Malarina will "Programme wie Disney-Filme" schreiben
APA: Ihr Debüt "Serben sterben langsam" hatte großen Erfolg. Wie groß war der Druck beim Schreiben von "Trophäenraub"?
Malarina: Ganz ehrlich: Ein zweites Programm zu machen ist psychologisch so schwierig, dass es mich wundert, dass überhaupt dritte Programme existieren. Das erste Programm bestellt ja keiner bei einem. Ich war vorher niemand und wenn das Programm doof ist, bin ich halt nachher auch niemand. Ich wollte jetzt jedenfalls meinem Publikum nichts vorlegen wie Teil 2 von "Serben sterben langsam". Ich mag Dinge nicht immer weiter ausschlachten, nur weil sie funktionieren. Deshalb habe ich mir vorgenommen, mich für jedes Programm ein bisschen neu zu erfinden - stilistisch wie inhaltlich.
APA: Aber Sie bleiben bei Ihrer Kunstfigur, einer politisch deutlich rechts stehenden Austro-Serbin?
Malarina: Ja, aber sie hat sich verändert. Meine Figur hat der FPÖ abgeschworen und wählt jetzt die ÖVP. Das tut sie, weil sie ein bisschen Geld verdient hat und materialistischere Interessen hat als vorher. Sie hat sich das Ziel gesetzt, ein Haus in Hietzing zu kaufen, kommt aber drauf, dass sie das durch Arbeit nie schaffen kann, sondern, dass solche Häuser vererbt werden. Sie will also Erbin werden. Ich spiele die zwei Hälften des neuen Programms stilistisch unterschiedlich mit einem Bühnenumbau in der Mitte. Die zweite Hälfte verkauft sich als eine Stand-up-Hour, die so tut, als wäre sie unpolitisch, allerdings habe ich das so angelegt, dass ich von fiktiven Beziehungen erzähle, die ich geführt haben soll und wie seit der Entstehung des Patriarchats das Beziehungsmodell für mich immer unattraktiver wurde. Meine Figur ist eine zeitlose, queere, allwissende Erzählerin, die es schon gab, bevor es das Patriarchat gab.
APA: In "Trophäenraub" geht es auch um sogenannte Trophäenfrauen. Was interessiert Sie an diesem Phänomen?
Malarina: Eine Trophäenfrau wählt ihren Partner aus opportunistischen Gründen. Mir ist aufgefallen, dass die heutigen Trophäenfrauen aus einem Kulturraum kommen, der weniger wohlhabend ist als Deutschland oder Österreich. Eine meiner Inspirationen war - es ist mir fast peinlich - das ATV-Format "Das Geschäft mit der Liebe". Da habe ich viel Glauben an die Menschheit gelassen. Es hat mich so erschüttert zu sehen, wie diese Männer in Länder fahren, in denen es Frauen wirtschaftlich schlechter geht und dabei noch respektlose Dinge über Österreicherinnen, die ihnen zu emanzipiert und nicht schön genug sind, sagen. Ich habe darüber nachgedacht: Warum sind diese Frauen vermeintlich unemanzipiert? Dann fiel mir auf, dass all diese Länder ungefähr gleich lang und zur selben Zeit kommunistisch geprägt waren, während die Länder, in denen der Feminismus heute weiterentwickelt ist, schon früher kapitalistisch geprägt waren. Der Kommunismus hat der Gesellschaft eine Gleichberechtigung der Geschlechter vorgemacht, weil Frauen als Arbeitskraft gebraucht wurden. So hat eine Desexualisierung der Frau stattgefunden - sie war eine Genossin, eine Kameradin - und hatte dazu trotzdem die Care-Arbeit.
APA: Ihr erstes Programm war ja nicht gerade politisch korrekt ...
Malarina: Ja und nein. Ich würde nie nach unten treten. Es ist für mich ein Zur-Seite-Treten. Wenn ich meine Landsleute kritisiert habe, dann aus Gründen, die ich kritikwürdig finde. Ich würde nie über Menschen sprechen, die ich nicht in meinem Saal vermute und deren Feedback ich mich nicht aussetzen kann. Das fände ich feig. Bei meinen Vorstellungen begegnen sich ja unterschiedliche Leute. Da kommen die Bürgerlichen aus Hietzing, aber auch die Gastarbeiterfamilien. Ich versuche, meine Programme wie Disney-Filme zu schreiben - eine gute Mischung aus Witzen, die viel Wissen erfordern, aber auch eine hohe Dichte einfacher Pointen, damit sich niemand ausgeschlossen fühlt.
APA: Welches Feedback kam von der serbischen Community?
Malarina: Unterschiedlich. Aber es haben sich viele ertappt gefühlt. Ich hatte vereinzelt sogar Leute im Programm, die mir dann gesagt haben: "Ganz ehrlich. Ich hab auch den Strache gewählt, aber es war deppat. Du hast ja recht." Ich habe ja mit dem Programm nicht versucht zu rechtfertigen, dass Serben FPÖ wählen, sondern zu erklären, wie die FPÖ diesen Opferkomplex aufgegriffen hat. Nach Strache hat das ein bisschen nachgelassen, aber ich merke, wie es wieder am Kommen ist, weil auch Kickl das langsam aufgreift und in die gleiche Kerbe schlägt - allerdings viel unglaubwürdiger als Strache, wenn man mich fragt.
