Mit Mahler in Salzburg der Krise entfliehen
Dass man Mahlers 3. in Pandemiezeiten überhaupt zur Aufführung bringen kann, grenzt an ein kulturpolitisches Wunder. Zwei Chöre, einmal Damen, einmal Kinder, Orchester mit großer Bläserbesetzung, dazu ein voll belegtes, wenn auch maskiertes Auditorium. Eine Begegnung der Tausenden, zwei Stunden umhüllt und erfüllt von Mahlers monumentaler klanglicher Welterschaffung und darin zugleich mit der Krise im intimen Zwiegespräch. Krankheit und Klimazerstörung, das Auseinandergeraten von Ordnungen und die sozialen Schürfwunden des Lockdowns - das alles hallt mit intensiver Dringlichkeit aus dieser Musik wider, spiegelt und verwandelt sich darin, findet Raum, Unruhe, Erlösung.
Für Andris Nelsons ist es bereits die dritte Mahler-Runde, die er bei den Festspielen mit den Wiener Philharmonikern dreht, zuletzt im Vorjahr mit der 6. Symphonie. Das gegenseitige Vertrauen zwischen Dirigent und Orchester macht es möglich, das schiere Volumen der Partitur mehr als nur zu bewältigen, das Wuchern der Figuren und Motive, der Bläsersoli und Schlagwerkakrobatik nicht nur spannungshaft zu ordnen und zu fügen, sondern auch das wilde, anarchistische Treiben in der Partitur freizulassen und auszukosten. Nelsons legt über zwei Stunden mit gebetsartiger Demut ein Mosaik der Tempi, reich an kleinen Steinen, zärtlich zusammengetragen. Als Solistin stellte Violeta Urmana das Mitternachtslied eindringlich in den Raum, die Engelsstimmen stammten vom Chor des Bayerischen Rundfunks, sowie vom Kinderchor der Salzburger Festspiele und Theater. Am Sonntagvormittag wird die Reprise des Konzerts live von ORF 2 ausgestrahlt.
(S E R V I C E - www.salzburgerfestspiele.at)
Zusammenfassung
- In Steinbach am Attersee komponierte Gustav Mahler seine dritte Symphonie, eine fragende, drängende, tröstende Hymne auf die Schöpfung mit verschwenderischer musikalischer Anlage.
- Am Samstagvormittag wurde das mehr als 150 Aufführende erfordernde Werk von den Wiener Philharmonikern unter Andris Nelsons bei den Festspielen gegeben: Ein Befreiungsschlag aus dem Würgegriff der Krise.