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Mühlviertler Gemeinden gehen gemeinsam gegen Hochwasser vor

Was kann man einem Hochwasser "organisatorisch" entgegensetzen, fragten sich Mühlviertler Gemeinden nach der Flutkatastrophe 2002. Die ruhige Aist schwoll damals zu einem reißenden Strom und richtete enorme Schäden an. Jede Gemeinde für sich alleine werde nichts ausrichten können, so der seit 2003 amtierende Gutauer Bürgermeister Josef Lindner (SPÖ). So schlossen sich 27 Gemeinden zum Hochwasserschutzverband Aist zusammen. Lindner ist der Obmann.

In dem Einzugsgebiet von 640 Quadratkilometern sind 84.000 Menschen potenziell von Hochwasser durch die Aist mit Feld- und Waldaist sowie deren Zuläufen betroffen. In der Region geht es sowohl um Schutzmaßnahmen für globalere Niederschlagereignisse als auch für lokale Unwetter. Bei den kleinräumigen Ereignissen sei es schwierig, eine Gesamtlösung zu schaffen, da "man nicht weiß, wann wo was geschieht", meint Lindner. Ziel sei es, dass weniger Wasser an der Oberfläche abfließe. Dass die lokalen Starkregenereignisse immer häufiger und massiver werden, kann der Bürgermeister, der auch bei der Feuerwehr aktiv ist, bestätigen. Genauso sei auch Trockenheit, die die Aufnahmefähigkeit der Böden blockiere, im Mühlviertel ein Thema.

Mit der Wildbach- und Lawinenverbauung sowie dem Gewässerbezirk Linz als fachliche Begleitungen berät sich der Verband. Die Förderschiene ist das Wasserbautenfördergesetz. Den höchsten Schutz erwarte man sich von Rückhaltebecken, sie sollen "die Quellenwirkung der Hochwässer eindämmen und Hochwasserspitzen auffangen", so Lindner. Für besagte Region ermittelte man einen Bedarf für drei große Becken, die auf ein HQ100 (100-jährliches Hochwasser) ausgelegt sind.

Doch diese Großbecken sind umstritten, vor allem die örtliche "Initiative für Wasserhaushalt, Klima und Naturschutz" verfolgt eine andere Philosophie. Sie will durch Kleinretentionslandschaften mit Hausteichen, Versickerungsmulden, Zisternen und Gründächern das Wasser in der Region halten. "Bei uns haben zwei Drittel der Bauern mit der Viehhaltung aufgehört, überall gibt es die großen Güllelagerstätten, die könnte man für das Dachwasser nützen", nennt Obmann Fritz Robeischl als Beispiel. So gehe es nicht nur um das "kurzzeitige Zurückhalten von Hochwasser in großen Retentionsbecken" sondern auch um Maßnahmen gegen die drohende Wasserknappheit. Anstelle "quer zur Aist Talsperren, Betonwände" zu errichten, müsse man "zu den Wurzeln des Hochwassers, zu den Bächen und dort das Wasser zurückhalten". Wasserkörper in der Region würden kühlen und bringen "Wasserdampf nach oben, der befördere neuen Niederschlag", führt Robeischl weiter aus. Denn, so ist er überzeugt: "Wir werden noch bitten und beten, um jeden Kubikmeter Wasser."

Der Verband hat im Zuge der Diskussion um den "richtigen Schutz" - 2015 war das erste große Rückhaltebecken Poneggenbach bei Schwertberg fertiggestellt worden - 2016 eine Studie bei den Grieskirchner Zivilingenieuren Thürriedl & Mayr für den Norden von Freistadt in Auftrag gegeben, die klären sollte, was es bedeuten würde, statt Groß- mehrere Kleinbecken zu errichten. "Damit würde man nur 15 Prozent des Einzugsgebietes erreichen. Das heißt nur 15 Prozent des Wassers würde zurückgehalten, 85 Prozent fließt weiter. Das ist nicht effektiv", gibt Lindner das Ergebnis wieder.

