"Politisch korrekte" Comedy: "Wollen einfach keine Arschlöcher sein"
Denice Bourbon wollte ihren Freund:innnen beweisen, dass sie Recht hatte. So könnte man die Gründungsgeschichte des Wiener Comedy-Clubs PCCC* (Politically Correct Comedy Club) in einem Satz zusammenfassen.
"Meine queeren Freund:innen haben immer gesagt, sie mögen Comedy nicht", erzählt Bourbon, die den Club 2017 gemeinsam mit Josef Jöchl gegründet hat. "Ich habe das nie verstanden." Bis sie feststellte: Personen aus der LGBTQ-Community mochten Comedy oft deshalb nicht, weil sie als Pointe der Witze herhalten mussten. Sie wollte zeigen, dass Comedy auch lustig sein kann, ohne nach unten zu treten - und erschuf sich den Raum dafür einfach selbst.
Der PCCC* findet viermal jährlich im WUK statt. Comedians wie Malarina, die 2023 mit dem Kabarett-Preis "Salzburger Stier" ausgezeichnet wurde, oder der Tik Tok-Star Toxische Pommes hatten dort ihre ersten Live-Auftritte. Der Club fungiert als eine Art Kaderschmiede einer neuen, jungen österreichischen Generation an Künstler:innen, die die männerlastige österreichische Humorszene umkrempeln.
Viele der Künstler:innen starten nach ihren Auftritten in bekannten Institutionen wie etwa dem Kabarett Niedermair durch. "Es ist eine Plattform für Leute, die danach auch wo anders Erfolg haben", sagt etwa die 28-jährige Nathalie Rettenbacher, die bei PCCC* das erste Mal Stand-Up auf einer Bühne performte.
Lineup: Bourbons "lustige Freund:innen"
Als der Club vor etwa sechs Jahren gegründet wurde, war das nicht absehbar. Damals gab es so etwas wie LGBTQ-freundliche Comedy in Österreich noch nicht. "Ich kannte ein paar lustige Drag Queens", lacht Denice Bourbon. "Aber am Anfang traten da einfach meine lustigen Freund:innen auf." Wenn Bourbon von Freund:innen spricht, muss man wissen: Innerhalb der queeren Szene kennt sie eigentlich die ganze Stadt.
Bourbon zog Anfang der 2000er Jahre von Schweden nach Wien, in Malmö hatte sie sich zuvor in eine Österreicherin verliebt. Seit sie hier ist, ist sie nicht mehr aus der queerfeministischen Szene wegzudenken. Stefanie Sargnagel hat sie zuletzt in einem Artikel in der deutschen "taz" sogar als "Mutter der Wiener Queerszene" bezeichnet. Oft muss Bourbon Künstler:innen lange überzeugen, um sie beim PCCC* auf die Bühne zu bekommen.
Von Open Mic zu regelmäßigen Auftritten
Die Künstlerin Rettenbacher ist eine von denen, die von Bourbon motiviert wurden, mehr Comedy zu machen. "Ich hab vor eineinhalb Jahren bei einem PCCC* Open Mic mitgemacht", erzählt sie. Open Mics sind übersetzt offene Bühnen, wo unterschiedliche Künstler:innen spontan auftreten können. "Direkt im Anschluss hat mich Denice gefragt, ob ich mitmachen möchte." Seither ist sie Teil des PCCC*-Ensembles.
Ich bin trans und ich lebe in Wien. Es ist überall auf der Welt nicht so einfach, trans zu sein. In Wien ist es ganz okay, weil die ganze Transfeindlichkeit ist nicht auf trans Leute gerichtet, sondern auf Transdanubien.
In ihren Sets thematisiert Rettenbacher ihre Erfahrungen als trans Frau in Österreich. "Ich bin trans und ich lebe in Wien, es ist überall auf der Welt nicht so einfach, trans zu sein", sagt sie etwa bei einem Auftritt. "In Wien ist es ganz okay, weil die ganze Transfeindlichkeit ist nicht auf trans Leute gerichtet, sondern auf Transdanubien."
Räume müssen selbst geschafft werden
Seit ihrem ersten Auftritt versucht die Künstlerin in der Wiener Comedy-Szene Fuß zu fassen. "Bei PCCC* fühle ich mich am wohlsten", erklärt sie. "Gestern hatte ich einen Auftritt, da haben mich die Leute nach jedem queeren Witz angeschaut wie ein Autobus. Es ist auch nicht so geil direkt nach einem Typen, der seine transfeindlichen Jokes raushaut, auf die Bühne zu gehen."
Für Rettenbacher gibt es nur dann einen Platz für linke und queere Stimmen in der österreichischen Kabarettlandschaft, "wenn sich der Raum selbst genommen wird". So wie es Denice Bourbon seit Jahren macht.
Wer bei dem Club auftritt, funktioniert nach einem Fairness-System. Es wird darauf geachtet, dass alle Künstler:innen regelmäßig zum Zug kommen. "Das ist aber keine Charity", betont Bourbon. Stattdessen gehe es darum die Balance zu wahren, sprachlich unterschiedlich aufgestellt zu sein – es treten immer auch englischsprachige Stand-Up-Performer auf – und neue Gesichter zu zeigen.
Obwohl das Line-Up erst im Nachhinein bekannt gegeben wird, sind die 300 Plätze im WUK nach spätestens zwei Stunden ausverkauft. "Das ist nicht normal für einen Comedy-Club", sagt Bourbon.
Wir waren noch nie im "Falter". Jedes Arschloch in diesem Land war schon mal im "Falter".
Die mediale Berichterstattung über den Club, der inzwischen weit über die LGBTQ-Szene hinaus ein Hype ist, ist gering. "Wir waren noch nie im 'Falter'", lacht Bourbon. "Jedes Arschloch in diesem Land war schon mal im 'Falter'." Wenn doch über den Club geschrieben werde, gehe es meistens darum, ob politische Korrektheit witzig sein könne oder er werde als "nischig" beschrieben. "Wir sind nicht nischig", betont Bourbon. "Wir sind ein Spiegel unserer Umgebung." Nicht alle Leute seien weiß und hetero, so wie es das österreichische Fernsehen oft suggerieren würde.
"Mehr Tickets als alle anderen"
Andererseits: PCCC* funktioniere eben auch ohne Medienrummel. "Wir verkaufen mehr Tickets als alle anderen", sagt Bourbon und zuckt mit den Schultern. Langfristige Zukunftspläne mit klar definierten Zielen gibt es derzeit keine. Außer, "dass PCCC* so relevant und gut bleibt, wie es ist", meint Bourbon. Und sich selbst treu zu bleiben. "Wir wollen einfach keine Arschlöcher sein und das provoziert die Leute." Bisher hat dieser Weg gut geklappt.
Zusammenfassung
- Der Politically Correct Comedy Club (PCCC*) macht österreichische Comedy-Szene jünger, weiblicher und queerer - und ist dabei jedes Mal nach maximal zwei Stunden ausverkauft.