Wiens Kulturstadträtin verteidigt Ernaux-Nominierung
Es sei wichtig, das demokratische Gespräch aufrecht zu erhalten, befand Kaup-Hasler in der Fragestunde. Intendant Milo Rau, der das Programm verantworte, habe seine künstlerischen Positionen bereits überzeugend dargelegt, hielt sie fest. "Für Antisemitismus gibt es bei den Festwochen keinen Platz", versicherte sie.
Die Wiener Festwochen rufen ab 17. Mai unter ihrem neuen Intendanten Rau die Freie Republik Wien aus. Ernaux und Varoufakis wurden als Mitglieder eines "Rats der Republik", einer Art fiktiven Parlaments, ausgewählt. Dies sei ein künstlerisches Format, gab die Ressortchefin zu bedenken. Ein Auftritt der beiden genannten Personen sei nicht geplant.
Es gehe um eine "Spiegelung des gesamten gesellschaftlichen Spektrums". Ein Austausch unterschiedlicher Positionen müsse möglich sein, zeigte sich Kaup-Hasler überzeugt - die versicherte, keinen Einfluss auf die Kuratierung genommen zu haben bzw. zu nehmen.
Literaturnobelpreisträgerin Ernaux unterstützt die Israelboykott-Kampagne BDS, ist aber kein Mitglied. Die Organisation spricht sich in Teilen gegen das Existenzrecht Israels aus. Ökonom Varoufakis hat eine Petition für den Ausschluss Israels von der Venedig-Biennale unterschrieben, im Text wird Israel "Völkermord" vorgeworfen, der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober dagegen völlig verschwiegen.
Kaup-Hasler versicherte, dass nicht die BDS-Kampagne gefördert werde. Die Einladung sei in einem ganz anderen Zusammenhang zu werten. Die Stadträtin erinnerte weiters daran, dass im Rahmen der Festwochen die "Rede an Europa" vom deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm, der gerade mit dem Preis für Europäische Verständigung ausgezeichnet worden ist, gehalten wird.
Die Politik in Wien hat sich bereits geschlossen ablehnend zu der geplanten Mitwirkung der französischen Autorin geäußert. Kürzlich wurde im Gemeinderat ein entsprechender Resolutionsantrag von allen Parteien unterstützt - also auch von der SPÖ. "Ernaux ist nicht nur bekennende Unterstützerin der BDS-Bewegung. Sie hat sich auch 2019 an Aufrufen zum Boykott des in Tel Aviv ausgetragenen Eurovision Song Contest beteiligt, die Begnadigung Georges Abdallahs gefordert, der 1982 einen amerikanischen Offizier und einen israelischen Diplomaten getötet hat, und 2021 einen Brief unterstützt, der Israel der Apartheid bezichtigt", hieß es im Antrag.
Der Wiener Gemeinderat sei Repräsentant der Menschenrechtsstadt Wien und stehe in seiner Tradition für die strikte Bekämpfung von Antisemitismus, in welcher Form auch immer, wurde betont. Antisemitismus sei inakzeptabel und dürfe nicht toleriert werden, insbesondere im Zusammenhang mit einer öffentlichen Veranstaltung.
"Es ist daher unverständlich, warum ausgerechnet bei der größten Kulturveranstaltung Wiens einer Unterstützerin der antisemitischen BDS-Bewegung eine Plattform geboten wird", wird in dem von allen Parteien unterstützten Antrag ausgeführt. Die Fraktionen distanzierten sich vom geplanten Auftritt und fordern die Verantwortlichen auf, die Entscheidung "nachhaltig zu überdenken".
ÖVP-Gemeinderätin Laura Sachslehner, die die Anfrage stellte, bezeichnete die Aussage Kaup-Haslers heute in einer Reaktion als "völlig inakzeptabel". Trotz des einstimmigen Beschlussantrags werde von der Personalie nicht abgegangen, zeigte sie sich enttäuscht. Somit werde antisemitischen Ansichten eine Bühne geboten. "Anstatt endlich klare Kante zu zeigen, wird dies seitens Stadträtin Kaup-Hasler sogar noch entsprechend beschönigt und davon gesprochen, dass es sich doch um ein künstlerisches und nicht um ein politisches Gremium handelt", kritisierte Sachslehner in einer Aussendung.
Zusammenfassung
- Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler verteidigt die Einbindung der umstrittenen Schriftstellerin Annie Ernaux und des Ökonomen Yanis Varoufakis in die Wiener Festwochen, trotz Vorwürfen eines problematischen Verhältnisses zu Israel.
- Der Wiener Gemeinderat hat sich einstimmig gegen die Teilnahme von Ernaux ausgesprochen, die die BDS-Kampagne unterstützt und an Boykottaufrufen gegen Israel beteiligt war.
- ÖVP-Gemeinderätin Laura Sachslehner kritisiert die Verteidigung Kaup-Haslers als inakzeptabel und fordert ein Umdenken bezüglich der Entscheidung, Ernaux eine Plattform zu bieten.