So wählen die FiakerPULS 24

Wie Wien wählt

So wählen die Wiener Fiaker

Heute, 08:28 · Lesedauer 7 min

In wenigen Tagen wird in Wien ein neuer Gemeinderat gewählt – PULS 24 hat die Wiener:innen gefragt, was sie von der Stadtpolitik halten. Diesmal führt der Weg zu einem lebenden Stück Wiener Tradition: den Fiakern. Wie erleben die Kutscher den Alltag in der Stadt und was erwarten sie von der Politik?

Abseits von Verkehrslärm und Menschenmassen zeigt die Millionenstadt Wien in der Simmeringer Rappachgasse ein anderes Gesicht. Schon von weitem ist das Wiehern von Pferden zu hören – und je näher man kommt, desto klarer erkennt man zwei Schimmel, die sich auf einer kleinen Koppel austoben.

Vor den Stallungen des Traditionsunternehmens "Fiaker Paul" wartet Marco Pollandt – ein Kutscher mit Leib und Seele. Bei einem kurzen Rundgang über den Hof liefert er eine Lehrstunde zur Geschichte der Fiaker: Schon seit 1693 prägen sie das Wiener Stadtbild. In ihrer 332-jährigen Geschichte haben sie 48 Bürgermeister erlebt.

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Dann kommt Pollandt auf das Hier und Jetzt zu sprechen: auf das, was in Wien rund läuft – und was weniger.

"Einige Dinge laufen durchaus sehr gut. Persönlich finde ich, dass mit der aktuellen Stadtregierung ein guter Dialog stattfindet. Es sind immer alle bemüht, für Probleme Lösungen zu finden", so Pollandt.

Besonders den Austausch mit dem Veterinäramt lobt er als "lückenlos".

Michaelerplatz und Stephansplatz als Brennpunkte

Aber in der Stadt glänzt nicht alles so wie das frischpolierte Zaumzeug in den Stallungen. Pollandt spricht offen über die Schattenseiten des Berufs: "Bis zu einem gewissen Grad sind wir schon überreglementiert." Die Bürokratie? Für ihn in Wien fast ein Naturgesetz.

Marco PollandtRiding Dinner OG

In der Innenstadt – wo Touristenströme, Anrainer:innen und Fiaker aufeinandertreffen – brodelt es immer wieder. Besonders der Michaelerplatz ist ein Dauerbrenner.

Zwei Jahre lang durften die Fiaker ihn aufgrund des Umbaus nicht nutzen. Drei Monate nach der Wiedereröffnung wurde ein Großteil des neuen Standplatzes in eine Ladezone für eine Baustelle verwandelt. "Wir wissen, dass das nicht gegen uns gerichtet ist – aber es wirkt ein bisschen unüberlegt, fast wie zu Fleiß", seufzt er.

Aber immerhin: Beim Umbau habe die Stadtregierung erstmals auch die Meinung der Fiaker berücksichtigt. Auch das will Pollandt betonen. Anders war es damals noch beim Stephansdom – dort wurde der Stellplatz "mehr oder weniger über Nacht" halbiert. "Als Unternehmer und lebendes Wahrzeichen der Stadt war das ein herber Schlag ins Gesicht."

Hitzefrei-Regel "ist ein bisschen missglückt"

Neben der städtischen Bürokratie sorgen vor allem Tierschutzdebatten für Konflikte. Besonders mit dem Verein gegen Tierfabriken (VGT) entfachten immer wieder Streitereien.

"Viele dieser Angriffe sind unsachlich und haben absolut nichts mit dem Wohl der Pferde zu tun", sagt Pollandt – und wird dabei hörbar emotional. Vielmehr gehe es dem VGT um die "Ideologie, dass Tiere nicht im Dienst des Menschen stehen dürfen".

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Die Organisation habe in der Vergangenheit erfolgreich Druck auf die Politik ausgeübt. Er liefert mit der Hitzefrei-Regel ein Beispiel: Seit ein paar Jahren dürfen Fiaker bei 35 Grad Celsius nicht mehr fahren.

Die Maßnahme sei "ein bisschen missglückt", sagt der Fiaker. "Sie wurde ohne Austausch mit uns und über den Kopf der Fachleute hinweg beschlossen."

Pollandt ist es wichtig zu betonen, dass noch nie ein Fiaker-Pferd in Wien wegen Hitze kollabiert ist. Das bestätigten mehrere Gerichtsverfahren gegen den VGT und wurde auch vom Veterinäramt als Zeuge attestiert. "Das zeigt, dass die Stadt ihre Arbeit macht und nicht alles, was NGOs in die Welt setzen, für voll nimmt.“

Für die Zukunft wünscht er sich trotzdem, dass der eingeschlagene Weg fortgesetzt wird, und die Politik bei Problemen Dialog mit den Fiakern führt. 

