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Schallforschung entlarvt seltene Fauna am Rande Wiens

Heute, 04:01 · Lesedauer 4 min

In Breitenlee im Nordosten Wiens mussten im Ersten Weltkrieg Kriegsgefangene Geleise für einen lang gestreckten Verschiebebahnhof legen. Er verwahrloste aber bald zu einem Naturjuwel mit Trockenrasen, alten Bäumen und Teichen. Dort zwitschern und fiepen über neunzig teils seltene Vogelarten und viele Fledermäuse, sagte der Lautforscher Anton Baotic im Gespräch mit der APA. Er hörte das Gebiet mit Aufnahmegeräten ab und ließ künstliche Intelligenz die Tongeber identifizieren.

"Das Gelände ist ein toller Natur-Verbindungskorridor zwischen der Lobau und dem Bisamberg und ein super Zufluchtsort für Tiere", erklärte Baotic, der am Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien forscht: "Wir haben zehn akustische Rekorder aufgestellt, um herauszufinden, welche Tiere dort vorkommen." Es waren sehr viele unterschiedliche, und zwar 93 Vogelarten und acht Fledermaustypen.

"Zu den Arten mit den meisten nachgewiesenen Rufen zählen das Rotkehlchen, die Schwanzmeise, Kohlmeise, der Zilpzalp, Jagdfasan und Buntspecht", so der Forscher. Auch die Stimmen seltener Vögel wurden erkannt, zum Beispiel der Neuntöter, der große Insekten und kleine Säugetiere frisst, und die Zwergohreule. In den Tonaufnahmen machten sich auch in Österreich häufige Fledermäuse bemerkbar wie die Zwergfledermaus und der Abendsegler, und seltene bis gefährdete wie die Mopsfledermaus und Alpenfledermaus, berichtete er. Auch etwa Rufe von Rehen waren auf den Aufnahmen zu hören.

Die Vögel und Flattertiere wurden anhand einer Datenbank mit vielen verschiedenen europäischen Arten identifiziert. "Die Laute werden dafür visuell in Form sogenannter Spektrogramme dargestellt", sagte Baotic. Jeder davon hat dort eine eigene Struktur, die ein Computeralgorithmus erkennen kann. "Mit solch einer visuellen Abgleichung funktioniert das ziemlich flott", erklärte er. Rein akustische Analysen mit künstlicher Intelligenz (KI) wären hingegen zeitaufwendiger. "Anschließend muss man aber zur Kontrolle in die Aufnahmen hineinhören", so Baotic. Manchmal verwechsle die KI nämlich etwa ein Fledermausfiepsen mit Insektenzirpen und dann müssen die Ergebnisse korrigiert werden.

Lärm von außen stört Kommunikation der Tiere

Außerdem wurde in dem Gebiet Lärm vermerkt, der die Vögel in der Kommunikation behindern könnte. Dazu zählen etwa Motorgeräusche aus der Umgebung, Hundegebell und menschliche Stimmen - die aus Datenschutzgründen nicht angehört, sondern sogleich aus den Aufnahmen gelöscht wurden, wie Baotic erklärte. "Dieses Wissen kann man nutzen, um das Gebiet etwa mittels Schallschutzwänden ein wenig stiller für die Tierwelt zu gestalten", sagte er. Die Stadt Wien, die das Areal großteils von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) übernommen hat, richtet dort nämlich ein EU-Naturschutzgebiet ein. Im Zuge dessen sollen neue Lebensräume für Reptilien, Amphibien und zahlreiche weitere geschützte und seltene Arten angelegt werden, wie es vonseiten der Gemeinde heißt.

Baotic und seine Kollegen werden im Institut für Schallforschung am "Internationalen Tag gegen Lärm" (30. April) Interessierten die Akustik in der Tierwelt bei Experimenten und Mitmachstationen näherbringen. "An der Station 'Schrei den Lukas' kann jeder testen, wie laut er wirklich ist, während bei 'Biologie der Musikalität' spannende Einblicke in das Hörvermögen von Tieren geboten werden. Die Station 'Zwei Ohren sind mehr als doppelt so gut' zeigt, wie unser Gehirn aus Tönen Räume erschafft. Und wer wissen will, wie Lärm im Verkehr entsteht und reduziert werden kann, ist bei 'Lärmschutz im Verkehr' genau richtig", so die ÖAW in einer Aussendung.

(S E R V I C E - ÖAW-Projekt: https://go.apa.at/K8A4Az3t, Projekt der Stadt Wien: https://www.wien.gv.at/umweltschutz/naturschutz/breitenlee.html, ÖAW-Veranstaltung: https://www.oeaw.ac.at/detail/veranstaltung/tag-gegen-laerm-2025)

Zusammenfassung
  • In Breitenlee, Wien, hat sich ein ehemaliger Verschiebebahnhof zu einem Naturparadies entwickelt, in dem 93 Vogelarten und acht Fledermausarten von Lautforscher Anton Baotic identifiziert wurden.
  • Lärm von außen, wie Motorgeräusche und Hundegebell, könnte die Kommunikation der Tiere stören, weshalb die Stadt Wien Schallschutzmaßnahmen plant, während sie das Gebiet als EU-Naturschutzgebiet ausweist.
  • Am 'Internationalen Tag gegen Lärm' werden im Institut für Schallforschung Mitmachstationen angeboten, um das Verständnis für die Akustik in der Tierwelt zu fördern.