APA: Kam es auch zu Missverständnissen, dass Leute im Publikum Ihre Figur für bare Münze genommen haben?
Malarina: Selten. Ich habe mich in diesem Programm so klar positioniert, dass diese Leute dann gegangen sind. Würde ich merken, dass vermehrt wirklich Rechte zu mir kommen, dann müsste ich dringend über mein Material nachdenken. Dann würde ich etwas falsch machen.
APA: Sie sind als Fünfjährige von Ihren Eltern nach Tirol nachgeholt worden, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Woran erinnern Sie sich?
Malarina: Meine Schwester und ich waren vorher bei meiner Großmutter. Da hatten wir zwar kein schönes Haus, aber einen Garten. Alle haben so gesprochen wie wir, man war kein Fremder. Hier waren wir plötzlich in einer Zwei-Zimmer-Wohnung und mussten uns sehr still verhalten, weil die Nachbarn uns gehasst haben. Ausländer dachten damals, dass jeder Österreicher Dich abschieben lassen kann, sobald du ihn verärgerst. Ich glaube, dass eine Sprache erlernen von Grund auf so dramatisch oder so selbstverständlich ist, dass man es vergisst. Man weiß nur, wie schlimm es war, dass einen niemand versteht und dann erinnert man sich, dass man reden kann. In Tirol reicht integrieren nicht. In Tirol musst du dich assimilieren. Jeder Mensch aus Deutschland wird mir bestätigen können, dass die deutsche Sprache allein nicht reicht, um in Tirol akzeptiert zu werden. Man muss wirklich diesen argen Dialekt lernen, den ich bis heute übrigens kann.
APA: Wann kam bei Ihnen der Zug zur Bühne?
Malarina: Nie. Ich hätte nie einen Platz auf einer Bühne beansprucht. Ich wollte einfach nur irgendetwas Kreatives machen. Meine erste Liebe war nicht das Performen, sondern das Schreiben. Beim Fortgehen habe ich dann einmal die Denice Bourbon vom Politically Correct Comedy Club getroffen und zu ihr gesagt: "Ich bin lustig, ich schreibe gute Texte" und habe sie gefragt, ob die beim PCCC nicht Autoren suchen. Sie hat mich ausgelacht und gemeint: "Was glaubst du, wie viel Budget wir haben?" Sie hat gemeint, ich soll das selber performen. Im Dezember 2019 stand ich das erste Mal auf einer Bühne. Dann habe ich mein Programm geschrieben, und dann war Corona. Schlechtes Timing. Aber ich hätte nie das Selbstbewusstsein gehabt zu sagen: Ich gehöre auf die Bühne. Es ist passiert.
APA: Aber vom Schreiben auf die Bühne ist es doch schon noch mal ein riesiger Schritt.
Malarina: Es ist, wie wenn man früher eine Schularbeit geschrieben hat. Es ist schlimm so lang, bis man sie hat. Und während man sie hat, ist es halt wie es ist. Auch wenn ein Auftritt schlimm ist, muss man ihn ja fertig spielen. Performen auf einer Bühne ist wie "Super Mario"-Spielen in den 90ern, als er nur nach vorne laufen konnte. Wenn man stehen blieb, kam die Wand nach. Man musste einfach laufen. Genau so ist für mich Bühnenkunst.
APA: Die Kabarettszene war lange Zeit äußerst männerdominiert. Wie schwer ist es heute, als Frau in der Branche Fuß zu fassen?
Malarina: Ich finde die Frage immer schwierig, weil ich ja keinen Referenzwert habe. Ich war ja nie ein Mann. An sich muss ich sagen, dass es eine so inspirierte intelligente junge Szene in Österreich gibt. Wir haben auch viel progressive Inhalte, die von jungen Männern kommen - von Berni Wagner, Christoph Fritz oder Benedikt Mitmannsgruber. Wir haben so viele junge progressive Männer, die genau so gut sind für das feministische Kabarett. Wir sollten aufhören, nach Geschlechtern zu unterscheiden, sondern nach Inhalten.
(S E R V I C E - Malarina: "Trophäenraub", Premiere am 7. März im Wiener Stadtsaal, www.malarina.com; www.stadtsaal.com)
Zusammenfassung
- Malarina, eine aufstrebende Kabarettistin in Österreich, bereitet die Premiere ihres zweiten Soloprogramms 'Trophäenraub' für den 7. März vor.
- Ihr erstes Programm 'Serben sterben langsam' war ein großer Erfolg, was den Druck für das neue Programm erhöhte.
- Malarinas Kunstfigur hat sich politisch von der FPÖ zur ÖVP gewandt, was neue gesellschaftliche Themen in ihrem Programm aufgreift.
- Das Phänomen der 'Trophäenfrauen' und der Einfluss des Kommunismus auf Geschlechterrollen werden im neuen Programm thematisiert.
- Malarina gestaltet ihre Programme wie Disney-Filme, um sowohl anspruchsvolle als auch einfache Pointen zu bieten und ein breites Publikum anzusprechen.