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NASA-Experte plädiert für rasches Aufspüren von Asteroiden

Einsatzbereite planetare Abwehrsysteme für Asteroiden aufzusetzen, gestaltet sich schon allein deswegen schwierig, weil nur sehr selten Gefahr eines Einschlages aufkommt. "Der einzige effektive Hebel ist es, die gesamte Population an erdnahen Asteroiden zu finden, zu katalogisieren und damit möglichst früh einen möglichen Impakt zu erkennen," sagt Lindley Johnson, "Planetary Defense Officer" der NASA gegenüber der APA.

Noch bis zum 7. April diskutiert der US-Amerikaner in Wien mit internationalen Experten über künftige Strategien und Technologien der planetaren Asteroidenabwehr. Dass es bereits Technologien gibt, die einen Asteroiden im All ablenken können, zeigte jüngst die DART-Mission der NASA und Partner. So liefert sie der achten "Planetary Defense Conference" der International Academy of Astronautics (IAA) viel Gesprächsstoff. Im Herbst 2022 ließ man die DART-Sonde absichtlich mit einem Asteroiden zusammenkrachen, um Möglichkeiten seiner Ablenkung zu testen.

"Wir haben einiges daraus gelernt. Allerdings ist dies auch nur eine Technologie von vielen, deren Einsatz - je nach Asteroidengröße und Beschaffenheit - dann effektiv und notwendig sein wird", so Johnson. Ziel sei die Entwicklung von verschiedenen Technologien für die planetare Asteroidenabwehr: "Bei der Entdeckung wissen wir kaum etwas über einen Asteroiden und damit einhergehend geeignete Ablenkungstechniken, bis wir ihn gut sehen können."

Ein Weg aus diesem Dilemma sei es, die Möglichkeiten für schnelle Aufklärungsflüge zu verbessern. Der Bau eines solchen allzeit bereiten Raumfahrzeuges zur Aufklärung nehme aber sicherlich noch Jahre in Anspruch, so Johnson. Zudem: "Ein Asteroid nähert sich vielleicht einmal alle 100 Jahre so nah der Erde, dass man tatsächlich etwas dagegen tun wollen würde." Wenn also die Instrumente zur schnellen Aufklärung tatsächlich benötigt werden, könnten sie schon wieder "technologisch obsolet geworden sein".

Die Lagerungs- und Wartungskosten solcher Systeme wären zudem entsprechend hoch. "Der wirkliche Schlüssel ist es, die Asteroiden auf ihren berechenbaren Bahnen viele Jahre, Jahrzehnte, sogar ein Jahrhundert im Voraus zu finden - also den Katalog erdnaher Asteroiden zu vervollständigen, so dass man dann entsprechend viel Zeit für die Planung der Gegenmaßnahmen hat", sagt Johnson.

Aber auch bei der Detektion von erdnahen Asteroiden liegt noch ein weiter Weg vor uns: Bisher wurden laut NASA etwa 10.000 der geschätzten 25.000 erdnahen Asteroiden, die 140 Meter und größer sind und damit als potenzielle Quelle signifikanter Gefahr gelten, gefunden. "Wir haben jene gefunden, die leicht aufzufinden waren. Jetzt suchen wir nach den schwer auffindbaren", so der NASA-Forscher.

Gemeint sind jene Asteroiden, die weniger Sonnenlicht reflektieren und damit weniger gut sichtbar sind. Auch ihre Umlaufbahnen "könnten exotischer sein". Mit den derzeitigen Technologien sind diese erdnahen Objekte (NEOs = near-Earth objects) noch nicht auffindbar, so Johnson. Das soll sich mit dem geplanten Start des "Near-Earth Object Surveyor"-Weltraumteleskops der NASA im Jahr 2028 ändern. Infrarotbilder werden dann ermöglichen, die sehr dunklen Objekte zu erkennen, die von Natur aus dunkel wie Kohle sind, aber das absorbierte Sonnenlicht als Wärme wieder abgeben. "Das Infrarot-Teleskop kann dann 24 Stunden pro Tag, wetterunabhängig im Einsatz sein. Mit ihm sollten wir Mitte der 2030er-Jahre ein gutes Bild von der erdnahen Asteroiden-Population haben", so Johnson. Mit den heutigen bodengestützten Technologien würde es hingen 30 bis 40 Jahre länger dauern.

Der Forscher leitet das Planetary Defense Coordination Office der NASA seit seiner Einrichtung 2016. Auch wenn die NASA sich bereits seit Mitte der 1990er-Jahren mit dem Thema auseinandersetze, so sei dieser Schritt ein kräftiges Signal der Anerkennung gewesen, dass auch die internationale Koordination und Zusammenarbeit zur planetaren Abwehr immer wichtiger würde. Im Fall des Falles müssten sich global alle Akteure einig sein, wie man reagiert. Hier sei auch die IAA-Konferenz, die alle zwei Jahre stattfindet und am Sonntag mit einem öffentlichen Event an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) startete, ein wichtiges Forum für die Zusammenarbeit und Abstimmung.

"Heute lacht niemand mehr über die Idee, dass es dort draußen Objekte gibt, die auf der Erde einschlagen könnten." Seit seiner Kindheit habe ihn, einem Buben von einer Farm in Kansas mit einem eigenen Teleskop im Zimmer, der Weltraum interessiert, erzählt Johnson: "Ich war nicht einer der Ersten, sondern repräsentiere eher die zweite Generation von Asteroiden-Jägern." Es sei jedenfalls ein wichtiger Erfolg, dass gemeinsame Anstrengungen zur planetaren Abwehr heute als Notwendigkeit allgemein anerkannt seien.

(S E R V I C E - https://iaaspace.org/event/8th-iaa-planetary-defense-conference-2023)

ribbon Zusammenfassung
  • "Der einzige effektive Hebel ist es, die gesamte Population an erdnahen Asteroiden zu finden, zu katalogisieren und damit möglichst früh einen möglichen Impakt zu erkennen," sagt Lindley Johnson, "Planetary Defense Officer" der NASA gegenüber der APA.
  • Noch bis zum 7. April diskutiert der US-Amerikaner in Wien mit internationalen Experten über künftige Strategien und Technologien der planetaren Asteroidenabwehr.