Jeder kann mithören: Russischer Spionage-Funk "reine Trollerei"
Vor allem seit dem Kalten Krieg senden Kurzwellen-Sendestationen überall auf der Welt kryptische Botschaften durch den Äther. In der Regel bestehen die Übertragungen aus Zahlen-, vielfach aber auch aus Buchstabenreihen. Manche inzwischen geradezu berühmte Übertragungen begannen auch mit kurzen Melodien. Davon abgeleitet erhielten einige dieser Sendungen Spitznamen wie "The Lincolnshire Poacher" oder "The Swedish Rhapsody".
"Historisch waren das teilweise tatsächlich Nachrichten, etwa Steuerungsbefehle an Agenten im Ausland", erklärt Erich Möchel, Experte für militärische Kommunikation im Gespräch mit PULS 24. Der Vorteil der Radio-Übertragung: Weil jeder mithören konnte, konnte man anhand der Übertragung den Empfänger nicht ausfindig machen.
Die Stationen dienten darüber hinaus als geplante Fallback-Kommunikation im Falle eines Atomschlages, "wovon wir bisher zum Glück verschont geblieben sind".
Manche dieser Stationen senden immer noch. Eine der bekanntesten ist "UVB-76", die aus Russland betrieben wird. Diese ist seit einigen Wochen wieder besonders aktiv, berichtet etwa das regierungskritische russische Medium "meduza.io".
Am 11. Dezember seien ganze 24 verschiedene Nachrichten gesendet worden. Im Gegensatz zu den meisten Number-Stations sendet UVB-76 hauptsächlich Wörter bzw. Buchstabenfolgen. Diese werden auf russische Art buchstabiert, also in Form von Personennamen - etwa "Boris" für "B".
Um den Zweck von UVB-76 ranken sich zahlreiche Theorien. Die erhöhte Aktivität sorgt bei manchen Beobachtern und Medien für wilde Spekulationen. So seien bereits im Vorfeld der russischen Invasion in der Ukraine 2022 zahlreiche Nachrichten gesendet worden, insbesondere am Tag vor Beginn des Angriffskrieges.
Mind-Games und Trollerei
Steht ein großer Geheimdienst-Coup bevor? Eine neue Eskalation im Ukraine-Krieg? Möchel kann beruhigen: "Das ist reine Trollerei", meint er. "Man will genau das erreichen: Berichte und den Eindruck erzeugen, dass da etwas Großes kommen könnte", so Möchel. Die Stationen seien heutzutage hauptsächlich dazu da, die Frequenzen zu besetzen.
Geheimdienste lieben diese "Mind-Games", um den Gegner zu trollen, also zu veräppeln. "Recht viel mehr dürfen Geheimdienstleute üblicherweise eh nicht machen", meint der Experte.
Echte Geheimdienst-Infos nur "digital und verschlüsselt"
Würde es sich wirklich um relevante Geheimdienstinformationen oder gar Spionage-Kommunikation handeln, "dann wäre es digital und verschlüsselt (im Gegensatz zur analogen Radio-Übertragung, Anm.) - das geht ebenfalls über Kurzwellen-Signal", erklärt Möchel.
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Wer also gehofft hat, den James-Bond-Traum vom Mithören beim Spionage-Funk zu verwirklichen, wird leider enttäuscht sein.
Zusammenfassung
- Sogenannte "Number-Stations" verschickten im Kalten Krieg - teils unheimlich klingende - verschlüsselte Botschaften an Agenten im Ausland. Jeder konnte mithören.
- Eine bekannte solche Number-Station in Russland ist seit einigen Tagen wieder sehr aktiv.
- Was steckt dahinter? PULS 24 hat nachgefragt.