Mistelbach: Fehlende Kassenärzte, schweigende Ärztekammer

In Mistelbach in Niederösterreich finden die Menschen immer öfter keinen Kassenarzt. Ein Primärversorgungszentrum und eine Gemeinschaftspraxis sollen es jetzt richten. Ein Lokalaugenschein über einen Bürgermeister, der sich mit der Ärztekammer herumschlägt, entnervte Bewohner:innen und eine Ärztin, die das ganze etwas anders sieht. 

"Für mich ist das ein Drama! In meinem Alter geht man öfters zum Arzt!", erzählt ein älterer Herr im PULS 24 Gespräch. "Mit einem Kind oder gerade die alten Leute kommen nirgends mehr hin!", bestätigt auch eine junge Frau die Sorgen des Pensionisten.

Mistelbach hat ein Problem. Ein Kassenärzteproblem. Denn genauso veraltet wie das vergilbte "Zielpunkt"-Schild am Hauptplatz, scheint auch die Gesundheitsversorgung zu sein. Kaum allgemein praktizierende Kassenärzte gibt es in dem 12.000 Einwohner Ort noch.

2018 waren es noch vier, drei davon im fortgeschrittenen Alter. Schon damals bemühte sich die Stadtregierung um eine zusätzliche Stelle, scheiterte aber an der Ärztekammer, erklärt Bürgermeister Erich Stubenvoll von der ÖVP.

Ärztekammer als Hindernis

Der aktuelle Bürgermeister hat das Problem von seinem Vorgänger geerbt und kann über die verfahrene Situation nur noch den Kopf schütteln. Ein Ärztekammer-Vertreter soll ihm einmal gesagt haben, dass er ausschließlich die Interessen der Ärzte vertrete. Für Stubenvoll passt das mit den Interessen der Bevölkerung nicht immer zusammen.

In seinem Büro mit Blick auf den Hauptplatz, auf dem einige Arbeiter gerade die städtische Eislauffläche präparieren, zeigt er PULS 24 ein Schreiben der Ärztekammer aus dem Jahr 2018. In diesem heißt es: "Zur Etablierung neuer Planstellen ist es erforderlich, dass ein Einvernehmen zwischen der NÖ Gebietskrankenkasse und der Ärztekammer für NÖ erzielt wird."

Genau an dieser Zustimmung soll das Vorhaben dann auch gescheitert sein.

Selbst auferlegtes Schweigen

Geht es nach der Bundesregierung, gehören solche Schreiben künftig womöglich der Vergangenheit an. Am Mittwoch präsentiert Gesundheitsminister Johannes Rauch im Zuge des Finanzausgleichs seine Gesundheitsreform. Die Ärztekammer könnte bei Fällen wie in Mistelbach künftig weniger Mitspracherecht haben.

Bereits seit Wochen schießt die Ärztekammer gegen das Vorhaben des Gesundheitsministers. PULS 24 hätte gerne Vertreter:innen der Kammer zu der Reform und der Situation in Mistelbach befragt. Ein Pressesprecher verweist allerdings auf ein selbstauferlegtes Schweigen, dass seit vergangenem Freitag herrschen würde.

Kritik auch von den Ärzten

Eine Medizinerin kann PULS 24 dann aber doch noch befragen. Zufällig trifft PULS 24 eine private Hautärztin aus Pillichsdorf am Mistelbacher Hauptplatz. Sie sieht die Gesundheitsreform kritisch.

Es sei wichtig, dass neben einem Arzt nicht in unmittelbarer Nähe ein Konkurrent aufmachen würde. Die Ärztekammer hätte da ihre Hand schützend drübergelegt. Man habe ohnehin schon zu wenige Kassenstellen. So eine Politik würde wohl keine neuen Ärzte anlocken.

Die Situation in Mistelbach könnte sich kommendes Jahr übrigens verbessern. Zu den wenigen Arztpraxen kommt eine Gemeinschaftspraxis hinzu, die 2024 auch zu einer Primärversorgungseinheit ausgebaut werden soll. Die Bewohner:innen sollen dann nicht mehr ins Krankenhausambulatorium oder gar nach Wien zum Arzt fahren müssen. 

PULS 24 berichtet am Mittwoch ab 9 Uhr ausführlich von der Präsentation der Gesundheitsreform im Ministerrat. 

ribbon Zusammenfassung
  • In Mistelbach in Niederösterreich finden die Menschen immer öfter keinen Kassenarzt.
  • Kaum allgemein praktizierende Kassenärzte gibt es in dem 12.000 Einwohner Ort noch. 2018 waren es noch vier, drei davon im fortgeschrittenen Alter.
  • Ein Primärversorgungszentrum und eine Gemeinschaftspraxis sollen es jetzt richten.
  • Ein Lokalaugenschein über einen Bürgermeister, der sich mit der Ärztekammer herumschlägt, entnervte Bewohner:innen und eine Ärztin, die das ganze etwas anders sieht.