Wiener Galerienfestival "curated by" mit Fokus auf den Osten
Es stelle sich nun die Aufgabe, der Versuchung zu widerstehen, sich an den Krieg in der Ukraine zu gewöhnen, sagte Roelstraete in einem bei einer Pressekonferenz gezeigten Video. Nicht nur des Krieges wegen, sondern auch aufgrund der Nähe Wiens zu Osteuropa sei das Thema gewählt worden. Statt faul den Osten zu dämonisieren und den Westen zu idealisieren, solle man im Osten auch nach Hoffnung suchen, schrieb der Impulsgeber in einem Essay zum Festival. Das Thema "Kelet" stehe im Gegensatz zu "Nyugat" (Westen) - so hieß eine einflussreiche Avantgarde-Zeitschrift im Budapest des frühen 20. Jahrhunderts.
Das Festival wird unter anderem von der Stadt Wien unterstützt. Die behandelten Themen hätten viel mit unserem Selbstbild und Dasein als Europäer zu tun, sagte Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ), die den künstlerischen Blick nach Osten befürwortet. Jeder Kurator erhält 3.000 Euro, um sich mit "Kelet" auseinanderzusetzen, erklärte Cornelis van Almsick vom Organisationskomitee. Dazu würden die Galerien 6.000 Euro "für die Show" erhalten, teilweise aber auch weit mehr ausgeben. Russische Kuratoren gebe es keine, sagte Natascha Burger - ebenfalls vom Organisationskomitee - und betonte, dass es keine Verbote gegeben habe.
"Wien wächst weiter als Galeriestadt", warf Burger ein. Neu zu den curated-by-Teilnehmern gestoßen sind heuer die Galerien Elisabeth & Klaus Thoman und Wonnerth Dejaco. Neben den Ausstellungen stehen bei curated by auch zahlreiche Veranstaltungen auf dem Programm, viele von ihnen bereits am Eröffnungswochenende. In der Gabriele Senn Galerie legt etwa die Ukrainerin Natalia Martynenko heute ab 16 Uhr auf. Wenn hier nicht gerade ein DJ-Set stattfindet, konzentriert sich die Ausstellung des Wieners Maximilian Geymüller auf Grenzen - etwa die zwischen Ost und West - und ihre Auflösung. Der oft mit Symbolik beladene Sonnenaufgang wiederholt sich hier in Jean-Frédéric Schnyders Serie von Ansichten des Zugersees immer wieder. Anastasia Sosunovas Video "Demikhov-Dog" ist nach dem sowjetischen Wissenschafter Wladimir Demichow benannt, der zweiköpfige Hunde schuf. Das Filmmaterial wurde in der baltischen Region gesammelt und ist Ausdruck eines hybriden kulturellen Selbstverständnisses, wie es die Galerie beschreibt.
Am Samstag wartet die Galerie Kandlhofer ab 14.30 Uhr mit einem "Artist Talk" mit Catalina Ouyang und Nathaniel Oliver auf. Der US-amerikanische Kurator KJ Freeman beschäftigte sich in der dort stattfindenden Ausstellung mit der Ost-West-Dichotomie als einem Paradigma, das Imperialismus und Nationalismus begünstigt. Elemente von Sadomasochismus, die diese Systeme stützen würden, finden sich etwa in den Skulpturen von Ouyang und Calli Roche, die mit Leder, Stoff und Wachs arbeiten. Neben einer Ausstellung der slowenischen Kuratorin Hana Ostan Ožbolt, die vom Leben des tschechischen Künstlers Josef Čapek inspiriert ist, spricht man bei Georg Kargl Fine Arts am Samstag um 18 Uhr bei einem "Round table" darüber, wie man abseits von Polemik und Klischees über das Thema "Kelet: Der Osten, der Westen und alles dazwischen" ("The East, the West and All That In-between") nachdenken kann.
(S E R V I C E - Galerienfestival curated by, geöffnet am Freitag, 9. September, und Samstag, 10. September, von 12 bis 18 Uhr, und von Dienstag, 13. September, bis 8. Oktober von Dienstag bis Freitag von 12 bis 18 Uhr und am Samstag von 12 bis 16 Uhr, https://curatedby.at/)
Zusammenfassung
- Im Lichte der russischen Invasion in die Ukraine blickt das Wiener Galerienfestival "curated by" in seiner vierzehnten Ausgabe gen Osten.
- "Kelet" - Osten auf ungarisch - machte der belgische Impulsgeber Dieter Roelstraete zum Motto der heute startenden Veranstaltung, an dem sich internationale Kuratorinnen und Kuratoren orientieren sollten.
- Dazu würden die Galerien 6.000 Euro "für die Show" erhalten, teilweise aber auch weit mehr ausgeben.