Spannungsabbau bei And So I Watch You From Afar in der Arena
Anlass für die derzeitige Europatour ist das im Vorjahr veröffentlichte Album "Megafauna", mit dem Rory Friers, Niall Kennedy, Ewen Friers und Chris Wee - der Stammschlagzeuger fehlte in Wien aufgrund der Geburt seiner Tochter und wurde von Micheál Quinn kongenial ersetzt - gewissermaßen einen Liebesbrief an ihre Heimat und Jugendzeit geschrieben haben. Entsprechend pendeln die großteils rein instrumentalen Tracks zwischen nostalgischen Gefühlen und einer unbändigen Energie, die sich schnell überträgt. "Das ist etwas, worauf du hoffst, aber garantieren kannst du es nicht", meinte Kennedy vor dem Gig im APA-Interview.
Für den Gitarristen geht es in erster Linie darum, "ehrlich und authentisch zu sein. Du bringst etwas in die Welt, das dir etwas bedeutet - und hoffentlich tut es das dann auch für jemand anderen." Beim Eröffnungsdoppel "Mother Belfast Pt. 1 & 2" wurde man jedenfalls gleich Zeuge der Vielseitigkeit von And So I Watch You From Afar: Kleinteilige Gitarrenmelodien umspielten sich hier, während der Raum sukzessive größer gemacht wurde und die vier Musiker letztlich in den massiven Schlussteil abbogen - Tanzbarkeit inklusive.
Absage an die Hektik des Alltags
Ohnehin ist die Mischung der Formation eine, die sich nur schwer fassen lässt: Härte und Atmosphäre des Postrock wurden immer wieder gebrochen, um verspielte Ausflüge hinzulegen, wie etwa das zappelige "Mullally" bewies. "Wasps" drückte das Publikum hingegen mit Geschwindigkeit und Grandezza an die Wand, während "Any Joy" vom aktuellen Album eine ungemein melancholische Seite bediente - schließlich bietet der Alltag schon Hektik genug.
Generell sei das aktuelle Material in einer "Zeit der Reflexion" entstanden, wie Kennedy betonte. Großteils fertiggestellt während der Coronapandemie, haben And So I Watch You From Afar diese in vielerlei Hinsicht schlimme Phase zum Innehalten genutzt. "Natürlich haben wir uns damals gefragt: Was sind wir ohne Musik? Es war eigenartig", dachte er an den ersten Lockdown zurück. "Bis dahin war die Band unsere ganze Welt. Und jetzt? Es fühlte sich wie eine existenzielle Krise an."
Aber eine, an der das Quartett gewachsen ist. Schließlich gibt es auch andere Dinge im Leben, die erfüllend sind. "Ich selbst bin an die Uni gegangen und stehe nun kurz vor meinem Abschluss in Sozialarbeit. Daran hätte ich vorher im Traum nicht gedacht." Die Band befinde sich heute "an einem besseren Ort", nickte Kennedy. "Sie muss nicht mehr all unsere Bedürfnisse erfüllen. Es ist sicher ein gesünderer Zugang zur Musik, den Proben und dem Tourleben. Klar nimmt das nach wie vor die meiste Zeit in Anspruch - aber eben nicht mehr ausschließlich."
Tanzen, springen, singen
Ein gutes Rezept für innere Ausgewogenheit ist sicherlich auch der Besuch eines Konzerts von And So I Watch You From Afar: Wer nach diesen intensiven 75 Minuten kein breites Grinsen im Gesicht trug, war ganz einfach nicht dabei. Nicht beim gemeinsamen Bapbap-Gesang in "7 Billion People all Alive at Once", nicht beim intensiven Springen zum Klassiker "Set Guitars to Kill", nicht beim kollektiven Sonnenanbeten von "Big Thinks Do Remarkable" - natürlich stets mit einem Glitzern in den Augen. Die Musik der eigenen Band zu beschreiben falle ihm oft schwer, grinste Kennedy: "Sie ist wirklich hart, aber auch wirklich fröhlich." Darauf konnten sich alle einigen. Schön, dass And So I Watch You From Afar wieder den Weg nach Österreich gefunden haben. Auf dass es nicht wieder zehn Jahre dauert bis zum nächsten Besuch.
(Von Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - https://asiwyfa.com)
Zusammenfassung
- Nach zehn Jahren kehrte die nordirische Postrockband And So I Watch You From Afar nach Wien zurück und begeisterte das Publikum in der Arena mit ihrem energiegeladenen Konzert.
- Ihr aktuelles Album 'Megafauna', ein Liebesbrief an Heimat und Jugend, entstand während der Coronapandemie und spiegelt eine Zeit der Reflexion wider.
- Gitarrist Niall Kennedy studiert nun Sozialarbeit, was die neue, gesündere Einstellung der Band zur Musik und zum Tourleben unterstreicht.