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Experten fordern für ORF-Gremienreform großen Wurf

Das ORF-Gesetz muss nach einem Entscheid des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) erneut novelliert werden. Die Regierung hat bei der Bestellung von ORF-Stiftungsrat und -Publikumsrat zu großes Gewicht. Wie die Neuregelung aussehen könnte und warum es diese dringend braucht, war am Montagabend Gegenstand einer Diskussion im Presseclub Concordia.

In der gegenwärtigen Regelung hat die Bundesregierung ein Übergewicht gegenüber anderen bestellenden Einrichtungen, was gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Unabhängigkeit und Pluralität verstoße, so das VfGH-Erkenntnis. Die Regierung bestellt neun Mitglieder für den Stiftungsrat. Zudem ernennt die Medienministerin auf Basis von Vorschlägen repräsentativer Einrichtungen 17 Mitglieder für den Publikumsrat, womit in zweiterem Gremium eine Mehrheit vorliegt. Mit dieser Mehrheit können sechs Mitglieder in den Stiftungsrat entsandt werden. Die Regierung dürfe nicht mehr Mitglieder in den ORF-Stiftungsrat entsenden als der Publikumsrat und es müsse gewisse Kriterien geben, wie diese bestellt werden und deren Unabhängigkeit gesichert sei, fasste Rundfunkrechtsexperte Hans Peter Lehofer den Entscheid des VfGH zusammen.

Nun könnte die Zahl jener Stiftungsräte, die vom Publikumsrat entsendet werden, erhöht werden. Doch: "Irgendwann hat sich die Arbeitsfähigkeit des Gremiums erledigt", merkte Lehofer an. Ein Aufsichtsgremium habe normalerweise nicht so viele Mitglieder wie der ORF-Stiftungsrat, der derzeit 35 Mitglieder aufweist. "Der Stiftungsrat ist zu groß und der Publikumsrat zu klein und zu wenig mächtig", meinte der Rundfunkrechtsexperte. Man müsse auch darüber nachdenken, wie die Bevölkerung im Publikumsrat besser repräsentiert werden könne. Beispielhaft führte Lehofer an, dass die römisch-katholische Kirche einen Publikumsrat entsendet, aber Atheisten oder Muslime nicht vertreten seien.

Anna-Maria Wallner, Leiterin des Debattenressorts bei der "Presse", meinte, dass das Interesse der türkis-grünen Regierung an einer Änderung vor der Nationalratswahl 2024 endenwollend sei. Im Interesse der Österreicher müsste eine Reparatur aber schon davor passieren. "Man muss einen größeren Wurf überlegen, nicht nur reparieren, was vom VfGH als verfassungswidrig erklärt wurde", so Wallner.

Es gebe bis zur Nationalratswahl 2024 die Chance, etwas zu beheben, was längst schon behoben hätte werden müssen, so Politikanalyst und Medienberater Peter Plaikner. Großes Risiko sei dagegen, es nicht zu tun. "Die nächste Regierung hätte nur wenige Monate Zeit, es zu reparieren - und da würde wohl nur das Allernötigste passieren", so der Experte. Dabei wäre es im Sinne des ORF und der Demokratie, die Möglichkeit nun zu nutzen und dem ORF eine "komplett neue Verfassung zu geben", damit die Medienlandschaft aus ihrer Schieflage komme, sagte er und regte etwa an, das Aufsichtsgremium des ORF internationaler aufzustellen. "Immer im eigenen Saft zu kochen, macht nicht wendiger", so Plaikner.

"Wir Redakteure kritisieren seit Jahrzehnten die politische Einflussnahme", sagte ORF-Redaktionsratvorsitzender Dieter Bornemann. Derzeit würden sich die Regierungsparteien Einfluss im ORF sichern. Manche Personen im Haus lehnen sich an politische Parteien an, seien für sie ansprechbar. "Ganz überraschend machen diese Leute dann auch Karriere", so Bornemann. Alles in allem machen die ORF-Journalistinnen und -Journalisten ihre Arbeit - kritischen und unabhängigen Journalismus - aber sehr gut, sagte er.

Bornemann verwies auf in der Vorwoche vom ORF-Redaktionsausschuss beschlossene Vorschläge, wonach eine Gruppe von unabhängigen Experten eine Grundlage für den Gesetzgeber ausarbeiten solle. Die Plätze im Stiftungs- und Publikumsrat sollten nach fachlichen Kriterien und nicht nach Parteinähe besetzt werden. Institutionen, die Mandate besetzen, sollen das nach Ansicht des ORF-Redaktionsausschusses mittels öffentlicher Ausschreibung und Hearings machen und ihre Entscheidung begründen, fasste Bornemann einige der Punkte zusammen.

Anita Zielina, CEO von Better Leaders Lab, kennt den ORF-Stiftungsrat von innen, wurde sie doch von den NEOS dorthin als Rätin entsandt. "Selbstverständlich gehört der Bestellmechanismus reformiert", sagte sie. Es kranke aber daran, dass Österreichs Medienpolitik primär "Klientel- und Lobbypolitik" betreibe. Auch agiere sie reaktiv und nicht kreativ und gehe den Weg des geringsten Widerstands. "Man sollte aber nicht nur ein Pflaster drüber kleben", sagte sie. Nun müsse Politikferne, Transparenz und Kompetenz sichergestellt werden.

Dabei nahm sie auch manche ihrer Kollegen im Stiftungsrat in Schutz. "Da sitzen nicht nur Kollegen, die parteipolitisch abnicken. Da sitzen auch erfahrene, interessierte Menschen." Einige interessante Vorschläge lägen zur Reform der ORF-Gremien bereits am Tisch. "Vielleicht wäre der nächste Schritt, die Politik davon zu überzeugen und ein paar gemeinsame Nenner zu finden", so Zielina.

ribbon Zusammenfassung
  • Das ORF-Gesetz muss nach einem Entscheid des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) erneut novelliert werden.
  • Die Regierung hat bei der Bestellung von ORF-Stiftungsrat und -Publikumsrat zu großes Gewicht.
  • Mit dieser Mehrheit können sechs Mitglieder in den Stiftungsrat entsandt werden.
  • Ein Aufsichtsgremium habe normalerweise nicht so viele Mitglieder wie der ORF-Stiftungsrat, der derzeit 35 Mitglieder aufweist.