APA/APA/Theater in der Josefstadt/Moritz Schell

"Biedermann und die Brandstifter": Aktuell, aber mutlos

Es einfach nicht wahrhaben wollen, sehenden Auges ins Messer laufen, die Realität verweigern: "Biedermann und die Brandstifter" ist gut gereift. Das "Lehrstück ohne Lehre" von Max Frisch lässt sich auf mehrere gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen umlegen - leider, muss man sagen. Dass es im Theater in der Josefstadt gezeigt wird, ist eine gute Idee. Die Umsetzung von Regisseurin Stephanie Mohr fällt aber mutlos und beliebig aus.

Gottlieb Biedermann - gespielt von einem lautstarken Marcus Bluhm - ist erbost. "Aufhängen" sollte man die Brandstifter allesamt. Diese gehen immer nach demselben Muster vor und haben trotzdem Erfolg damit, entnimmt er seiner Zeitung. Sie nisten sich als Hausierer im Dachboden ein und bald darauf brennt es. Wenige Tage später lodern die Flammen auch in Biedermanns nobler Hütte - und zwar nicht im Kamin. Verblendung, Feigheit und der Glaube daran, sich mit den Zündlern verbrüdern zu können, machen's möglich.

Schmitz (Robert Joseph Bartl) und Eisenring (Dominic Oley) können noch so oft die Wahrheit sagen - die glaubt im Zeitalter der "alternativen Fakten" ja sowieso niemand -, noch so viele Benzinfässer auf den Dachboden hieven und ja, selbst die Zündhölzer vom Hausherrn einverlangen: Die Pyromanen werden nicht vor die Tür gesetzt. Stattdessen gibt es ein letztes Abendmahl mit Gans und Wein, bevor es hinab in die Hölle geht.

Das Nachspiel in der Hölle erahnt Biedermann in Mohrs Inszenierung schon früh im Stück. Im Schlaf sieht er sich und seine Frau Babette (Alexandra Krismer) dort einchecken. Eine nette Idee, wird der Albtraum so doch zur Realität und lockert den doch recht lang ausgefallenen Abend etwas auf. Auch mit dem rein weiblich besetzten Chor aus Feuerwehrfrauen (statt den "Mannen der Feuerwehr"), die mahnen und schließlich aufräumen müssen, nachdem die Männer mal wieder alles in Schutt und Asche gelegt haben, bringt die Regisseurin etwas Salz in die Suppe.

Ansonsten fällt die texttreue Inszenierung jedoch äußerst bieder und brav aus. Angesichts einer Klimakrise, deren Auswirkungen nicht mehr zu übersehen sind und Rechtspopulisten und -extremen, denen die Bevölkerung in vielen Ländern die Zündhölzer reicht, könnte man sich etwas mehr als einen beinahe verschämten "Brandmauer"-Sager erwarten. Ein Schuss Benzin auf die nur müde lodernden Flammen dieses Theaterabends hätte gut getan. Das Publikum spendete bei der Premiere am Donnerstagabend dennoch höflichen Applaus.

(Von Lukas Wodicka/APA)

(S E R V I C E - Max Frisch: "Biedermann und die Brandstifter", Regie: Stephanie Mohr. Bühnenbild: Miriam Busch. Kostüme: Nini von Selzam. Musikalische Leitung: Wolfgang Schlögl. Mit u.a.: Marcus Bluhm - Biedermann, Alexandra Krismer - Babette, Katharina Klar - Anna, Robert Joseph Bartl - Schmitz, Dominic Oley - Eisenring, Lore Stefanek - Chorführerin. Theater in der Josefstadt, Nächste Vorstellungen: 11., 19., 20., 21., 24., 27., 30., 31. Oktober, 6., 16., 17., 20., 21. November. www.josefstadt.org)

ribbon Zusammenfassung
  • Die Inszenierung von 'Biedermann und die Brandstifter' im Theater in der Josefstadt wird als mutlos und texttreu kritisiert, obwohl sie aktuelle Themen wie die Klimakrise und Rechtspopulismus behandelt.
  • Gottlieb Biedermann, gespielt von Marcus Bluhm, erkennt die Gefahr der Brandstifter nicht und verkörpert damit die Verblendung und Feigheit, die auch in der heutigen Gesellschaft zu finden sind.
  • Die Premiere am Donnerstagabend erhielt höflichen Applaus, doch es wurde bemängelt, dass die Inszenierung mehr Mut und Aktualität hätte zeigen können, um die brennenden Themen unserer Zeit zu reflektieren.