Mordversuch-Prozess gegen Autoraser in Wien fortgesetzt
Ein Polizist, der sich gemeinsam mit einem Kollegen dem Raser in den Weg gestellt hatte, schilderte nun den Geschworenen, wie man vergeblich versucht hatte, den Mann mit einer Blockade zum Stoppen zu bringen. Im Bereich Gaudenzdorfer Gürtel - Eichenstraße wurde eine Straßensperre errichtet, doch der Raser suchte und fand eine Lücke, touchierte dabei ein Fahrzeug und raste über eine Verkehrsinsel auf die Polizisten zu.
"Ich bin vor ihm gestanden mit gezogener Schusswaffe und habe 'Stop! Polizei! Halten!' gerufen," gab der 40-jährige Beamte zu Protokoll. Der Angeklagte habe keine Anstalten gemacht, dem Befehl nachzukommen: "Er ist mit voller Geschwindigkeit über die Verkehrsinsel drübergezogen. Ohne Rücksicht auf mich. Es war ihm einfach wurscht. Er hätte mich zu hundert Prozent komplett niedergestreut." Er habe sich im letzten Moment mit einem Sprung zur Seite in Sicherheit bringen können: "Es war kein gemütlicher Schritt auf die Seite. Es war ein Sprungschritt nach rechts. Es war bedrohlich nahe. Es war in letzter Sekunde. Er hat keinen Deut gemacht auszuweichen." Abschließend betonte der Polizeibeamte: "Ich hab' mich zu diesem Zeitpunkt in Lebensgefahr gefühlt."
Der Angeklagte hatte sich am 8. Dezember von seinem Cousin einen über 20 Jahre alten, nicht mehr für den Verkehr zugelassenen Jaguar gekauft. Dabei besaß der Kfz-Mechaniker keinen Führerschein mehr - der war ihm 2017 wegen Trunkenheit am Steuer abgenommen worden. Bei der allerersten Ausfahrt erregte er die Aufmerksamkeit einer Zivilstreife. Die Polizeibeamten nahmen an einer Kreuzung am Mariahilfer Gürtel wahr, wie der Mann am Steuer lässig seinen linken Arm mit einem Joint in der Hand aus dem geöffneten Seitenfenster baumeln ließ. Sie bemerkten auch Cannabisgeruch und wollten daher den Lenker einer Kontrolle unterziehen. Daraufhin stieg dieser aufs Gaspedal und fuhr den Polizisten davon, die rasch in ihr Fahrzeug sprangen und mit Blaulicht die Verfolgung aufnahmen.
In weiterer Folge übersetzte der 35-Jährige trotz Rotlichts mehrere Kreuzungen mit weit überhöhter Geschwindigkeit und brachte andere Verkehrsteilnehmer und Fußgänger in Gefahr, die vorschriftsmäßig bei Grün die Fahrbahn überquerten. Am Matzleinsdorfer Platz erfasste er einen Radfahrer, der infolge des Aufpralls am Asphalt ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt. Am Landstraßer Gürtel geriet der Raser auf die Gegenfahrbahn und setzte seine Fahrt als Geisterfahrer fort. Er krachte schließlich in einen ihm entgegenkommenden Pkw, in dem sich eine vierköpfige Familie befand. Die Mutter, die am Beifahrersitz saß, wurde schwer, ihre Tochter leicht verletzt. Der Vater, der am Steuer saß, und der Sohn blieben unverletzt.
"Ich hab nur die Lichter gesehen", erinnerte sich die 52-jährige Frau als Zeugin. Dann habe es schon gekracht. Sie erlitt Brüche mehrerer Brustwirbel und eines Halswirbels sowie einen Kreuzbandriss und Außenmeniskusriss am rechten Knie. "Ich stehe in psychologischer und psychiatrischer Betreuung, weil ich Angst vor Autos habe", verriet sie den Geschworenen. Ihren Beruf kann sie vorerst nicht mehr ausüben:" Ich weiß nicht, wann ich wieder arbeiten gehen kann."
Nach dieser Kollision war der Jaguar endlich zum Stillstand gekommen. Der Lenker versuchte noch zu flüchten, wurde aber von der Polizei gefasst.
Der Mann war am 12. Jänner 2023 in Tschechien nach Verbüßung einer mehrjährigen Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen worden. Im Frühjahr 2019 hatte man ihn in Brno (Brünn) ohne Führerschein mit einer erheblichen Menge an Cannabis und mehreren Pistolen sowie einer Kalaschnikow im Kofferraum erwischt. Auch damals hatte er sich einer Polizeikontrolle zu entziehen versucht und sich mit der tschechischen Polizei eine gefährliche Verfolgungsjagd quer durch Brno geliefert. Er wurde dafür unter anderem wegen Gemeingefährdung, Suchtmitteldelikten, illegalen Waffenbesitzes und weiterer Vergehen zu sieben Jahren Haft verurteilt und nach Verbüßung der Strafhälfte wegen guter Führung vorzeitig entlassen.
Die nunmehrige Verhandlung, in der ihm neben versuchtem Mord mehrere Körperverletzungen, vorsätzliche Gemeingefährdung und Gefährdung der körperlichen Sicherheit vorgeworfen werden, wird am 29. Oktober fortgesetzt. Im Fall einer anklagekonformen Verurteilung drohen dem 35-Jährigen zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft.
Zusammenfassung
- Am Wiener Landesgericht wurde der Prozess gegen einen 35-jährigen Autoraser fortgesetzt, der sich am 9. Dezember 2023 einer Polizeikontrolle entzogen und eine Verfolgungsjagd durch die Stadt geliefert hatte. Dabei wurden zwei Personen schwer verletzt.
- Im Fall einer Verurteilung drohen dem Angeklagten, der wegen versuchten Mordes und weiterer Delikte angeklagt ist, zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft. Die Verhandlung wird am 29. Oktober fortgesetzt.