Tropfenschleier und Börsenpferd: Hans Haacke im Belvedere 21
Die Ausstellung, fast 25 Jahre nach der bisher einzigen monografischen Schau des Künstlers in Österreich, entstand in Kooperation mit der Schirn Kunsthalle Frankfurt und widmet sich dem Œuvre grob chronologisch und umfassend. "Hans Haacke ist ein Künstler, der an die Macht des Faktischen glaubt, darum ist er für das Heute relevant", sagte Kuratorin Luisa Ziaja am Freitag bei einem Pressetermin. Sie hat den 88-Jährigen mehrmals in den USA besucht und die Präsentation "gemeinsam mit ihm entwickelt", wie Belvedere-Generaldirektorin Stella Rollig betonte.
Haacke wird oft mit dem Begriff Institutionskritik belegt. Dass sein Werk aber viel mehr ist, zeigt die übersichtlich gestaltete Retrospektive, die von frühen Fotografien und Gemälden über Installationen, Videos und der Dokumentation von ortsspezifischen Interventionen bis zu einer aktuellen Besucherbefragung reicht. "Wie ein roter Faden", wie es in einer Presseaussendung des Hauses treffend heißt, "zieht sich Haackes langjährige Auseinandersetzung mit Geschichtspolitik, dem Nachwirken des Nationalsozialismus und nicht zuletzt dem Erstarken rassistischer Strömungen durch die Ausstellung."
Österreichbezüge sind gegeben: Anhand von Fotografien und einer Plakatwand ist seine Arbeit für den steirischen herbst dokumentiert. Die Nationalsozialisten bedeckten 1938 eine Mariensäule mit Nazi-Insignien und der Aufschrift "Und Ihr habt doch gesiegt", bezogen auf den 1934 in Wien gescheiterten Putsch. Haacke benutzte dieselbe Inschrift und das "Design" der Faschisten, verwandelte den Obelisken aber in ein Mahnmal für die Opfer. Zu sehen sind auch das Sujet "Mia san mia", 2001 als kritische Auseinandersetzung mit den "Kärnten blüht auf"-Plakaten entstanden, die Jörg Haider mit Strahlenkranz zeigten, und Entwürfe Haackes für Opfer des Nationalsozialismus am Militärschießübungsplatz Graz.
Ikonische Arbeiten und Experimente
Nicht fehlen dürfen ikonische Arbeiten wie "Nachrichten" (1969), bestehend aus drei Nadeldruckern, die sämtliche Meldungen des Tages einer Nachrichtenagentur auswerfen, oder die berühmten "Realzeit-Systeme" wie der Große Kondensationswürfel (1963-67), Teil von Haackes physikalischen, biologischen und ökologischen Experimenten. Bei letzterem Werk hat Haacke Wasser in durchsichtige Plastikbehälter gefüllt und versiegelt. An den Innenwänden bilden sich Tropfenschleier. Deren Konstellation sei nicht genau voraussagbar: "In statischen Grenzen verändert sie sich frei. Ich liebe diese Freiheit", schrieb der Künstler.
Beim Eingang schwebt Haackes "Blaues Segel" ("von einem leichten Luftzug wird es in sanfte Schwingungen versetzt"), weiter hinten kann man sich mit seiner kritischen Reflexion über den Begriff "Volk" auseinandersetzen. Im Skulpturenpark wartet die Installation "Geschenkter Gaul", ein dreidimensionales Pferdeskelett mit elektronischer Anzeige, über die Börsenkurse laufen. Das Werk "Bewerysamen" wiederum, ein Erdhaufen, aus dem Samen keimen, verdeutlicht Haackes Beschäftigung mit Ökologie. "Haacke ist ein Künstler, der in vielen Bereichen dessen, was heute als Zeitgenössische Kunst bezeichnet wird, Pionierarbeit geleistet", so Rollig. Die gelungene Retrospektive untermauert diesen Satz.
(S E R V I C E - "Hans Haacke - Retrospektive" im Belvedere 21, Arsenalstraße 1, 1030 Wien, 1.3.-9.6., Di-So 11-18 Uhr, Do 11-21 Uhr, Mo nur an Feiertagen; www.belvedere.at/besuch/belvedere-21)
Zusammenfassung
- Hans Haacke, 88, eine Legende der politischen Konzeptkunst, wird im Belvedere 21 in Wien mit einer umfassenden Retrospektive geehrt.
- Die Ausstellung zeigt ikonische Werke wie 'Nachrichten' und 'Großer Kondensationswürfel' und thematisiert Haackes Auseinandersetzung mit Geschichtspolitik und dem Nationalsozialismus.
- Die Retrospektive, die in Zusammenarbeit mit der Schirn Kunsthalle Frankfurt entwickelt wurde, läuft vom 1. März bis zum 9. Juni 2025.