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Keine Handysicherstellung ohne Richter - was bedeutet das?

Dass Ermittler Mobiltelefone ohne eine richterliche Genehmigung sicherstellen, ist einer Erkenntnis des VfGH zufolge verfassungswidrig. Der Gesetzgeber muss bis spätestens 2025 nachschärfen. Was bedeutet das? PULS 24 mit den wichtigsten Fragen und Antworten.

Was hat der VfGH entschieden?

Ein Kärntner Unternehmer, gegen den wegen Untreue ermittelt wird, hatte den Antrag gestellt. Das Höchstgericht gab dem Antrag statt. Bei der Sicherstellung von mobilen Datenträgern (Handys, Laptops, PCs, Festplatten) müsse es vorab eine richterliche Genehmigung geben. Der VfGH erklärte deshalb die gesamte Sicherstellung aus Beweisgründen - nicht nur, aber auch bei mobilen Datenträgern - für verfassungswidrig. 

Warum hat der VfGH so entschieden?

Das Höchstgericht hält fest, dass es ein legitimes Ziel sei, Datenträger sicherzustellen und auszuwerten, um Straftaten zu verfolgen. Digitale Kommunikation sei dabei eine besondere Herausforderung, doch entsprächen die angefochtenen Bestimmungen der Strafprozessordnung nicht den Anforderungen des Datenschutzgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention

Der Eingriff in den Datenschutz und das Privatleben sei besonders intensiv, weil eine Sicherstellung bereits bei einem Anfangsverdacht auf eine leichte Straftat möglich sei, betont der VfGH. Sie könnte auch gegenüber einem nicht verdächtigen Dritten erfolgen und betrifft auch Personen, deren Daten auf dem sichergestellten Datenträger gespeichert sind.

Was bedeutet das für aktuelle Ermittlungen?

Nur im Fall des Kärntner Unternehmers, gegen den die Staatsanwaltschaft Klagefurt wegen Untreue ermittelt und ein Handy sowie einen Outlook-Kalender sicherstellen ließ, hat die Entscheidung Auswirkungen. Sein Verfahren wurde eingestellt. Ansonsten hat die Entscheidung rückwirkend keine Auswirkung auf andere Ermittlungen. Der VfGH hat dem Gesetzgeber eine Frist gesetzt - bis Ende 2024 muss das entsprechende Gesetz repariert werden. Bis dahin kann ermittelt werden, wie bisher. 

Was muss sich ab 1. Jänner 2025 ändern?

  • Laut Gerichtshof muss eine Sicherstellung durch einen Richter genehmigt werden und der Richter hat festzulegen, welche Datenkategorien und -inhalte aus welchem Zeitraum und zu welchen Ermittlungszwecken ausgewertet werden dürfen.
  • Zudem müsse gewährleistet werden, dass Betroffene trotz Sicherstellung jene Informationen erhalten, die zur Wahrung ihrer Verfahrensrechte nötig sind. Sie müssen also wissen, wo wonach genau gesucht wird.

Woran orientiert sich der Richter dann bei der Genehmigung?

Dafür muss der Gesetzgeber eben ein neues Gesetz schaffen, auf dessen Basis die Richter dann entscheiden werden. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) kündigten eine rasche Lösung an. 

Wie genau das Gesetz aussehen wird, ist noch nicht klar. Der VfGH gab dem Gesetzgeber aber einige Leitplanken für eine künftige Neuregelung mit:

  • So müsse der Gesetzgeber öffentliches Interesse an der Strafverfolgung und die Grundrechte der Betroffenen gegeneinander abwägen. 
  • Die Anforderungen, die für eine Sicherstellung nötig sind, können auch von der Intensität des Eingriffs abhängen. So könne es etwa einen Unterschied machen, ob eine Sicherstellung von Datenträgern bei allen oder beispielsweise nur bei schweren Straftaten oder etwa nur bei Cyberkriminalität vorgesehen wird.
  • Eine Rolle spielen kann auch, ob der Gesetzgeber Vorkehrungen trifft, dass die Auswertung nachvollziehbar sowie überprüfbar ist und im erforderlichen Ausmaß erfolgt.
  • Schließlich müsse auch berücksichtigt werden, ob es eine unabhängige Aufsicht über die Datenauswertung gibt.

Was heißt das dann in der Praxis?

Das ist noch schwer zu sagen, weil das Gesetz erst erarbeitet werden muss. Der VfGH legt nicht fest, wie das Gesetz genau aussehen muss. 

