APA/HELMUT FOHRINGER

IGGÖ-Präsident sucht "Akt der Versöhnung" mit Politik

Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Ümit Vural, sucht den Dialog mit den politischen Entscheidungsträgern. Im APA-Interview tritt er für einen "Akt der Versöhnung" ein, etwa wegen des Islamgesetzes. Der Dialog soll außerdem nicht nur seine Glaubensgemeinschaft einbinden, sondern etwa auch die evangelische Kirche. Ob er bei der anstehenden IGGÖ-Wahl im Dezember wieder kandidiert, wird Vural Ende Juni bekanntgeben.

Das neue Islamgesetz, das seit 2015 gilt, wird von Muslimevertretern nach wie vor heftig kritisiert. Vural sieht weiterhin eine massive Ungleichbehandlung seiner Glaubensgemeinschaft in Österreich. Dabei führt nicht nur das Auslandsfinanzierungsverbot für Moscheegemeinden zu Problemen. "Wir haben jetzt in Wahrheit eine doppelte Struktur", beanstandet Vural. So existieren neben den sich unter dem Dach der IGGÖ befindlichen Moscheen vielerorts immer noch Vereine nach dem Vereinsgesetz. Der IGGÖ mangle es jedoch an Planstellen und finanziellen Ressourcen zur Bewältigung dieser Verwaltungsaufgaben.

Weiteren Ärger in der Glaubensgemeinschaft hat die Novellierung des Islamgesetzes im Kontext des Anti-Terror-Pakets der Regierung verursacht. "Das war wirklich einer meiner schwierigsten Momente", resümiert Vural. Dieses Gesetz sei explizit gegen den Willen der IGGÖ verabschiedet worden. Der IGGÖ-Präsident appelliert an die Regierung, die Themen Sicherheit und Kultus zu entkoppeln. "Ansonsten versuche ich aber auch bei anderen Parteien hier auf Verständnis zu stoßen, damit sich im Parlament Mehrheiten finden können."

Weitere Entspannung soll aber auch eine offizielle "Versöhnung" bringen. "Mir geht es darum, dass wir den Weg gemeinsam mit den Religionsgemeinschaften bestreiten und am Ende ein Ergebnis kommen muss, mit dem beide Seiten zufrieden sind." Die Kooperation von Staat und Kirchen habe sich in Österreich bewährt. "Es braucht diesen Akt, wo Staat und Religionen sich an einen Arbeitstisch setzen, etwa auf Bundeskanzler-Ebene, und die letzten Jahre aufarbeiten."

Themen gäbe es für Vural viele: Die Dokumentationsstelle für den politischen Islam, die Islam-Landkarte. "Mich macht das allergisch, wenn nur eine Gruppe hier eine Maßnahme erfährt. Ich finde das auch gesellschaftspolitisch problematisch." Aber auch andere Religionsgemeinschaften, wie die Protestanten mit der Karfreitagsregelung hätten legitime Anliegen. "Wir müssen miteinander reden. Das einfach in der Vergangenheit liegen zu lassen, wäre nicht der richtige Weg."

Aber auch auf Gemeindeebene gibt es Probleme, die nur die Muslime beträfen. So stehe es eigentlich jeder Religionsgemeinschaft zu, Meldedaten zum Bekenntnis von den Kommunen zu erhalten. "Wir bekommen diese Auskunft seit einigen Jahren nicht", beanstandet Vural. Grund dafür ist die laut Gesetz vorgesehene Differenzierung, welcher Strömung des Islams - also etwa schiitisch oder alevitisch - man angehört. Auf Gemeindeebene ist aber nur "Islam" gültig. Derzeit versuche der Städtebund, dies rechtlich abzuklären.

Seit Ende 2018 ist Vural Präsident der IGGÖ, zuvor hatte es vorgezogene Wahlen in der IGGÖ gegeben. Diese finden nun wieder am 2. Dezember dieses Jahres statt. "Ich plane im Juni mit unseren Vertretern, also den Delegierten im Schurarat, gemeinsam zu entscheiden, ob wir weitermachen oder nicht." Laut IGGÖ-Verfassung spricht nichts dagegen weiterzumachen, wie er sagt, aber: "Wir werden das gemeinsam entscheiden."

Zum Fall jener Religionslehrerin, die laut eigener Aussage aus dem Beruf gedrängt worden sei, weil sie ihr Haar offen tragen wollte, meint Vural: "Ich möchte mich nicht inhaltlich dazu äußern, aber die Verhandlung hat gezeigt, dass das, was medial kolportiert wurde, unwahr ist." Die behauptete Diskriminierung sei nicht objektiviert. Die Lehrerin habe von sich aus aufgehört, Beschwerden habe es vonseiten des Schuldirektors viele gegeben, wie dieser selbst vor Gericht ausgesagt habe.

Zur jüngst von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) vorgestellten Antisemitismus-Studie, wonach überdurchschnittlich viele Menschen mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund anfällig für Verschwörungsmythen über Juden sind, meint Vural, dass dies per se nichts über die Religiosität der Betroffenen aussage. Dennoch nehme man die Ergebnisse ernst und arbeite innerhalb der IGGÖ an Aufklärung und Sensibilisierung zu diesem Thema.

Es gibt so viele Bereiche, wo wir mit der jüdischen Gemeinde zusammenarbeiten", betont Vural. So ist für 22. bis 24. Mai eine gemeinsame Reise ins ehemalige Konzentrationslager in Auschwitz im Rahmen des Nationalen Aktionsplan gegen Antisemitismus geplant, bei der der Präsident selbst teilnimmt. Und auch die Forderung des Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, nach einem Shoah-Zentrum in Wien unterstützt der IGGÖ-Präsident "selbstverständlich".

ribbon Zusammenfassung
  • Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Ümit Vural, sucht den Dialog mit den politischen Entscheidungsträgern.
  • Im APA-Interview tritt er für einen "Akt der Versöhnung" ein, etwa wegen des Islamgesetzes.
  • "Wir bekommen diese Auskunft seit einigen Jahren nicht", beanstandet Vural.
  • "Ich plane im Juni mit unseren Vertretern, also den Delegierten im Schurarat, gemeinsam zu entscheiden, ob wir weitermachen oder nicht."