Tauender Permafrost: Risiken für Millionen Arktis-Bewohner
Unter Co-Leitung von Susanna Gartler vom Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien haben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter von 2017 bis 2023 die gesellschaftlichen Auswirkungen und Risiken der tauenden Permafrostböden in vier arktischen Regionen untersucht. Dabei handelte es sich um Longyearbyen auf Spitzbergen (Norwegen), die Gemeinde Avannaata (Grönland), die Region um die Beaufortsee und das Mackenzie River Delta (Kanada) sowie den Bezirk Bulunskiy in der Republik Sacha (Russland). An der Studie beteiligt waren Ingenieurswissenschafter, Physiker, Umwelt-, Sozial- und Gesundheitswissenschafter.
Die umfassende Risikoanalyse erfolgte im Austausch mit lokalen Interessengruppen "und umfasst erstmals nicht nur physische Prozesse, sondern auch die gesellschaftlichen Auswirkungen von tauenden Permafrostböden", erklärte Gartler in einer Aussendung. Festgestellt wurden fünf zentrale Risiken: Sie betreffen Schäden an der Infrastruktur, Unterbrechungen der Verkehrs- und Versorgungswege, eine potenzielle Verschlechterung der Wasserqualität, Herausforderungen für die Ernährungssicherheit sowie eine erhöhte Gefahr durch ansteckende Krankheiten und Schadstoffe.
So ist den Forschern zufolge die Infrastruktur speziell in Küstengebieten, entlang von Flüssen, in Deltas und bergigen Regionen durch Erosion besonders gefährdet. Dies kann in Regionen, in denen die Bevölkerung stark von der Jagd und dem Fischfang abhängig ist, auch die Ernährungssicherheit beeinflussen, da Jagd- und Fischhütten schwerer erreichbar sind, Böden sich in Treibsand verwandeln und Erdrutsche umgangen werden müssen.
Auch Schadstoffe können durch die auftauenden Böden freigesetzt werden und dadurch Gesundheit und Ökosysteme gefährden. So habe die Industrie in alten Öl- und Gasgruben Schadstoffe in der Annahme zurückgelassen, dass die Böden dauerhaft gefroren bleiben. Auf Spitzbergen wiederum bedroht das Auftauen des Permafrosts den Zugang zu sauberem Trinkwasser, da der Damm der Hauptquelle Longyearbyens auf gefrorenem Boden steht. Diese Gefahren zu verstehen, sei entscheidend für eine fundierte politische Planung und Anpassungsmaßnahmen, betonen die Forscher.
(S E R V I C E - http://dx.doi.org/10.1038/s43247-024-01883-w)
Zusammenfassung
- Die Studie, die von 2017 bis 2023 in vier arktischen Regionen durchgeführt wurde, zeigt, dass Erosion besonders in Küsten- und Flussgebieten die Infrastruktur gefährdet und dadurch auch die Ernährungssicherheit beeinflusst.
- Durch das Auftauen der Böden können Schadstoffe freigesetzt werden, die sowohl die Gesundheit der Bewohner als auch die Ökosysteme bedrohen. In Longyearbyen auf Spitzbergen ist zudem die Trinkwasserversorgung gefährdet.