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Faust im Schnelldurchlauf am Salzburger Landestheater

Intendant Carl Philip von Maldeghem wagt 15 Jahre nach seiner Erfolgsinszenierung von "Faust I" am Salzburger Landestheater den Versuch einer Neufassung des Stoffes, indem er Goethes Zweiteiler zu einem modernen, stark reduzierten Identitätsdrama einkocht. Das Ergebnis ist anspruchsvoll und vor allem für Kenner interessant.

Vom klassischen Faust ist bei der Premiere am Samstagabend im Salzburger Landestheater wenig übrig geblieben, und von Maldeghems Vorhaben, Goethes monumentales Werk "Faust I" und "Faust II" in einer einzigen, kompakten und gut zweistündigen Abendvorstellung auf die Bühne zu bringen, ambitioniert. Bereits in der ersten Szene machte er klar, dass es nicht sein Ziel war, den Faust neu zu inszenieren, sondern neu zu interpretieren.

Der neue Faust ist kein Wissenschafter, sondern ein moderner Nerd, der den irdischen Grenzen mit Hilfe von VR-Brille und der Wirkung chemischer Substanzen entkommen will. Das Scheitern dieses Vorhabens ebnet, wie in der klassischen Vorlage, Mephistos Weg. Bis zur Pause folgt man der altbekannten, wenn auch stark reduzierten Handlung im Schnelldurchlauf, durch eine Reihe solider Übersetzungsideen in die Gegenwart. So wird Auerbachs Keller beispielsweise zu einer bunten Karaoke-Bar, und Fausts Verwandlung zum jungen, hippen Mann in einem Friseursalon vollzogen, die Gregor Schulz auch mit zunehmendem Selbstvertrauen Fausts darstellt.

Den stärksten Eingriff erfährt die Gretchen-Handlung, denn Nikola Jaritz-Rudle, die im ersten Teil den Mephisto gibt, mimt gleichzeitig das Gretchen. Dadurch wird der Eindruck gestärkt, dass Faust sich den Teufel, wie auch alles andere am Ende vielleicht sogar nur einbildet. Ein wirkliches Ende findet dieser erste Teil nicht. Mephisto bemerkt kühl, dass eine Pause gut täte.

Nach dieser Pause folgt von Maldeghems Interpretation des zweiten Teils, dessen Handlung schon im Original schwer zu fassen ist, in der neuen Inszenierung aber fast gänzlich verschwindet. Zwar gelingt es ihm, Goethes Werk mit popkulturellen Elementen und modernen Bezügen in unsere Zeit zu übersetzen, und die Themen Identitätssuche und Selbstoptimierung wirken erstaunlich aktuell. Doch am Ende fordern die dichte Erzählweise und das Tempo die Möglichkeit, die neuen Deutungsansätze zu Ende denken zu können.

Auch dass Jaritz-Rudle und Schulz die Rollen nach der Pause tauschen, will nicht so ganz gelingen, da Faust und Mephisto immer mehr wie eine Person wirken. Zwei Seelen wohnen schließlich in einer Brust. Faust-Kenner und -Liebhaber kommen mit Andeutungen wie diesen immer wieder auf ihre Kosten; unerfahrene Theaterbesucher mag dies eher verwirren.

Am Ende überzeugte das rasante und visuell eindrucksvolle Spektakel das Publikum jedoch sehr, und es gibt großen Applaus. Das ist vor allem auch der großen darstellerischen Leistung des gesamten Ensembles zu verdanken. Eine tiefgreifende Neudeutung des Stoffes bleibt die Inszenierung jedoch schuldig.

(Von Larissa Schütz/APA)

(S E R V I C E - Johann Wolfgang von Goethe: Faust2. Carl Philip von Maldeghem (Inszenierung), Christian Floeren (Bühne, Video und Kostüme), John von Düffel (Dramaturgie), auf der Bühne: Gregor Schulz (Faust 1 / Mephisto 2), Nikola Jaritz-Rudle (Mephisto 1 / Margarete / Faust 2), Leyla Bischoff (Lustige Person / Wagner / Schülerin / Frosch / Hexe / Kanzler / Homunculus / Helena / Kundschafter), Maximilian Paier (Dichter / Wagner / Brandner / Hexe / Kaiser / Euphorion). Weitere Aufführungen: 23. + 26.11., 12., 13., 17. und 23.12., www.salzburger-landestheater.at/ )

ribbon Zusammenfassung
  • Intendant Carl Philip von Maldeghem inszeniert 15 Jahre nach seiner ersten 'Faust I'-Aufführung eine moderne Neufassung von Goethes Werk am Salzburger Landestheater.
  • Die Inszenierung reduziert die Handlung auf ein modernes Identitätsdrama und übersetzt klassische Szenen in die Gegenwart, was besonders für Kenner interessant ist.
  • Trotz der großen darstellerischen Leistung des Ensembles bleibt eine tiefgreifende Neudeutung des Stoffes aus, was jedoch das Publikum nicht daran hindert, großen Applaus zu spenden.