Ringturm lädt zur Reise durch Europas Bahnhofsgeschichte
Die Geschichte der Bahnhöfe beginnt logischerweise bald nach der Einführung der ersten Gleisverbindungen. England war dabei Pionier und eröffnete 1825 die Strecke Stockton-Darlington, bereits ein Jahr später wurden erste "Schutzhüllen" für Reisende errichtet. Derartige Bauten bestanden noch aus Holz und glichen eher einem Stadel, erklärte Stiller.
Erst nachdem neben Gütern zunehmend auch Personen mit der technischen Wundermaschine transportiert wurden - Skeptiker zweifelten, ob der menschliche Körper die damalige Höchstgeschwindigkeit von rund 30 km/h überhaupt aushalten könnte -, entstand ein gänzlich neuer Gebäudetypus, der neben der eigentlichen Funktion als Ankunfts- und Abfahrtsareal bald auch diverse Zusatzfunktionen für die Passagiere zu erfüllen hatte: Luxuriöse Restaurants, kleine Geschäfte und Warteräume entstanden. Die neuen Verkehrskathedralen hatten zudem wesentlichen Einfluss auf die städtebauliche Entwicklung in den angrenzenden Quartieren.
Rund 40 Exemplare aus verschiedenen Ländern hat man für die Ringturm-Schau mit dem schlichten Titel "Bahnhöfe" ausgewählt. Vorgestellt werden sie auf großen, üppig bebilderten, teils mit Planungsdetails angereicherten Plakaten, die im Raum verteilt von der Decke hängen. Es ist jedoch kein Abgesang auf verschwundene Architekturgroßtaten - in Wien etwa sind die im Historismus konzipierten Bahnhöfe der Monarchie allesamt zerstört und abgetragen worden -, der die Besucherin bzw. den Besucher erwartet. Bis auf eine Ausnahme - den Bahnhof in Belgrad - gebe es sämtliche Bauwerke nämlich noch, betonte der Kurator. Wobei ergänzt werden muss, dass einige im Lauf der Zeit ihr Erscheinungsbild durch Ein-, Zu- oder Umbauten doch deutlich verändert haben. Und die vormalige Gare d'Orsay - 1900 eröffnet und 39 Jahre später wieder geschlossen, weil für die inzwischen länger gewordenen Züge zu klein dimensioniert - dient seit fast drei Jahrzehnten als mittlerweile weltbekanntes Museum mit Schwerpunkt auf den Ex- und Impressionismus.
Geografisch über weite Teile Europas verstreut, stößt man in der Ausstellung durchaus auf einige Superlative: die größte bestehende Halle mit 210 Metern Länge und 31 Metern Höhe in London (St. Pancras International), die Gare du Nord in Paris mit täglich 2.100 Zügen und 700.000 Menschen als Bahnhof mit der höchsten Frequenz, der in den 1930ern errichtete Bau in Florenz als erster Eisenbahnknoten der Klassischen Moderne oder das Megaprojekt "Stuttgart 21", derzeit Europas größte Bahnhofsbaustelle.
Dazu kommen Besonderheiten wie etwa eine Serie nahezu unbekannter Bauwerke des Corbusier-Schülers Josef Danda in Tschechien, wuchtige Brutalismus-Klötze in Sofia und Tiflis, das Jugendstil-Monument von Helsinki oder der von Gustave Eiffel persönlich geplante Westbahnhof (Nyugati pályaudvar) von Budapest.
Österreich ist dreimal im Ringturm vertreten: Neben jenem in Innsbruck werden der Salzburger Hauptbahnhof als vorbildliche Beispiel für die Integration der historischen Eisenkonstruktion in die Modernisierung und Erweiterung ab Ende der 2000er-Jahre und - keine klassische Zugstation - die erst im Vorjahr neu gebaute Talstation in St. Wolfgang für die 1893 eröffnete Zahnradbahn auf den Schafberg präsentiert. Warum gerade der Wiener Hauptbahnhof als meistfrequentierter Eisenbahnknotenpunkt des Landes keinen Platz in der Ausstellung hat, beantwortet Kurator Stiller äußerst lakonisch: "Wir zeigen keine Shoppingmalls."
(S E R V I C E - "Bahnhöfe. Stationen in Europa" im Wiener Ringturm, Schottenring 30, 1010 Wien, ab Dienstag und bis 15. November, Mo bis Fr, 9-18 Uhr, Eintritt frei; Katalog in Deutsch/Englisch, ca. 180 Seiten, 34 Euro; www.airt.at)
Zusammenfassung
- Die Ausstellung betont einen nicht-nostalgischen Ansatz und zeigt existierende Bahnhöfe, darunter auch Beispiele aus Österreich wie der Salzburger Hauptbahnhof.
- Die Ausstellung läuft bis 15. November, der Eintritt ist frei. Ein Katalog mit 180 Seiten ist für 34 Euro erhältlich.