APA/EVA MANHART

"Kämpferherz" gegen Gewalt an Frauen: Kritik an ÖVP-Kampagne

Die Wiener Volkspartei präsentierte eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen. "Zeig dein Kämpferherz – gegen Gewalt an Frauen!“ heißt es auf der zugehörigen Website. Die Kampagne soll "vor allem Männer dazu ermutigen, gegen Gewalt an Frauen einzustehen" - die Tipps richten sich aber vor allem an Frauen. Nicht nur daran gibt es jetzt Kritik.

Ein muskulöser Männeroberarm mit dem Tattoo "Respect Woman" ziert die Website zur neuen ÖVP-Kampagne "Zeig dein Kämpferherz". Die Kampagne soll "auch Burschen und Männer ins Boot im Kampf gegen Gewalt an Frauen" einbinden, heißt es in der zugehörigen Presseaussendung

Die Kampagne gehört zur im vergangenen Jahr gestarteten ÖVP-Initiative "#frausicherwien". Anlässlich der internationalen Aktion "16 Tage gegen Gewalt" veröffentlichte man nun Sicherheitstipps, die man "mit Unterstützung der Kriminalprävention der LPD Wien erarbeitet" habe, wie es auf der Website heißt.

26 Femizide gab es heuer in Österreich, jede dritte Frau ist in ihrem Leben von Gewalt betroffen. Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen sind mehr als gefragt. Erst am Mittwoch präsentierte die Bundesregierung neue Maßnahmen - spezialisierte Gewaltambulanzen sollen errichtet werden.

Aufforderungen an Stadt Wien

Auch laut Wiener Volkspartei bestehe "dringender Handlungsbedarf". "Beim Thema 'Gewalt an Frauen' darf es keine Toleranz geben", wird Landesparteiobmann Karl Maher auf der Kampagnen-Seite zitiert. "Jeden einzelnen Tag müssen wir ein klares Bekenntnis gegen Gewalt an Frauen ablegen", heißt es von der Landtagsabgeordneten Sabine Keri. Sie fordern, dass die Stadt Wien ihre Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen evaluiert, geraten mit ihrer Kampagne aber selbst in die Kritik.

Kampagne der ÖVP WienScreenshot / ÖVP Wien

Kampagne der ÖVP Wien

Denn obwohl ÖVP-Frauenministerin Susanne Raab am Mittwoch bei einer Pressekonferenz noch sagte: "Es gibt nichts, was eine Frau tun kann, was Gewalt gegen Frauen rechtfertigt. Schuld sind immer die Täter", veröffentlichten Mahrer und Keri auf der Kampagnen-Website Sicherheitstipps, die sich vor allem an Frauen richten

Tipps an Frauen

Das kritisierte unter anderem die NEOS-Nationalratsabgeordnete Henrike Brandstötter auf X (Twitter): "Die ÖVP Wien möchte etwas gegen Gewalt an Frauen unternehmen - und lanciert eine Kampagne, die ausschließlich Frauen Tipps gibt, wie sie sich in Gefahrensituationen verhalten sollen. Handlungsbedarf sieht man offensichtlich nicht bei Männern", schrieb sie dort. 

Tatsächlich richten sich die Mehrheit der Tipps an Frauen. So wird etwa empfohlen, gut ausgeleuchtete Wege zu gehen, Kopfhörer zu vermeiden und einen "möglichen Gefährder oder Gefährderin" zu siezen, "damit die Umgebung wahrnimmt, dass Sie die Person nicht kennen". Außerdem sollten Frauen im Notfall Lärm machen und Getränke nicht unbeaufsichtigt lassen.

Sicherheitstipps der ÖVP WienScreenshot / ÖVP Wien

Sicherheitstipps der ÖVP Wien

Auch Handzeichen, mit welchen Frauen in der Öffentlichkeit unauffällig um Hilfe bitten können, werden gezeigt. 

HandzeichenScreenshot / ÖVP Wien

Handzeichen, mit denen Frauen um Hilfe bitten können

Opfern von Stalking oder Gewalt im privaten Bereich wird unter anderem empfohlen, sicherzustellen, dass "der Gefährder oder die Gefährderin" keine Ersatzschlüssel für die Wohnung hat, Nachbarn, Freunde und Verwandte zu informieren oder eine Notfalltasche mit Kopien der Dokumente und Geld bei Vertrauenspersonen bereitzustellen und aus sozialen Netzwerken auszusteigen. 

