent erhalten. Die Grünen könnten mit 4 Prozent den Einzug in den Landtag verpassen.
Umfrageverlauf Thüringen
In Sachsen zeichnete sich in den Umfragen zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und AfD ab, wobei das jüngste ZDF-"Politbarometer" die CDU mit 33 Prozent vorn sah. Die AfD käme demnach auf 30 bis 31 Prozent.
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Eine Insa-Erhebung wenige Tage zuvor sah allerdings die AfD knapp vor der CDU. Danach folgt das BSW mit 12 bis 15 Prozent. Die SPD wäre mit 6 bis 7 Prozent erneut im Landtag vertreten, die Grünen mit 6 Prozent ebenfalls, wenn sie auch gefährlich nahe an der Fünf-Prozent-Hürde sind. Die Linke muss mit 4 Prozent um den Wiedereinzug bangen.
Umfrageverlauf Sachsen
Der Wahlkampf war aufgeheizt. Ein Streitpunkt war der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und Deutschlands Rolle als Kiews Verbündeter und in der NATO. Zusätzliche Schärfe in die Debatte über Asyl und Migration brachte das mutmaßlich islamistische Messerattentat von Solingen. In den vergangenen Monaten gab es außerdem mehrere Angriffe auf Politiker und Wahlhelfer.
Große Demonstrationen
In Dresden gab es am am Tag vor der Landtagswahl mehrere tausend Menschen für Solidarität, Vielfalt und Demokratie. Mehr als 70 Vereine, Kollektive und Gruppen hatten zur Großdemonstration "Tolerade" eingeladen. In Erfurt wurde die AfD-Wahlkampfabschlussveranstaltung von laut Polizei rund 3.000 Gegendemonstranten begleitet. Sie demonstrierten nur 100 Meter von der AfD entfernt gegen einen Rechtsruck und Rechtsextremismus in Thüringen.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz. Sie wurde nach Angaben eines Sprechers von Beamten aus Hessen, Niedersachsen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern unterstützt. Zu nennenswerten Zwischenfällen sei es während beider Versammlungen nicht gekommen.
Weidel sagte in Richtung der Demonstranten, die sich mit Trillerpfeifen und Sprechchören bemerkbar machten, die AfD werde die Antifa "als terroristische Vereinigung verbieten", wenn sie in die Regierung komme. AfD-Anhänger riefen immer wieder "Ost-, Ost-, Ostdeutschland", aber auch "abschieben, abschieben". Höcke warf den anderen Parteien vor, ihnen sei "das Volk verloren gegangen". Die AfD könne am Sonntag "Geschichte schreiben".
Die Demonstranten riefen unter anderem "Nazis raus" oder "Höcke raus". "Wir lassen nicht zu, dass die AfD das Wahlwochenende mit ihrer extrem rechten Hetze dominiert, Menschen einschüchtert und unsere Stadt als Schauplatz für ihre Propaganda missbraucht", erklärte das Bündnis "Auf die Plätze".
Zusammenfassung
- In den ostdeutschen Bundesländern Thüringen und Sachsen wird die AfD vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft.
- Am Sonntag könnte die Partei bei den Landtagswahlen dennoch stärkste Kraft werden.
- Beim Wahlkampfabschluss in Erfurt gab es große Proteste gegen den erwarteten Rechtsruck- ebenso in Dresden.