T.C. Boyle ist "bloß ein bescheidener Schriftsteller"
Er wäre ja schon für sein vorangegangenes Werk gerne gekommen ("Sprich mit mir" von 2019), aber "da war doch so etwas mit einer Pandemie", sagte Boyle im Talk mit Renata Schmidtkunz, mitgeschnitten für die Ö1-Serie "Im Gespräch" (zu hören am 29. Juni). Auf seinen gewaltigen Output angesprochen, meinte der Amerikaner: "Das ist mein Job, mein Leben, sieben Tage die Woche." Künstler zu sein, helfe, das Elend des Lebens abzuwehren: "Das macht Freude - und wenn man einmal anfängt, kann man nicht mehr aufhören."
Zwischen den Frage-und-Antwort-Teilen lasen Boyle und Autoren-Kollege Michael Köhlmeier abwechselnd auf Englisch und Deutsch aus "Blue Skies". Über seinen Modus Operandi verriet dann Boyle: "Ich arbeite nie ohne Musik." Hauptsächlich höre er beim Schreiben Jazz, "wegen des Rhythmus', aber meine wahre Liebe ist der Rock and Roll und Rhythmen and Blues." Er möge allerdings nur traurige Songs, fügte er hinzu. Blues habe er selbst gespielt, aber aufgehört, denn er sei Perfektionist: "Ich kann mir nicht vorstellen, zwei Dingen sehr gut nachzugehen."
"Blue Skies" liegt ein ernstes Thema zugrunde, nach "Ein Freund der Erde" von 2000 widmet sich der Kultautor erneut dem Klima. Damals siedelte er seine Geschichte über die Folgen der globalen Erderwärmung in der Zukunft an - im Jahr 2025. Auf die Fiktion folgte Realität: "Überall auf der Welt ist man mit Klimawandel und Artensterben konfrontiert. Ich wollte das Thema mit dem neuen Roman noch einmal näher untersuchen. Wie ist das jetzt? Denn damit müssen alle leben, es gibt kein Debatte, er (der Klimawandel) ist hier. Was werden wir tun? Ich weiß es nicht, ich bin kein Guru. Aber ich schreibe über solche Dinge, weil ich darüber meditieren will."
Boyle gab sich so, wie ihn Fans lieben, bei Bedarf schlagfertig. Auf die Bemerkung Schmidtkunz', die Gelsen seien jetzt da, sagte er: "Ich bin wie Franz von Assisi ein Freund der Tiere. Mücken müssen auch essen." Das Insektensterben war schließlich Auslöser für die Idee zu "Blue Skies". Was das für uns bedeutet, habe ihn interessiert. Zur Recherche durchstreifte Boyle mit Insektenforschern Wälder. Aber auch Eigenerfahrung führt den dramatischen Rückgang vor Augen: Auf Buch-Tour fuhr Boyle mit seinem Publizisten "vier Stunden durch die Everglades. Und nur ein einziger Käfer klatschte gegen die Windschutzscheibe. Wir gaben ihm ein Begräbnis."
Mit einem Cliffhanger kam Boyle zum Schlussteil seiner Ausführungen, ehe er sich zum Signieren begab: "Ich weiß nicht, ob ihr davon gehört habt, Amerika wäre vor wenigen Jahren fast eine faschistische Diktatur geworden. Ich wollte darauf reagieren, aber konnte das nicht, weil ich bereits an einem Roman arbeitete. Aber jetzt habe ich ein paar Kurzgeschichten verfasst. In einer davon, die im Juli im (Magazin) 'Esquire' veröffentlicht wird, trifft man auf eine Frau mit einer roten MAGA-Kappe. Mehr sage ich nicht ..."
(S E R V I C E - T.C. Boyle: "Blue Skies", aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren, Carl Hanser Verlag, 400 Seiten, gebunden 29,50 Euro)
Zusammenfassung
- Boyle: Mit seinem neuen Roman "Blue Skies" hat der US-Autor einen Ökothriller geschrieben, gebettet in eine Familiengeschichte, Drama, Ironie, Satire und tiefschwarzer Humor inklusive.
- "Ich bin nur ein bescheidener Schriftsteller", übte sich der 74-Jährige am Montagabend in Wien in Understatement.
- Zwischen den Frage-und-Antwort-Teilen lasen Boyle und Autoren-Kollege Michael Köhlmeier abwechselnd auf Englisch und Deutsch aus "Blue Skies".