Nördlich von Freistadt und zwischen Kefermarkt und Freistadt sind aktuell zwei Rückhaltemaßnahmen vorgesehen. Die Planungen für das Becken in Rainbach (Paßberger Steg) an der Feldaist mit 250.000 Kubikmeter Fassungsvolumen seien weit fortgeschritten, großteils würden die Zustimmungen der Grundbesitzer vorliegen. Bei dem anderen Vorhaben Grünbach stecke der Verband noch mitten in den Verhandlungen für die Zustimmungserklärungen der Grundbesitzer.

Gleichzeitig steht auch im Statut des Verbandes, dass die Versiegelung in den Orten eingeschränkt gehört. So ist es für die Mitgliedsgemeinden Pflicht, bei Siedlungsbauten kleine Auffangbecken zu schaffen. Weiters müssen etwa "Plätze mit Blick auf das Oberflächenwasser entsprechend gestaltet werden, um so wenig Wasser wie möglich in den Abfluss hineinzubringen", meint Lindner. Auch Freiräume entlang der Bäche werden "wieder mehr beachtet".

In seinem Ort Gutau liegt der Gutauerbach, Zuläufer der Waldaist, in einem Mauerwerk aus den 1970er-Jahren. Ein Rückgängigmachen der Regulierung gehe nicht, aber oberhalb der Ortschaft wurde ein Rechen eingebaut, der mitgeführtes Material aufhält, das Wasser jedoch weiter durchlässt. Bei der Waldaist wiederum reiche es wegen der sehr dünnen Besiedlung aus, einige Liegenschaften direkt an der Linie des Flusses zu schützen, das heißt, "lokaler Objektschutz" genüge. Zwischen 2009 und 2014 wurden fast sechs Millionen Euro in der Region des Hochwasserschutzverbandes in die unterschiedlichen Kleinbaumaßnahmen investiert, so der Obmann.

Der Verband hat auch ein Waldkonzept erstellt, mit dem Ziel, dass von Fichten- auf Laubwälder umgestellt wird, um die Versickerung im Wald wieder zu verstärken. Fichten sind Flachwurzler, die jedoch an Ufern rasch umfallen können. Entlang der Bäche und Flüsse führt dies zu Verklausungen. Und über die "baulich eingeengten" Bäche wurden zudem Brücken gebaut, beschreibt Lindner die Situation. Nach dem Starkregen kommt dann das Wasser, das die Fichtenstämme mitführt. Es entstehen Verklausungen, das Wasser staut sich auf, irgendwann bricht das Mauerwerk und es kommt die Welle. 2020 etwa richtete der Stampfenbach massive Schäden im Bereich Gutau und St. Leonhard an, als 114 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb kürzester Zeit fielen. Ein Projekt zur Verbesserung des Schutzes für dieses Gebiet sei in Umsetzung, so Lindner.

Zu langfristigen Schutzvorkehrungen zählen auch flächenwirtschaftliche Maßnahmen. Damit die Böden wieder "größere Chancen haben, mehr Wasser aufzunehmen". Durch die Verdichtung der Böden, nicht zuletzt durch die Bewirtschaftung der Felder mit schwerem Gerät, komme es bei Starkregen zu einer geringeren Versickerung und einem verstärkten Abfluss in die Bäche und Flüsse, will Lindner ein heikles Thema noch kurz ansprechen.

Auch das "Geschiebemanagement" von am Grund liegenden Feststoffen sei wichtig beim Hochwasserschutz. In der Gemeinde Schwertberg wurde 2023 gemeinsam mit dem Gewässerbezirk Linz ein Sandfang errichtet, der das Entfernen des Geschiebes erleichtert und für die flussabwärts liegenden Gemeinden mehr Schutz bietet.

ribbon Zusammenfassung
  • Was kann man einem Hochwasser "organisatorisch" entgegensetzen, fragten sich Mühlviertler Gemeinden nach der Flutkatastrophe 2002.
  • Die ruhige Aist schwoll damals zu einem reißenden Strom und richtete enorme Schäden an.
  • Jede Gemeinde für sich alleine werde nichts ausrichten können, so der seit 2003 amtierende Gutauer Bürgermeister Josef Lindner (SPÖ).
  • Nach dem Starkregen kommt dann das Wasser, das die Fichtenstämme mitführt.