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Sprachmodelle für Expertin noch nicht reif für Journalismus

Katharina Schell, stellvertretende APA-Chefredakteurin und prononcierte Expertin für Künstliche Intelligenz (KI), hat am Freitag am Rande des 15. europäischen Mediengipfels betont, dass Sprachmodelle für die Anwendung in der journalistischen Arbeit noch nicht einsatzbereit seien. "Ich glaube aber, es wird Modelle geben, die dafür geeignet sind", sagte Schell. "Wenn es so weit ist, dann werden wir das tun, und sie nutzen", so Schell, die sich speziell mit KI-Projekten befasst.

Natürlich gebe es Routinetasks, "die nicht gerade der journalistischen Erfüllung dienen", erklärte Schell. Eine Maschine könne problemlos Routineartikel wie über die "Kartoffelernte 2023" schreiben, gab sie ein zugespitztes Beispiel. Es werde darum gehen, Redakteure und Redakteurinnen durch die geschickte Anwendung von KI für die journalistischen Kernaufgaben freizuspielen. "Also wir brauchen unsere Kolleginnen und Kollegen wirklich für qualifiziertere Tasks, als eine Pressemitteilung oder einen Geschäftsbericht zu schreiben."

Traditionelle Verlagshäuser befinden sich aufgrund steigender Produktionskosten, der Konkurrenz durch Google und Facebook am Werbemarkt sowie durch das Fehlen von Geschäftsmodellen für Onlinejournalismus und einem Schwund an jungen Lesern in einer massiven Existenzkrise. Stellenabbau und Sparprogramme wurden heuer bei bereits mehreren Medien wie dem "Kurier", dem "Standard" oder der "Kleinen Zeitung" verkündet. Mitunter setzen einige Häuser bereits auf KI-Tools - darunter unter anderem die "Vorarlberger Nachrichten".

"KI kann bei uns dazu verwendet werden, sich bessere Titelvorschläge geben zu lassen", erklärte Gerold Riedmann, Chefredakteur der "Vorarlberger Nachrichten" (VN) und Geschäftsführer bei Russmedia am Freitag dazu auf einer Podiumsdiskussion zur Zukunft des klassischen Journalismus. Nicht alle von Menschen gemachten Headlines seien genial, meinte Riedmann. "Man kann die KI darum auch zum Brainstormen verwenden", schilderte er. Zudem könnten KI-Applikationen bei den VN zur automatischen Ressortzuteilung von Artikeln genutzt werden, hieß es. Die Verwendung des teils kontrovers diskutierte Open-AI-Tool Chat-GPT sei intern erlaubt. "Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verwenden Chat-GPT privat, aber wissen nicht, dass sie es auch bei uns nutzen dürfen", erklärte Riedmann, der im kommenden Jahr nach Wien zum "Standard" wechselt.

Im Gegensatz dazu sei der Einsatz von Chat GPT bei der APA noch nicht erlaubt, erzählte Schell. "Denn in der kostenlosen Variante von Chat-GPT wird alles, was man bei Chat-GPT als Input eingibt, von OpenAI (Entwickler, Anm.) zum Training des Modells verwendet", so die APA-Journalistin. Erwischte sie eine Redakteurin oder einen Redakteur bei der Bearbeitung eines noch unveröffentlichten Interview-Transkripts, gäbe es eine Rüge von ihr. "Ich würde fragen: 'Wie hältst du es mit dem Redaktionsgeheimnis?'"

Die Nachrichtenagentur arbeitet laut Schell jedoch daran, einzelne Assistenzfunktionen von Chat-GPT und anderen Sprachmodellen der Redaktion aber auch Kunden zur Verfügung zu stellen. Sobald das möglich sei, werde die Redaktion den "Text-Assistent" verwenden können. Dabei handle sich dann um eine von der APA zertifizierte Anwendung.

Zudem existierten Richtlinien für die unternehmenskonforme Verwendung von KI. Für APA-Mitarbeiter gelte bei Anwendungsfällen für Übersetzungsprogramme "zum Beispiel nicht Google-Translate sondern DeepL zu verwenden".

Wie österreichischer Journalismus in 20 Jahren aussehe, sei schwer einzuschätzen. "Wir sehen aber jedenfalls, dass generative KI seit rund einem Jahr beginnt, den Journalismus anzutreiben", sagte Schell. Die Veränderung werde jedoch eher schleichend kommen.

"Da wird es vielleicht auch teilweise Veränderungen im journalistischen Rollenbild geben". Nachsatz: "Wenn bis dahin ein systemischer Wandel passiert ist, bin ich mir nicht einmal sicher, ob es dann überhaupt Meldungen und Geschichten braucht." Schell verwies in diesem Zusammenhang auf Studien, wonach Information in "dialogischer Form bei Menschen am besten funktioniert." Würden also besonders hochwertige Chatsysteme entwickelt, während gleichzeitig bekannt sei, dass User Infos am liebsten durch Chats konsumierten, werfe das entscheidende Fragen auf: "Was heißt das denn für die Formate und wie wir sie künftig anlegen?" In diesem Zusammenhang schwebt der stellvertretenden Chefredakteurin auch schon ein mögliches Zukunftsszenario vor. "Vielleicht hat künftig jeder Redakteur und jede Redakteurin eines Mediums eine eigene Chat-Persona, macht seinen Journalismus, recherchiert, den Chat und die User und Userinnen lassen sich das erzählen."

ribbon Zusammenfassung
  • "Ich glaube aber, es wird Modelle geben, die dafür geeignet sind", sagte Schell.
  • Wie österreichischer Journalismus in 20 Jahren aussehe, sei schwer einzuschätzen.