Speed-Daten mit Glaube und Tod bei der Sommerszene Salzburg
Der Tod spielt im "Jedermann" bekanntlich eine zentrale Rolle. Folgerichtig hat sich "ohnetitel" als Aufführungsort für den Kommunalfriedhof in der Stadt Salzburg entschieden. Das Setting: 48 kleine Tische inmitten von Gräbern, davor jeweils zwei Stühle, auf jeder Tischplatte eine Sanduhr, die genau zehn Minuten läuft.
In der Vorlage treten neben Gott und Teufel auch zahlreiche Allegorien auf, die abstrakte Begriffe vermenschlicht darstellen: Tod, Glaube, Mammon, Werke - aber auch die Buhlschaft, Jedermanns Mutter, der gute Gesell oder der arme Nachbar. Alles Figuren, die Jedermann gegenübertreten und von denen er sich angesichts des drohenden Todes Hilfe und Unterstützung erhofft. "Wir haben uns gefragt, welche Funktionen haben diese acht Figuren als Gegenüber des Jedermanns und welche Berufsbilder und Tätigkeiten würden ihnen heute entsprechen", sagt Dorit Ehlers von "ohnetitel" zur APA. "Dann haben wir für die acht Allegorien jeweils sechs Leute aus Salzburg gesucht."
Herausgekommen ist eine Liste von 48 Berufen und Persönlichkeiten, vom Koch bis zum Model, von der Lehrerin bis zum Politiker. Der Tod wird etwa von einer Hospizärztin, einer Trauerrednerin, einem Krisenreferent oder einem Kammerjäger "vertreten". Für den Glauben wurden unter anderem ein Pfarrer, ein Mönch, ein Theologe, aber auch eine Wissenschafterin gewonnen, für den Mammon eine Lohnverrechnerin oder ein Vermögensberater.
Die "modernen Allegorien" erzählen jeweils im Zweiergespräch mit ebenso 48 Besucherinnen und Besuchern offen aus ihrem persönlichen Leben, von ihren Berufen, die Umstände, die dazu geführt haben, diese zu wählen und beginnen dann einen Dialog mit dem jeweiligen Gegenüber. "Die zentrale Frage dahinter ist, wie ich mein Leben auch angesichts des Todes eigentlich leben soll." Dabei treten nicht nur verschiedene Lebensentwürfe zu Tage, sondern auch die Abzweigungen in der eigenen Biografie, die man genommen oder manchmal auch nicht genommen hat.
Anders als im Original, das die Frage nach dem richtigen, tugendhaften Leben stellt, hat sich "ohnetitel" allerdings für die Formulierung des "angemessen Lebens" als roten Faden entschieden. Man habe damit die Moral, mit der der "Jedermann" aufgeladen ist, ein wenig herausnehmen wollen. Die Einführung in das Stück erfolgt mit zwei kurzen Gedankenspaziergängen zu den Konzepten der Endlichkeit und der Ewigkeit. Jeder Teilnehmer kann dann im Anschluss mit vier Allegorien sprechen.
Es sei übrigens gar nicht so leicht gewesen, 48 Salzburgerinnen und Salzburger zu finden, die sich - zumal im Beruf stehend - für die Generalprobe und die insgesamt drei Aufführungen Zeit nehmen können, hieß es von "ohnetitel". Ursprünglich hätte das Kollektiv auch gerne am barocken Sebastians-Friedhof inszeniert. "Leider gab es eine Nachbar- und Nutzerschaft, die glaubte, dass Gespräche über Leben und Tod nicht auf einen Friedhof gehören", hieß es dazu knapp.
(Von Fritz Neumüller/APA)
(S E R V I C E - "Die Welt im Ganzen" von ohnetitel. Weitere Termine: Freitag, 7. Juni, Sonntag, 9. Juni, jeweils 19.00 bis 20.30 Uhr. Die Vorstellungen sind allerdings ausverkauft. https://www.szene-salzburg.net/sommerszene)
Zusammenfassung
- Das Künstlerkollektiv 'ohnetitel' hat die Tischgesellschaft aus Hugo von Hofmannsthals 'Jedermann' ins Hier und Jetzt versetzt und auf dem Kommunalfriedhof in Salzburg aufgeführt.
- 48 Personen aus verschiedenen Berufen, darunter eine Hospizärztin und ein Pfarrer, vertraten die Allegorien aus dem Originalstück und führten zehnminütige Gespräche mit den Besuchern.
- Die zentrale Frage der Aufführung war, wie man sein Leben angesichts des Todes leben sollte, wobei das Konzept des 'angemessenen Lebens' anstelle der Moral des Originals verwendet wurde.