"Es ist wie Alchemie": Baroness mit neuem Album "Stone"
Das traf in der Vergangenheit oft auf das Line-up zu: Nicht selten musste sich Baizley nach neuen Mitstreitern umsehen. Doch mit Bassist Nick Jost, Drummer Sebastian Thomson sowie Gitarristin Gina Gleason ist seit einigen Jahren Beständigkeit ins Bandgefüge eingezogen, was nun erstmals eine zweite Platte mit derselben Mannschaft zur Folge hat. "Das bedeutet, dass das Album durch die Chemie zwischen uns entstehen konnte und weniger nach konventionellen kompositorischen Gesichtspunkten aufgezogen wurde", erläuterte der Sänger im APA-Interview.
Konkret sperrte man sich für mehrere Wochen in ein kleines Häuschen in Barryville, New York, ein. "Wir haben uns unglaublich viel Improvisation zugetraut", umriss Baizley den Zugang des Quartett, das zwar mit einigen Ideen angereist war, den Großteil der Platte aber dort im gemeinsamen Jam erarbeitete. "Es ging für uns um Intuition, um direkte Reaktionen. Das Resultat war, dass wir viel weniger gesprochen haben beim Schreiben, sondern die Musik ganz von unserem Zusammenspiel bestimmt wurde." Wobei sich dieser Prozess schon mal der eigenen Kontrolle entziehen könne: "Hast du das Gefühl, es läuft gleich alles aus dem Ruder, dann entsteht eine ganz besondere Energie."
Eigenwillig ist "Stone" in jedem Fall geworden: Zwar gibt es reichlich klassische Zutaten aus dem Hause Baroness, wie schwere Riffs und zweistimmige Gitarrenleads, aber auch vermehrt offene Strukturen, die nicht zwingend - so wie beim Vorgänger "Gold & Grey" - mit zig Soundschichten zugepflastert sind. Obgleich kaum ein Song dem typischen Schema entspricht, wirken Nummern wie "Last Word" oder "Shine" dadurch zugänglicher. Mit "Anodyne" hat es sogar ein stampfender Rocker auf die Platte geschafft, der unter vier Minuten ins Ziel galoppiert. Sonst braucht es durchwegs Aufmerksamkeit und Geduld, dann öffnen sich diese Monumente aber und offenbaren mehr als lohnende Passagen.
"Immer, wenn wir an einer neuen Platte arbeiten, blicken wir auf die vorangegangene. Wir wollen wachsen, so viel wie möglich aufsaugen und unsere Bandbreite erweitern", so Baizley. "Um das zu erreichen und nicht in der Entfaltung selbst verloren zu gehen, identifizieren wir die bestimmende Charakteristik des Vorgängers - und versuchen sie so gut es geht links liegen zu lassen." Kein definitives Ausschlusskriterium also, aber ein Sicherheitsmechanismus, um an neue Ufer zu gelangen. "Wir mussten für 'Stone' die pure Freude am Soundexperiment nicht wiederholen, das haben wir schon gemacht. So kann es frisch bleiben, ohne dass wir uns einengen."
So komplex mancher Song teils scheinen mag, steht technische Finesse - wenngleich vorhanden - für Baizley nicht an erster Stelle beim Aufnahmeprozess. "Ich brauche nicht 50 Takes, um die perfekte Einspielung zu erreichen. Es reichen zwei oder drei - und mit der besten Version leben wir dann. Die Energie ist in diesem frühen Stadium viel wichtiger, als sauber und technisch ausgefeilt zu spielen. Das ist wie bei einem Haus: Lebst du lange genug darin, dann findest du dich auch im Finstern gut zurecht. Bist du hingegen gerade erst eingezogen, bist du angespannter, dadurch aber auch aufmerksamer. Im Musikalischen kann das zu einer besonderen Form von Dringlichkeit führen."
Sperrige Riffmonster wie "Beneath The Rose", einem repetitiven Groove frönende Nummern wie "Choir" oder aber melodische Kleinode im Stile von "Bloom" - nicht die einzige Nummer übrigens, die vom gesanglichen Paarlauf zwischen Baizley und Gleason profitiert -, es wird nur wenig ausgelassen auf "Stone". Inhaltlich ist Baizley wie so oft sehr metaphernreich unterwegs, sind die Elemente Wasser und Feuer sehr präsent. "Es geht einfach um die menschliche Erfahrung. Letztlich schreibe ich über nichts, was nicht auch alle anderen Songwriter behandeln: Sterblichkeit, Liebe, Verlust." In Kombination mit der Musik entstehe allerdings eine neue Ebene. Nicht nur deshalb ist "Stone" ein vielschichtiges Unterfangen, das erarbeitet werden will - wohl auch von den Musikern selbst. "Es ist wie Alchemie. Wir werfen Blei, Quecksilber und Schwefel rein und hoffen, dass Gold daraus entsteht", grinste Baizley. "Es ist ein verrückter Prozess."
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - https://yourbaroness.com; https://baroness.bandcamp.com/album/stone)
Zusammenfassung
- Abwechslung bleibt ihre Konstante: Die US-Rockband Baroness sorgt seit mittlerweile 20 Jahre für anspruchsvolle Kost im harten Sektor, wobei Bandkopf John Dyer Baizley und Konsorten gerne nach neuen Herausforderungen suchen.
- Obgleich kaum ein Song dem typischen Schema entspricht, wirken Nummern wie "Last Word" oder "Shine" dadurch zugänglicher.
- In Kombination mit der Musik entstehe allerdings eine neue Ebene.
- "Es ist ein verrückter Prozess."