APA/WOLFGANG HUBER LANG

Kay Voges eröffnet im Wiener Volkstheater "Dunkelkammer"

Seine Ensembleversammlung am Schauspiel Dortmund musste Kay Voges am Montag virtuell abhalten. Die vom Berliner Theatertreffen veranstaltete Diskussion über "Technik und Ästhetik im Netz" fand via Zoom statt. Und seine Volkstheater-Intendanz kann er seit zwei Monaten nur noch aus der Ferne vorbereiten. "Die Nachricht über Corona-Schnelltests am Wiener Flughafen war die beste seit langem", sagt er.

Seine Ensembleversammlung am Schauspiel Dortmund musste Kay Voges am Montag virtuell abhalten. Die vom Berliner Theatertreffen veranstaltete Diskussion über "Technik und Ästhetik im Netz" fand via Zoom statt. Und seine Volkstheater-Intendanz kann er seit zwei Monaten nur noch aus der Ferne vorbereiten. "Die Nachricht über Corona-Schnelltests am Wiener Flughafen war die beste seit langem", sagt er.

Kaum hatte er eine schöne Wohnung in der Wiener Burggasse gefunden, kam der Shutdown. "Als ich zur Schlüsselübergabe nach Wien kommen wollte, hieß es bereits: Bleib lieber in Dortmund. Sonst kannst Du nicht mehr zurück", erzählt er im Zoom-Interview mit der APA. In Dortmund hat er allerdings noch genug zu tun. Dort geht nun seine zehnjährige Intendanz unter außergewöhnlichen Umständen zu Ende. Das Theater ist geschlossen. "Durch das leere Haus zu gehen, ist ein ganz blödes Gefühl. Ein Theater ohne Kunstschaffende ist wie ein totes Gerippe." Welche der vielen diskutierten virtuellen Abschieds-Varianten kommen wird, ist noch unklar, da sich auch in Deutschland die Vorgaben für die Probenbedingungen ständig ändern. Fix sei nur: "Am 30. Mai ist alles vorbei."

Ausgerechnet Voges, der als Vorreiter des digitalen Theaters in Deutschland gilt, hat dem Schauspiel Dortmund in den vergangenen Wochen Zurückhaltung in der allgemeinen "Wir machen im Netz weiter!"-Euphorie verordnet. "Wir haben viele Sachen bewusst nicht gestreamt - weil wir wussten, dass sie nicht die nötige Qualität hatten. Wir sind ja in unseren Sehgewohnheiten durch Netflix und Co verwöhnt. Da können manche Sachen tatsächlich kontraproduktiv sein. Wir haben auch gar keine Homestories von Schauspielern rausgebracht. Ich finde das alles auch unfassbar traurig, zu sehen, wie diese singulären Künstler aus dem Kollektiv rausgerissen werden und es passiert nicht viel mehr als auch bei mir zuhause passiert. Wir arbeiten im Moment gerade daran, ob wir mit kleinen Clips noch ein Lebenszeichen geben können, bei dem wir den virtuellen Raum besser nützen."

In Dortmund hat Kay Voges die "Akademie für Theater und Digitalität" gegründet. Dort wird etwa an Bewegungstrackings für den Bühneneinsatz und digitalen Raumstrukturen gearbeitet. Dass Theater derzeit nur noch digital stattfindet, sieht Voges äußerst skeptisch. Man habe bisher "nach dem Verhältnis zwischen Wirklichkeit und Abbild" geforscht, "wenn es jetzt nur noch das Abbild gibt, wird es schwieriger. Gegenwartstheater sieht einfach anders aus als alte Aufzeichnungen zu streamen. Die Versuche mancher Theater, auch live etwas zu machen, finde ich ja löblich. Unsere Gegenwart ist ja eine Social-Distancing-Gegenwart, und damit jetzt zu experimentieren ist eine super Sache. Überzeugendes habe ich zwar dabei noch nicht viel gesehen, aber sich darüber Gedanken zu machen, ist absolut notwendig."

Dennoch überrascht der Verfechter für mehr Digitalität mit einem Geständnis: "Was uns derzeit am meisten fehlt, sind die sozialen Kontakte. Wir dürfen nie vergessen: Theater ist ja eine kollektive Kunst!" Er habe das Glück gehabt, dass die Zusammenstellung seines Wiener Ensembles vor Shutdown und Social Distancing weitestgehend abgeschlossen war. Und auch beim laufenden Umbau sei ein Puffer von vier Wochen eingebaut gewesen. "Der geht jetzt gerade zur Neige. Aber man sagt mir: Wir schaffen das. Wie hoch die Mehrkosten durch die veränderten Vorschriften auf den Baustellen sein werden, lässt sich aber noch nicht sagen."

Mitte Juni möchte Voges nach Wien übersiedeln. "Dann hoffe ich auch, wieder mehr Verbindung zur Stadt zu bekommen. Im Jänner war es toll, da habe ich auch viele Player persönlich treffen können, mit denen ich künftig kooperieren möchte." Das Leitungsteam arbeite jedoch seit September/Oktober kontinuierlich zusammen und kommuniziere nun vorwiegend in endlosen Zoom-Meetings. Dass seine Volkstheater-Intendanz aufgrund des Umbaus nicht Anfang September, sondern Anfang Jänner starten wird, sei in unsicheren Corona-Zeiten natürlich ein Vorteil, gibt der designierte Direktor zu. "Geplant ist Probenbeginn im November und Eröffnung am 9. Jänner. Daran glaube ich jetzt einfach! Und da stecken wir so lange alle Energie rein, bis wir vom Gegenteil überzeugt werden."

Die aufgrund der Coronakrise sichtbar gewordenen Phänomene und die dramatischen Auswirkungen sollen sich natürlich auch im Spielplan niederschlagen. Diesen möchte er am 24. September bekanntgeben. Das Theater in den Bezirken wird jedenfalls weiter fortgeführt, und auch das Volx/Margareten wird nicht aufgegeben. Seine Programmierung werde sich allerdings ändern, sagt Voges, zudem sollen die Räume auch stärker für Proben genutzt werden. Die Rote Bar wird schallisoliert und kann künftig parallel mit dem Hauptraum bespielt werden. "Ich möchte das Haus als lebendiges Zentrum stärken." Dafür wird auch ein Spielort unter dem Dach reaktiviert, der früher als "Plafond" und "Schwarzer Salon" bespielt wurde. Der Raum bekommt einen neuen Namen: "Dunkelkammer".

Doch nicht nur dem Theater stehen harte Monate bevor, ist sich Kay Voges sicher. "Ich mache mir Sorgen um den gesellschaftlichen Stellenwert der Kultur. Wie können wir relevant bleiben, wenn wir nicht mehr zugegen sind? Und wir müssen künftig vermutlich die Kunst noch stärker legitimieren. Denn die Zeit wird schwieriger werden. Einige Kämpfe stehen uns da noch bevor."

ribbon Zusammenfassung
  • Seine Ensembleversammlung am Schauspiel Dortmund musste Kay Voges am Montag virtuell abhalten.
  • Die vom Berliner Theatertreffen veranstaltete Diskussion über "Technik und Ästhetik im Netz" fand via Zoom statt.
  • Und seine Volkstheater-Intendanz kann er seit zwei Monaten nur noch aus der Ferne vorbereiten.
  • "Die Nachricht über Corona-Schnelltests am Wiener Flughafen war die beste seit langem", sagt er.
  • Fix sei nur: "Am 30. Mai ist alles vorbei."