APA/APA/Wiener Festwochen/Marc Brenner

Bildgewaltige Tokarczuk-Dramatisierung als Öko-Thriller

Lediglich ein paar Sessel auf der Bühne des Theater Akzent warten auf das Wiener-Festwochen-Publikum. Und doch wähnt man sich bei "Drive your plow over the bones of the dead" schon nach wenigen Minuten auf einer unwirtlichen Hochebene im Süden Polens, wo mysteriöse Todesfälle auftreten. Möglich macht es ein wahres Bild-, Licht- und Soundgewitter, durch das der Brite Simon McBurney die stark spielende zehnköpfige Theatergruppe Complicité navigieren lässt.

Das Licht geht zu Beginn nur langsam aus. McBurney lässt das Publikum sanft in die von Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk in ihrem Roman "Gesang der Fledermäuse" entworfene Welt hinübergleiten. Darin dreht sich alles um Janina Dszejko (Kathryn Hunter), die sich zu Beginn bei einem Mikrofonständer, zu dem sie immer wieder zurückkehren wird, als Erzählerin vorstellt. Und die Geschichte, die sie zu erzählen hat, beginnt mit einem Paukenschlag: Ihr Nachbar Bigfoot ist tot, informiert sie ihr anderer Nachbar Oddball - der Name ist Programm - mitten in einer kalten Winternacht.

Große Trauer löst das in Janina aber nicht aus, brannte Bigfoot doch den Wald nieder, sperrte seinen Hund regelmäßig in einen Schuppen und wilderte offenbar kurz vor seinem Tod einen Hirsch, dessen Überreste in seinem Haus gefunden werden. Janina verdächtigt rasch Rehe, Rache an Bigfoot genommen zu haben. Mehrere davon hat sie in der Nähe des Tatorts gesehen, wobei sie herüberstarrten, als hätte man sie bei einem mysteriösen Ritual gestört, beteuert sie auch gegenüber der Polizei, die dafür aber wenig Verständnis zeigt.

Schon bald tritt ein weiterer Todesfall auf. Ein Kommissar wird blutüberströmt in einem Brunnen aufgefunden. Janina will Spuren wie von Rehklauen in der Nähe gesehen haben. Als dann auch noch ein Waffennarr spurlos verschwindet, den die Erzählerin verdächtigt, am Verschwinden ihrer beiden heißgeliebten Hunde Schuld zu sein, gerät auch Janina selbst ins Visier der Ermittler. Denn nicht nur hat die pensionierte Brückeningenieurin und Hobbyastrologin erstaunlich viele Details zu den Toten parat, auch fällt sie mit scharfen Unmutsbekundungen über den Umgang der Menschen mit Tieren und Natur auf: Da wird der örtliche Pilzsammlerklub schon mal als "Faschistenverein" und das Töten unschuldiger Tiere als gesetzgewordenes Konzentrationslager bezeichnet.

Eine gewisse Aktualität lässt sich dem bereits 2009 veröffentlichtem Stoff von Tokarczuk in Zeiten zunehmender Klimaproteste, deren Methoden kontrovers diskutiert werden, nicht absprechen. Wie weit darf, ja wie weit muss Protest gehen? Was passiert, wenn die Politik diesen nicht ernst nimmt? Wer sind die eigentlichen Tiere oder gar Monster auf diesem Planeten?

McBurney macht es dem Publikum denkbar leicht, sich auf die Geschichte und die darin verpackten Fragestellungen einzulassen. Aufwendige Bildprojektionen von Wäldern, dem Sternenhimmel, astrologischen Zeichen oder auch teils gruselig angehauchten Bildern treffen auf eine üppige Soundgestaltung, die mit donnernden Gewehrschüssen, dem Rauschen von Wind oder dem Krähen von Vögeln aufwartet. Garniert wird das düstere bis nachdenkliche Treiben, das Ende 2022 im Theatre Royal Plymouth uraufgeführt wurde, mit einem hervorragenden Licht- und Schattenspiel.

Der wahrlich immersive Abend hat das Publikum hörbar verzaubert. Am Ende setzte es begeisterten Applaus. Für Hauptdarstellerin Kathryn Hunter, die auch gekonnt für feministische und humoristische Sprenkel sorgte, gab es Standing Ovations.

(S E R V I C E - "Drive your plow over the bones of the dead" von Simon McBurney im Rahmen der Wiener Festwochen im Theater Akzent. Englisch mit deutschen Übertiteln. Adaption des Romans "Gesang der Fledermäuse" von Olga Tokarczuk. Mit: Thomas Arnold, Johannes Flaschberger, Amanda Hadingue, Kathryn Hunter, Kiren Kebaili-Dwyer, Weronika Maria, Tim McMullan, César Sarachu, Sophie Steer, Alexander Uzoka. Bühne, Kostüme: Rae Smith, Licht: Paule Constable, Sounddesign: Christopher Shutt, Video: Dick Straker, Dramaturgie: Sian Ejiwunmi-Le Berre, Laurence Cook. Weitere Aufführungen am 23., 24., 25. und 26. Mai jeweils um 20 Uhr. www.festwochen.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Lediglich ein paar Sessel auf der Bühne des Theater Akzent warten auf das Wiener-Festwochen-Publikum.
  • Möglich macht es ein wahres Bild-, Licht- und Soundgewitter, durch das der Brite Simon McBurney die stark spielende zehnköpfige Theatergruppe Complicité navigieren lässt.
  • McBurney lässt das Publikum sanft in die von Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk in ihrem Roman "Gesang der Fledermäuse" entworfene Welt hinübergleiten.