ProSiebenSat1Puls4-CEO Breitenecker will ORF als Partner mit weniger Werbung
Markus Breitenecker, CEO der ProSiebenSat.1Puls4-Gruppe, will das duale Rundfunksystem überwinden und mit dem ORF zu kooperativer Zusammenarbeit finden. Derzeit sei der ORF aufgrund seiner Gebührenfinanzierung und Werbemöglichkeiten "stark privilegiert". Was der ORF in Konkurrenz zu den Privaten mache, müsse zurückgefahren werden, was in Konkurrenz zu den Silicon-Valley-Giganten geschehe, müsse dagegen gestärkt werden, meinte er bei einer Medienenquete der NEOS im Parlament.
Derzeit verhandelt die Regierung über eine ORF-Gesetzesnovelle, wobei mehr Möglichkeiten für den ORF im digitalen Raum diskutiert werden und eine Haushaltsabgabe anstatt der gegenwärtigen gerätegekoppelten Gebührenfinanzierung weitgehend fixiert ist. Eine weitere Stärkung des ORF wäre eine "unüberwindbare Hürde", warnte Breitenecker am Montag. Es bleibe nur die Kooperation, um gegen die internationalen Digital-Giganten zu bestehen. Man müsse stärker in Richtung Content-Sharing denken. Der ORF könnte etwa Inhalte für junge Menschen produzieren und diese am Medienmarkt teilen, meinte der P7S1P4-CEO.
Inhalte für internationale Konzerne
Ein etwaiger Auftrag für den ORF, etwa Inhalte speziell für die Ausspielung auf Youtube zu produzieren, sei dagegen "verrückt". Auch müssten die Werbemöglichkeiten für den ORF reduziert werden, forderte Breitenecker. Schließlich bekomme das öffentlich-rechtliche Medienhaus per künftiger Haushaltsabgabe wohl mehr Geld als derzeit.
ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher betonte, dass es schon Zusammenarbeit mit den Privaten gebe - etwa im Rahmen des 4Gamechangers-Festivals. Wenig hielt sie davon, den ORF im digitalen Raum einzuschränken: "Die sozialen Medien als Sperrgebiet für den ORF zu definieren, halte ich für falsch. Wo denn sonst sollen wir junge Menschen mit qualitativen Inhalten erreichen?"
Schwächung des ORF "keine Lösung"
Im Raum steht, dass mit der Gesetzesnovelle der Textanteil auf der reichweitenstärkste Online-Nachrichtenseite des Landes - ORF.at - reduziert werden könnte, da speziell Verleger bemängeln, dass diese zu zeitungsähnlich sei. "Es kann nicht die Lösung sein, den ORF zu schwächen", meinte die ORF-Radiodirektorin. Es sei "unrealistisch", dass sich Personen nur aufgrund einer reduzierten "blauen Seite" ein Kaufabo von einer Zeitung nehmen würden. "Ein derart populäres Angebot wie ORF.at soll auch ein gutes niederschwelliges Angebot liefern", sagte sie.
Nicht nachvollziehen konnte sie Breiteneckers Forderung nach verstärkten Werbebeschränkungen. Forschungsergebnisse würden zeigen, dass die Werbegelder in diesem Fall nicht 1:1 zu anderen österreichischen Anbietern wandern, sondern zur großen Konkurrenz ins Silicon Valley, so Thurnher.
Die ORF-Radiodirektorin zeigte sich zudem optimistisch, dass eine Volksabstimmung über die Gebührenfinanzierung des ORF wie in der Schweiz wohl im Sinne des öffentlich-rechtlichen Medienhauses ausgehen würde. ORF-Umfragen würden zeigen, dass gerade jüngeren Personen der öffentlich-rechtliche Beitrag wichtig sei. "Das stimmt schon hoffnungsfroh", so Thurnher.
Forscher sieht System an "Weggabelung"
Leonard Novy, Direktor des in Deutschland angesiedelten Instituts für Kommunikations- und Medienpolitik, wies in einer Keynote darauf hin, dass die gesellschaftliche Akzeptanz und die politische Unterstützung für öffentlich-rechtliche Medien schwinde. Das System befinde sich an einer kritischen Weggabelung. "Heute entscheidet sich, ob wir in zehn Jahren noch gesellschaftlich relevante Medien haben", meinte er. Gäbe es keine öffentlich-rechtliche Medien, müsste man sie aber erfinden. "Aber dann würde man sie heute ganz anders bauen", so Novy.
Derzeit beobachtet er einen "Trend zur Selbstkommerzialisierung", den es zu korrigieren gelte. Nicht nachvollziehen könne er das "De-facto-Verbot" für den ORF, für Social Media zu produzieren. Den Auftrag des ORF anhand von Plattformen zu definieren, erscheint ihm angesichts der zunehmenden Medienkonvergenz als "realitätsfern". So verliere der ORF seine Anschlussfähigkeit, meinte Novy. Ändern könnte dies die Medienpolitik, die derzeit an einer ORF-Digitalnovelle feilt. Nicht gearbeitet wird dabei an einer Gremienreform. Diese täte dem ORF und dem Land aber gut, so Novy mit Blick auf die ORF-Stiftungsräte, von denen über 50 Prozent als ÖVP-nah gelten.
NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger zeigte sich am Anfang der Enquete überzeugt davon, dass eine lebendige, vielfältige Medienlandschaft, die möglichst unbeeinflusst arbeiten kann, ein "essenzieller Baustein für die Demokratie" sei. In den vergangenen Jahren sei jedoch wenig in diese Richtung gearbeitet worden. Viel mehr werde darüber diskutiert, wie man Medien beeinflussen könne. Daher sei es nun dringend notwendig, über Medienpolitik zu sprechen - nicht zuletzt, da die Medienwelt mit Umwälzungen konfrontiert sei und in Österreich unter "extremen Druck" stehe.
Zusammenfassung
- Der CEO der ProSiebenSat.1 Puls4-Gruppe kann sich den ORF als einen Partner vorstellen – mit weniger Werbung.
- Die Finanzierung über die Rundfunk- und ab 2024 Haushaltsabgabe sei aber ein Wettbewerbsvorteil.