Verfassungsjurist Peter Bußjäger geht aber im Gespräch mit PULS 24 aus mehreren Gründen nicht davon aus, dass die neue Regelung in der Praxis für große Veränderungen sorgen wird. Es sei nicht davon auszugehen, dass Staatsanwaltschaften jetzt sehr viele Handys sichergestellt hätten, wofür sie keine richterliche Genehmigung bekommen hätten.

Die Änderung ziele außerdem nicht unbedingt darauf ab, strafrechtliche Ermittlungen zu erschweren - es gehe um die Abwägung, ob ein Grundsrechtseingriff berechtigt sei. Es gehe um einheitliche Kriterien und Nachvollziehbarkeit.

Es werde wohl nicht so sein, dass Sicherstellungen nur von der Schwere des Delikts oder der Höhe des Strafrahmens abhängen, da es etwa auch bei einem Autounfall interessant sein könne, ob jemand telefoniert hat, so Bußjäger. Das VfGH-Erkenntnis bezeichnet der Experte als "wichtig und richtig", da es nicht sein könne, dass sensible Daten ohne richterliche Genehmigung beschlagnahmt werden.

Bei welchen Delikten wurden bisher Handys beschlagnahmt?

Das Justizministerium führt nur eine allgemeine Statistik über Sicherstellungen aller Art - Handys oder Laptops werden nicht extra ausgewertet. "Grundsätzlich" sei es aber so, dass mobile Datenträger "naturgemäß insbesondere" bei Cybercrime-Delikten, Besitz und Weitergabe von Kindesmissbrauchsmaterial, Verhetzung im Internet sowie organisierter Kriminalität wie Drogenhandel oder Schlepperei sowie bei terroristischen Straftaten sichergestellt werden, heißt es aus dem Ministerium.

Laut Cornelia Koller, Präsidentin der Staatsanwälte-Vereinigung, seien Handy-Sicherstellungen ein "Massengeschäft im staatsanwaltschaftlichen Alltag". Sie fordert eine "klare, grundrechtskonforme und auch praxistaugliche Regelung", bei der der Inhalt der Daten für den Rechtsschutz ausschlaggebend sein soll. Die Richtervereinigung weist auf die Mehrarbeit für Richter:innen hin - das müsse man in Kauf nehmen.

Was bedeutet das für Zufallsfunde?

Die Auswertung der Daten muss laut VfGH nun aber zeitlich und inhaltlich eingegrenzt werden. Österreichs wohl bekannteste Daten - jene von Thomas Schmid - wurden etwa im Rahmen der Casinos-Ermittlungen sichergestellt - im Übrigen bei einer richterlich genehmigten Hausdurchsuchung. Die Auswertungen führten zu mittlerweile zahlreichen weiteren Verfahren. Es handelte sich dabei um Zufallsfunde - ist das auch später noch möglich? 

Unabhängig vom Fall Schmid ist sich Bußjäger sicher: "Die wird es auch weiterhin geben". Ermittler seien bei gewissen Delikten auch verpflichtet, zufällig entdeckten Hinweisen auf Straftaten nachzugehen. "Nicht so leicht möglich" könnte es werden, dass Handys, die aus "völlig anderem Anlass" sichergestellt wurden, einfach durchgeschaut werden. Auch bei dieser Frage muss man aber auf den konkreten Gesetzestext warten.

Was, wenn sich der Gesetzgeber nicht einigen kann?

Es besteht "massiver Druck", sagt Peter Bußjäger. Denn der VfGH hebt ab 31. Dezember 2024 die gesamte Sicherstellung aus Beweisgründen auf - also unabhängig davon, ob Handys oder etwa eine Mordwaffe betroffen sind. Dann wären gar keine Sicherstellungen mehr möglich. Aus dem Justizministerium heißt es, man habe bereits Gespräche mit den Strafverfolgungsbehörden geführt und sei für eine "zeitnahe Umsetzung". Eine frühere Neuregelung vor dem 1. Jänner 2025 ist möglich. 

ribbon Zusammenfassung
  • Dass Ermittler Mobiltelefone ohne eine richterliche Genehmigung sicherstellen, ist einer Erkenntnis des VfGH zufolge verfassungswidrig.
  • Der Gesetzgeber muss bis spätestens 2025 nachschärfen. Was bedeutet das?
  • PULS 24 mit den wichtigsten Fragen und Antworten.