"Macbeth" in Salzburg: Opernglamour im Horrorgenre
Warlikowski setzt auf die volle Breite der Bühne, auf Leere und schauerliche Requisiten, auf Kinder mit Masken, Omis mit Strickzeug, auf kahles Spitalsinventar und auf simultane filmische Nahaufnahmen in Schwarz-Weiß. Stilgebend sind ihm die 1930er und 40er Jahre, auch in ihrer filmischen Ästhetik. Noir, schwärzer, Macbeth. Der Machtsitz des mörderischen Königspaares könnte auch eine Bahnhofshalle sein, sie wandelt sich durch hereinfahrende Kinostühle, eine ovale Tafel, oder durch die Vorhänge einer Krankenhauskoje. Sie ist Schauplatz der Gleichzeitigkeit und der Nicht-Linearität.
Während Macbeth sich im Sozialraum eines Blindenverbandes von den Hexen seine Weissagung holt, begibt sich seine Gattin am anderen Ende der Bühne in den gynäkologischen Behandlungsstuhl und erfährt, dass sie kinderlos bleiben wird. Szenisch ist das spannungsvoll gelöst, psychologisch ein wenig schlicht. "Macbeth" erzählt von der blutigen Gier nach Macht und von dem Abwärtsstrudel, in den sie alle, schuldig wie unschuldig, hineinzieht. Das Böse, das sich in den folgenden Stunden bis zum nackten Wahn entkleiden wird, lässt sich aber kaum schlüssig mit einer Anfangskausalität versehen.
Immerhin gibt die Szene den Startschuss für den gewaltigen Psychothriller, den Asmik Grigorian zunächst auf ihrem stummen Gesicht, dann aber vor allem in ihrer ereignisreichen Stimme abspult. Süße, Mordlust und dem Jenseitigen zugeneigte Verzweiflung wetteifern in ihrem Klang, ein Hauch von Irrsinn begleitet jede runde Koloratur. Gemeinsam mit Vladislav Sulimsky, der tapfer mit seiner Gattin mithält, gelingt es diesem Ehepaar Macbeth, dem Prickeln des Abgründigen noch in den letzten Atemzügen Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Aber Warlikowski zielt auch über die Ebene des Individuums hinaus, schafft rund um den Mord an Macduffs Kindern beklemmende Szenen, die den Krieg und das Grauen seiner Realität in unserer Zeit ganz ohne direkte Zitate gegenwärtig macht. Wie die in der Inszenierung zahlreich anwesenden Kinder - diesmal ohne Verkleidung - auf den Kinositzen nach einem Getränk entschlafen und anschließend sorgfältig auf der Bühnenrampe abgelegt werden, mag als hilfloser Versuch wirken, dem realen Morden an Kindern respektvoll Raum am Theater zu geben. Doch ist es eben diese unpeinliche Hilflosigkeit, die ein starkes, tieftrauriges Bild daraus macht.
Über das Fest der Stimmen - neben dem Powersopran der Asmik Grigorian begeisterten auch der bis ins Letzte machtwütige Macbeth Sulimsky, der emphatische Macduff Jonathan Tetelman und der grimmige Banco Tareq Nazmi - wachte Philippe Jordan als Dirigent, der erst vor wenigen Wochen für den erkrankten Franz Welser-Möst übernommen hatte. Er führt die Wiener Philharmoniker mit viel Kraft durch die Partitur - die üppige Produktion mit ihren starken Stimmen und ihren grotesken Bildern hält diese Kraft aber gut aus und verträgt in all ihrer Finsternis auch den anmutigen Lichtschein, den die philharmonischen Streicher und Holzbläser immer wieder wie warme Scheinwerfer aus dem Graben entgegenreichen. Für alle Beteiligten endete der Abend, der in der Übertragung in ORF 2 im Schnitt 159.000 Zuschauer anzog, im großen Jubel und in Standing Ovations ab dem ersten Vorhang.
(S E R V I C E - "Macbeth" von Giuseppe Verdi. Regie: Krzysztof Warlikowski, Dirigent: Philippe Jordan. Mit Asmik Grigorian, Vladislav Sulimsky, Tareq Nazmi, Jonathan Tetelman. Wiener Philharmoniker, Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. Weitere Vorstellungen am 6., 10., 14., 19. und 24. August. www.salzburgerfestspiele.at)
Zusammenfassung
- Ein glamouröser Opernabend im Horrorgenre: Mit Verdis "Macbeth" haben die Salzburger Festspiele am Samstagabend einen Erfolg mit Ansage eingefahren.