"Sind die lebenswerteste Stadt der Welt"

Beim Verlassen des Stalls präsentiert Pollandt noch eine Kutsche – einst im Besitz der Habsburger. Seine Gäste, erzählt er, schwärmen fast immer von Wien. "Sie haben das Gefühl, dass Wien schön, sicher und sauber ist."

Wählen wird er bei der kommenden Wien-Wahl auf jeden Fall – für welche Partei, verrät er nicht. Nur so viel lässt er durchblicken: "Es kommt nicht von ungefähr, dass wir die lebenswerteste Stadt der Welt sind. Die Bürgermeister, die Wien bisher hatte, haben viel dazu beigetragen."

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Fiaker in Hochbetrieb

Ein paar Tage später geht es in die Wiener Innenstadt. Bereits beim Verlassen der U-Bahn-Station merkt man, dass der Stephansplatz nur wenig mit der Rappachgasse gemeinsam hat: Hier wuseln sich die Touristenmassen – das sonnigwarme Wetter trägt seinen Teil bei.

Am Standplatz der Fiaker stehen bereits zahlreiche Kutschen bereit, die auf Gäste warten. Es herrscht Hochbetrieb – es ist daher nicht einfach, mit einem Fiaker ins Gespräch zu kommen. "Ich kann jetzt nicht. Sehens doch, da warten schon Gäste", sagt ein Fiaker, bevor er einer Touristengruppe schon die Kutschentür öffnet.


Vorbei an Fahrradkurieren, Taxis und vollbesetzten Schanigärten geht es weiter zur Albertina und dem Michaelerplatz. Aber auch dort hat niemand Zeit für ein Gespräch. "Ich würde gern über Wien sprechen, aber wir haben jetzt eine Großbuchung. Da werden sieben Kutschen gebraucht", wimmelt ein Fiaker ab.

Fiaker - AlbertinaPULS 24

"Die Stadt ist für alle da"

Nach einigen Absagen – der frühsommerliche Tag scheint der falsche Zeitpunkt für ein Gespräch mit den Fiakern zu sein – erbarmt sich aber doch ein Kutscher. Er reicht seinen Pferden gerade einen Eimer mit Trinkwasser und kann "wirklich nur eine Minute" entbehren. Mit der Situation in Wien ist er zufrieden: "Wien hat seinen eigenen Charme. Das ist gut so", sagt er mit einem leichten Grinsen.  

Das Hupen eines Taxis weckt die Frage: Wie sieht es mit der Verkehrslage in der Innenstadt aus? "Sicher kann’s in der Hochsaison sehr voll werden. Aber die Stadt ist halt für alle da, das muss man akzeptieren." Er betont, dass auch die Touristenmassen nicht nur für die Fiaker, sondern für die ganze Stadt von Bedeutung sind. "Wir zahlen ja auch unsere Steuern. Am Ende haben alle was davon."

Kann die Stadt trotzdem etwas verbessern? "Für uns wären mehr Standplätze hilfreich. Und die hohen Lebensmittelpreise machen das Leben manchmal schwer", seufzt er.


Jetzt haben seine Pferde genug getrunken und die nächsten Touristen wollen eine Runde drehen. Für eine Frage ist aber noch Zeit: Geht der Kutscher am 27. April wählen? "Ja sicher. Aber wen ich wähl, verrat ich nicht. Da beruf ich mich auf’s Wahlgeheimnis."

Zum Abschied hebt er seinen Hut und wendet sich seiner Kundschaft zu.

Wie Wien wählt

Wien wählt, aber wie? PULS 24 ging für die Reportageserie "Wie Wien wählt" auf die Suche – vom Brunnenmarkt bis in die Lugner-City, vom Pflegeheim bis in die Schule, zu den Fiakern und den Würstlern. Und alles dazwischen.

Wir möchten aber auch wissen, was Sie über Wien denken. Was finden Sie gut, was verbesserungswürdig? Teilen Sie es uns mit.

Zusammenfassung
  • In wenigen Tagen wird in Wien ein neuer Gemeinderat gewählt – PULS 24 hat die Wiener:innen gefragt, was sie von der Stadtpolitik halten.
  • Diesmal führte der Weg zu einem lebenden Stück Wiener Tradition: den Fiakern.
  • Wie erleben die Kutscher den Alltag in der Stadt und was erwarten sie von der Politik?