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ORF-Redakteure drängen auf Gremienreform

Die Zusammensetzung der ORF-Gremien Stiftungs- und Publikumsrat ist teilweise verfassungswidrig. Das steht seit einem Verfassungsgerichtshof-Entscheid (VfGH) im Oktober fest. Die Regierung hat bis März 2025 Zeit, eine Gremienreform durchzuführen und so Verstöße gegen das Unabhängigkeits- und Pluralismusgebot, die vor allem durch einen zu großen Einfluss der Regierung selbst entstehen, auszubügeln. Der ORF-Redaktionsausschuss meldete sich nun mit Vorschlägen zu Wort.

So soll eine Gruppe von unabhängigen Medien-, Rechts- und Wirtschaftsexpertinnen und -experten eine Grundlage für den Gesetzgeber ausarbeiten, empfiehlt der ORF-Redaktionsausschuss in einer am Mittwoch einstimmig beschlossenen Resolution. Der Redaktionsausschuss setzt sich aus den Redaktionssprechern der Bereiche Radio, TV, Online, Teletext und Landesstudios zusammen. Diese Gruppe könnte etwa aus Kommunikationswissenschafter, Medienexperten von Akademien und Universitäten, Medienjuristen, Verfassungsexperten und auch Vertreter anderer öffentlich-rechtlicher Sender bestehen, regen die ORF-Redaktionsvertreter an.

Die ORF-Redaktion bringe sich über ihre Vertretung gerne ein, heißt es in der Resolution, die auch eine Reihe von Reformvorschlägen enthält. So müsse sichergestellt sein, dass die Regierungsparteien nicht automatisch die Mehrheit in den Gremien erlangen können - wie es derzeit der Fall ist -, um die "parteipolitische Einflussnahme bei der Bestellung von Managementpositionen im ORF zurückzudrängen". Die Plätze im Stiftungs- und Publikumsrat sollten nach fachlichen Kriterien und nicht nach Parteinähe besetzt werden. Institutionen, die Mandate besetzen, sollen das nach Ansicht des ORF-Redaktionsausschusses mittels öffentlicher Ausschreibung und Hearings machen und ihre Entscheidung begründen.

Auch regt die ORF-Redaktionsvertretung an, die formell nicht vorgesehenen parteipolitischen "Freundeskreise" in den ORF-Gremien aufzulösen. Zudem sollte der Redakteursrat "zur Sicherung und zum Ausbau der Mitwirkungsrechte der Redaktionen" eine Vertretung in den Stiftungsrat entsenden können. Derzeit werden die Mitglieder des Gremiums von Regierung (9), Parlamentsparteien (6), Bundesländern (9), ORF-Publikumsrat (6) und ORF-Zentralbetriebsrat (5) beschickt.

Auch an den Anhörungsrechten der Landeshauptleute bei der Besetzung von ORF-Landesdirektionen stößt sich der ORF-Redaktionsausschuss. Dieses gehöre abgeschafft. Abstimmungen sollten in den Gremien künftig wieder geheim erfolgen, um so sicherzustellen, dass nicht länger geschlossen einer Parteilinie gefolgt wird.

"Selbstverständlich sind die Parteien zentrale Träger unserer Demokratie. Wenn es aber beim größten Medium des Landes um Kontrolle und Einfluss geht, haben die Parteien einen offensichtlichen Interessenskonflikt", heißt es in der von Dieter Bornemann, Simone Leonhartsberger, Peter Daser und Margit Schuschou unterzeichneten Resolution. Daher sollten die Aufsichtsgremien des ORF so besetzt werden, dass es bei Entscheidungen in allererster Linie um die Interessen des Publikums und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geht, und nicht um jene von Parteien.

Die Grünen sehen die Entscheidung des VfGH als Auftrag an die aktuelle Regierung, teilte das Büro von Mediensprecherin Eva Blimlinger auf APA-Anfrage mit. Eine Umsetzung durch die nächste Regierung könne alleine schon aufgrund der parlamentarischen Prozesse nicht zeitgerecht erfolgen. Die Grünen würden seit vielen Jahren für eine Reform der ORF-Gremien eintreten. Daher sei man nicht erst seit der Veröffentlichung des VfGH-Erkenntnisses auch in "intensivem Austausch mit diversen Expertinnen und Experten", um Lösungen auszuarbeiten, hieß es.

Die FPÖ drängt indes auf eine "Totalreform" des ORF, wobei nicht die Gremienreform, sondern die Abschaffung der von der schwarz-grünen Regierung auf Basis eines VfGH-Entscheids mit 1. Jänner 2024 eingeführte Haushaltsabgabe der "allererste Reformschritt" sein müsse. Eine bloße Gremienreform würde nicht weit genug gehen. Eine Absage erteilte FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker dem Vorschlag des ORF-Redaktionsausschusses, auch internationale Experten einzubeziehen. Das würde den ORF auf einen "noch extremeren linksgrünen Kurs bringen und außerdem eine mögliche Einflussnahme aus dem Ausland bedeuten".

"Das ganze ORF-Gesetz muss zurück an den Start - und zwar schnell, nicht erst irgendwann nach der Wahl Ende 2024, Anfang 2025", forderten die NEOS. Deren Mediensprecherin Henrike Brandstötter will nächste Woche im Nationalrat einen Zehn-Punkte-Plan für den ORF einbringen. Dieser sieht etwa eine Schärfung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags, eine Diskussion darüber, ob die Haushaltsabgabe das richtige Finanzierungsinstrument zur Gewährleistung eines nachhaltig und unabhängig finanzierten ORF ist, eine Gremienreform, eine Abschaffung des Anhörungsrechts von Landeshauptleuten, echte Konsequenzen bei Compliance-Verstößen von ORF-Mitarbeitern oder auch die österreichweite Abschaffung der Landesabgabe vor.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Zusammensetzung der ORF-Gremien Stiftungs- und Publikumsrat ist teilweise verfassungswidrig.
  • Das steht seit einem Verfassungsgerichtshof-Entscheid (VfGH) im Oktober fest.
  • Die Regierung hat bis März 2025 Zeit, eine Gremienreform durchzuführen und so Verstöße gegen das Unabhängigkeits- und Pluralismusgebot, die vor allem durch einen zu großen Einfluss der Regierung selbst entstehen, auszubügeln.