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Til Schweiger: "Ich habe schon viele Drehbücher beerdigt"

Deutschlands Kinostar Til Schweiger spielt in "Lieber Kurt" seine mutmaßlich traurigste Rolle - die eines Vaters, dessen kleines Kind stirbt. Die Verfilmung eines Romans von Sarah Kuttner ist ab heute, Freitag, im Kino zu sehen. Aus diesem Anlass sprach der 58-Jährige mit der APA über Gedanken auf der Leinwand, seine Urangst und die Frage, weshalb man Kassenknüller nicht planen kann.

APA: Herr Schweiger, in "Lieber Kurt" thematisieren Sie, was der Tod eines Kindes mit der hinterbliebenen Familie macht - was nur selten auf der Leinwand zu sehen ist. War die Rolle des trauernden Vaters Kurt Ihre bis dato schwerste Rolle?

Til Schweiger: Jede Rolle ist schwer - und generell gilt immer: Das, was einfach aussieht, ist oft am schwierigsten. Und umgekehrt. Aber für eine dramatische Rolle bekommt man einfach mehr Kudos als für eine Komödie. Dabei sind leichte Komödien extrem schwer. Bei "Lieber Kurt" war für mich dagegen die große Herausforderung, dass die Trauer über solch eine lange Strecke des Films dominiert, was einen großen Unterschied etwa zu "Honig im Kopf" macht.

APA: Haben Sie sich dieser Rolle deshalb anders nähern müssen als etwa einem Nick Tschiller im "Tatort"?

Schweiger: Ich bin als Schauspieler immer in der Rolle, die ich gerade spiele. Ich ziehe mir das, was ich in der Rolle ausdrücken möchte, aber nicht aus meinem eigenen Leben, was beim Method Acting die Idee ist. Es gibt sicher Schauspieler, für die das funktioniert. Ich spiele aber ganz anders, ich spiele mit meiner Fantasie. Die ermöglicht zu sagen: Ich bin jetzt Kurt. Und darauf muss ich mich nicht vorbereiten - denn die Vorstellung davon habe ich ja bereits.

APA: Bei einer Actionpartie gehen Sie vor dem Dreh in ein Bootcamp. Aber wie bereitet man sich auf die Rolle eines Trauernden vor?

Schweiger: Es war nicht die klassische Robert-De-Niro-Geschichte, der vor "Taxi Driver" drei Wochen lang Taxi gefahren ist. Aber ich kenne wirklich enge Freunde, denen der Verlust eines Kindes passiert ist. Und ich selbst bin ja auch vierfacher Vater. Da ist eine Urangst ohnehin immer in mir. Man trägt vier Mal so viel Liebe in sich, aber auch vier Mal so viel Angst. Insofern habe ich mich immer wieder mit diesem Gedanken beschäftigt - was auch der Grund war, warum mich die Romanvorlage von Sarah Kuttner so beschäftigt und durchgerüttelt hat. Nachdem ich dann gemeinsam mit Vanessa Walder das Drehbuch verfasst habe, wusste ich, was auf mich zukommt.

APA: Und Sie hatten im Prozess nie Bedenken, sich dieser Urangst des Kindstodes zu stellen?

Schweiger: Die Bedenken hatte ich nie. Ich habe nach dem Buch einmal durchgeatmet und mich dann sofort gefragt: Wie kann man das verfilmen? Ich hätte eigentlich nicht damit gerechnet, dass die Rechte noch frei sind - was sie aber waren.

APA: Kuttner schafft mit Worten Sprachbilder für Trauer. Wie schafft man Filmbilder für Trauer?

Schweiger: Der Roman besteht nach dem Tod des Jungen praktisch nur noch aus Gedanken der Lebensgefährtin des großen Kurt. Und Gedanken kann man nicht verfilmen. Also musste ich etwas Neues kreieren. Das Schwierigste überhaupt ist, Gedanken in Dialoge umzuwandeln.

APA: Zugleich war Ihnen stets klar, dass der Stoff als Film funktionieren würde?

Schweiger: Nein, das war mir nicht klar. Aber wir wollten es probieren. Ich habe schon viele Drehbücher geschrieben, bei denen ich im Prozess festgestellt habe, dass ich sie nicht zu einem Film machen kann, worauf ich sie in der Schublade beerdigt habe. Im Fall von "Lieber Kurt" hat Vanessa Walder die Erstfassung geschrieben, die zwar toll war, aber so traurig, dass ich nur noch geweint habe. Insofern war mir klar, dass wir etwas ändern müssen. Ich bin dann auf die Idee gekommen, den Jungen in Form von Rückblenden weiterleben zu lassen.

APA: Und Sarah Kuttner hat die Änderungen gutgeheißen?

Schweiger: Ich war schon aufgeregt, als wir Sarah das Drehbuch geschickt haben. Schließlich war ich mir nicht sicher, wie sie reagieren würde. Und wie ich reagiert hätte, wenn sie das abgelehnt hätte? Dann hätte ich wahrscheinlich den Film nicht gemacht.

APA: "Lieber Kurt" findet sich in Ihrem Œuvre an der Seite von Dramödien wie "Honig im Kopf" oder "Die Rettung der uns bekannten Welt". Und auf der anderen Seite gibt es Romcoms und Komödien. Sehen Sie das als zwei getrennte Schienen in Ihrem Gesamtwerk?

Schweiger: Ich mache diesen Unterschied gar nicht. Durch den Erfolg der "leichteren" Filme geraten nur die anderen ein wenig in Vergessenheit. Aber schon in meinem ersten eigenen Film "Knockin' on Heaven's Door" geht es um zwei Todkranke, die noch einmal das Meer sehen wollen. Ich würde auch fünf Komödien hintereinander machen, wenn ich da einen Lauf hätte. Und wenn ich fünf tolle Dramen angeboten bekäme, würde ich die ebenfalls machen. Da habe ich keinen Masterplan.

APA: Sie finanzieren also nicht mit Kassenknüller vermeintlich schwerere Projekte, die Sie realisieren möchten?

Schweiger: Leider kann man Kassenknüller nicht planen. Da gibt es keine Zauberformel. Für einen Blockbuster braucht man vor allem unheimlich viel Glück. Man muss den Zeitgeist perfekt treffen - und das lässt sich nicht planen.

APA: Was Ihre Filme in jedem Falle eint, ist die charakteristische Til-Schweiger-Ästhetik. Körnige Handkamera ist keine Option für Sie?

Schweiger: "Lieber Kurt" ist praktisch komplett mit der Hand gedreht! Was meine Filme eint, ist, dass ich versuche, sie so gut wie möglich aussehen zu lassen. Im Arthouse nehme ich kurze Brennweiten, flaches Licht, und dann sieht Berlin aus, wie ich es jeden Tag mit meinen eigenen Augen wahrnehme. Ich hingegen habe schon als Jugendlicher mein ganzes Geld ins Kino getragen und mich gefragt, warum die deutschen Filme in aller Regel so aussehen wie sie es tun, die Hollywoodproduktionen hingegen richtig toll. Und eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass es in meinen Filmen über alle Genres hinweg um Liebe, Familie und Freundschaft geht.

(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Deutschlands Kinostar Til Schweiger spielt in "Lieber Kurt" seine mutmaßlich traurigste Rolle - die eines Vaters, dessen kleines Kind stirbt.
  • Die Verfilmung eines Romans von Sarah Kuttner ist ab heute, Freitag, im Kino zu sehen.
  • Aus diesem Anlass sprach der 58-Jährige mit der APA über Gedanken auf der Leinwand, seine Urangst und die Frage, weshalb man Kassenknüller nicht planen kann.