"Tipps, wie Sie Ihr Kämpferherz zeigen können"

Sechs Punkte beinhalten dann aber "Tipps, wie Sie Ihr Kämpferherz zeigen können" - sie richten sich also auch an Männer. So sollte man etwa "Rücksicht" zeigen und "einen Schritt zurücktreten oder die Straßenseiten wechseln", wenn man "nachts auf dem Gehsteig einer ängstlichen Frau" begegnet. Man sollte das Service- oder Sicherheitspersonal informieren, wenn man im Club bemerkt, dass jemand versucht, Frauen Drogen in ihre Drinks zu kippen.

Am Arbeitsplatz und online sollte man sich energisch gegen sexistische Bemerkungen aussprechen, im Fitnessstudio sollte man Personen, die Mädchen beim Training anstarren, "höflich" ansprechen und generell gelte laut ÖVP Wien: "Bleiben Sie respektvoll". 

Kampagne ist "kontraproduktiv"

Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser, kritisiert die Kampagne im Gespräch mit PULS 24 als "kontraproduktiv". Allein der Begriff 'Kämpferherz' sei "unnötig". "Wir brauchen Männer, die positive Vorbilder sind, die sich gemeinsam mit Frauen gegen Gewalt, gegen das Ausmaß des Patriarchats einsetzten", sagt sie. Die Vermittlung eines "Heldentums", eines Bildes, wonach Männer Frauen beschützen müssen, sei "kontraproduktiv". 

Rösslhumer kritisiert ebenfalls, dass sich die Tipps vor allem an Frauen richten: "Immer wird bei Frauen angesetzt, dabei sollen Männer ihr Verhalten ändern". Es sei sogar eine "Form von Bestrafung", wenn Frauen immer gesagt werde, was sie zu tun hätten. Das führe zu "Täter-Opfer-Umkehr" und "Victim Blaming", denn es werde suggeriert: Hält sich eine Frau nicht an die Regeln, sei sie selbst schuld. 

Von PULS 24 auf die Kampagne der ÖVP Wien angesprochen, sagte Frauenministerin Susanne Raab, dass die Kampagne aus ihrer Sicht nicht dem Credo, dass Täter immer Schuld seinen, widerspreche. Es gehe darum, die Zivilcourage zu aktivieren, auf Hilfe der Gesellschaft zu bauen - und auch Männer miteinzubeziehen. 

Polizei übermittelte Tipps

Die LPD Wien bestätigt auf PULS 24 Anfrage, dass man der ÖVP die Sicherheitstipps auf Anfrage übermittelt habe. Zusammen erarbeitet habe man sie aber nicht - und die Präventionstipps seien auf der Website des Bundeskriminalamts auch öffentlich einsehbar.

Man sei froh über jeden Beitrag gegen Gewalt an Frauen. Die Kampagne der ÖVP wolle man nicht kommentieren - aus polizeilicher Sicht ergebe es aber Sinn, dass sich die Tipps an Frauen richten. Die Polizei betont aber, dass auch mit Tätern 'gearbeitet' werde - etwa in der verpflichtenden Gewaltpräventionsberatung.  

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ribbon Zusammenfassung
  • Die Wiener Volkspartei präsentierte eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen. "Zeig dein Kämpferherz – gegen Gewalt an Frauen!“ heißt es auf der zugehörigen Website.
  • Die Kampagne soll "vor allem Männer dazu ermutigen, gegen Gewalt an Frauen einzustehen" - die Tipps richten sich aber vor allem an Frauen.
  • Nicht nur daran gibt es jetzt Kritik.
  • Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser, kritisiert die Kampagne im Gespräch mit PULS 24 als "kontraproduktiv".
  • "Immer wird bei Frauen angesetzt, dabei sollen Männer ihr Verhalten ändern". Es sei sogar eine "Form von Bestrafung", wenn Frauen immer gesagt werde, was sie zu tun hätten.