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Monira Al Qadiris "Mutant Passages" im KUB

Öl ist omnipräsent: Wir nutzen es als Brennstoff, in der Kosmetik, in Verpackungen, Textilien, Farben, Baustoffen - aber es zerstört unseren Planeten, befeuert Kriege und tötet Lebewesen. Im Kunsthaus Bregenz (KUB) kann man in der neuen Ausstellung von Monira Al Qadiri über diesen Millionen Jahre alten Stoff nachdenken, der ebenso nützlich wie tödlich ist. Die hochaktuelle Schau "Mutant Passages" der in der Golfregion aufgewachsenen Künstlerin dauert bis 2. Juli.

"Öl ist eine zerstörerische Kraft, aber in gewisser Weise ist es auch ein Wunder", so Monira Al Qadiri, die sich seit Jahren mit der Petro-Kultur befasst und vom Öl als "Trickster" und "Alien" spricht. Sie entlarvt mit künstlerischen Mitteln unsere Besessenheit und Abhängigkeit vom Öl, beleuchtet Ursprünge, Technologien und die Schulden, die wir durch seine Nutzung dem Planeten aufbürden. Im Kern steht die Frage, ob eine Befreiung davon, ein Danach möglich ist. Für Bregenz hat die 1983 im Senegal geborene, in Berlin lebende Monira Al Qadiri dazu auch neue Werke geschaffen.

Im Foyer des KUB legt Al Qadiri die petrochemischen Substanzen unters Mikroskop. Im Raum schweben spacig schillernde, aufblasbare Skulpturen, "Benzene Float" genannt, die sich auf die Molekularstruktur der Stoffe beziehen und ihre Allgegenwart bei gleichzeitiger Unsichtbarkeit verdeutlichen. Großformatig und bunt bleibt die Schau auch im ersten Obergeschoss. Die in Regenbogenfarben schimmernden, rotierenden Objekte sind vergrößerte Bohrköpfe, wie sie in der Erdölgewinnung eingesetzt werden. Ihre genoppten Formen erinnerten die Künstlerin an die Perlenindustrie, die früher im Persischen Golf florierte, und inspirierte sie zu dieser "Choreography of Alien Technology" (2023). Wie edle Schmuckstücke in einer Vitrine präsentieren sie sich dem Betrachter als gelackte Symbole unermesslichen Reichtums und stehen zugleich für den tiefgreifenden Wandel der Golfregion.

An das berühmte Manga "Ghost in the Shell" - die Künstlerin lebte zehn Jahre in Japan - lässt die Arbeit im zweiten Obergeschoss denken, das von zwei großen blutroten Meeresschnecken dominiert wird. Die Gehäuse kommunizieren miteinander, aber aus ihren Muscheln dringen statt Meeresrauschen androgyne Stimmen, die aus der Novelle "The Diesel" von Thani Al-Suwaidi zitieren, einer Coming-of-Age Geschichte eines nonbinären Charakters. Denn "Gastromancer" (2023) verdeutlicht drastisch die Auswirkungen der Ölgewinnung auf Meeresorganismen. Der rötliche Farbstoff TBT wird im "Antifouling"-Anstrich auf Öltankern verwendet und gibt Biozide ins Wasser ab, was dazu führt, dass weibliche Purpurschnecken männliche Geschlechtsmerkmale ausbilden. Ihre Population bringt das an den Rand des Aussterbens. Im Stiegenhaus begegnen einem hinterleuchtete Fotos in Bullaugen. Zu sehen ist der erste moderne Öltanker, die "SS Murex", die nach eben jener Schneckengattung benannt ist.

Beklemmend schön in ihrer Schlichtheit und Tragik ist die Arbeit im dritten Obergeschoss: Tote Vögel aus schwarzem Glas, wie mit Öl überzogen, liegen auf dem weißen Boden verteilt. Ein Bezug zum Golfkrieg in Kuwait (1990-91), als Tierkadaver die Küsten bedeckten infolge der in Brand gesetzten Ölquellen. Dennoch erlebte die Künstlerin, wie die ikonischen Fotos davon in einem ihrer Hochschulseminare in Japan als Propaganda abgetan wurden. "Ich begann an meiner eigenen Erinnerung zu zweifeln", erklärte Al Qadiri, die diese Umweltkatastrophe als Kind selbst miterlebt hat. Mit dem zerbrechlichen Werk "Onus", ein Rechtsbegriff für Bürde oder Auflage, verweist sie einerseits auf die Fragilität von Natur und Umwelt, andererseits auf jene der Erinnerung: Allzuschnell sind Umweltkatastrophen vergessen. "Wir wollen uns mit dieser Zerstörung nicht konfrontieren", so die Künstlerin bei der Presseführung am Donnerstag. Es sei leichter, diese zu ignorieren.

Laut KUB-Direktor Thomas D. Trummer ist die Ausstellung wie eine Reise durch die Etagen angelegt. Zu dieser Reise sei sie selbst vor zehn Jahren aufgebrochen, im Bewusstsein, dass das für eine Kuwaiterin durchaus kontroversiell sei, sagte Al Qadiri. Dabei soll der Besucher ebenso ihre Erfahrungen nachvollziehen: Wie ein Kind bestaunt man erst die bunte, schillernde Wunderwelt, die das Öl ermöglicht, am Ende hinterlässt es aber Zerstörung und Tod, man wird vom Trickster Öl betrogen. "Wir können nicht zurück in die Welt vor dem Öl", so die Künstlerin dazu, sie stelle mit ihrer Arbeit nur Fragen, "eine Lösung habe ich nicht".

(S E R V I C E - Ausstellung "Mutant Passages" von Monira Al Qadiri von 22. April bis 2. Juli, Eröffnung am 21. April, 19.00 Uhr; www.kunsthaus-bregenz.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Im Kunsthaus Bregenz (KUB) kann man in der neuen Ausstellung von Monira Al Qadiri über diesen Millionen Jahre alten Stoff nachdenken, der ebenso nützlich wie tödlich ist.
  • Die hochaktuelle Schau "Mutant Passages" der in der Golfregion aufgewachsenen Künstlerin dauert bis 2. Juli.
  • Großformatig und bunt bleibt die Schau auch im ersten Obergeschoss.
  • Denn "Gastromancer" (2023) verdeutlicht drastisch die Auswirkungen der Ölgewinnung auf Meeresorganismen.