Hoffnung schwindet: Über 20.000 Tote bei Erdbeben in Türkei und Syrien
Unter den Tausenden eingestürzten Gebäuden sind vermutlich noch Zehntausende Erdbebenopfer zu befürchten. Nach mehr als drei Tagen und dem Richtwert von 72 Stunden, die ein Mensch eigentlich höchstens ohne Wasser auskommen kann, schindet allerdings langsam die Hoffnung auf weitere Überlebende, auch wenn es vereinzelt Meldungen von Geretteten nach über 80 Stunden gab.
Nach Einschätzung von Fachleuten könnte die Zahl der Toten nach der Erdbebenkatastrophe erheblich steigen. Schnelle Hochrechnungen auf Basis empirischer Schadensmodelle ließen bis zu rund 67.000 Todesopfer erwarten, teilte am Donnerstag Andreas Schäfer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit.
Besonders schwierige Lage in Syrien
Die bittere Kälte in der Region sowie die politische Lage im Bürgerkriegsland Syrien verschärfen zusätzlich die Lage. Dort erreichte am Donnerstag ein erster Hilfskonvoi der Vereinten Nationen die Rebellengebiete. Aktivisten in Syrien berichteten, es handle sich um Hilfslieferungen, die schon vor dem Erdbeben geplant und nur davon aufgehalten worden seien. Dringend benötigte Ausrüstung für die Rettungsteams in Syrien sei deshalb nicht angekommen - stattdessen Güter wie etwa Waschmittel. "Das ist sehr enttäuschend und beschämend", sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, der dpa.
Die ohnehin schwierige Lage für Rettungskräfte und Hilfslieferungen wird in Syrien zusätzlich durch die politisch heikle Situation erschwert. Das Katastrophengebiet ist dort in von Damaskus kontrollierte Gebiete und Territorien unter der Kontrolle von Rebellen geteilt. Hilfsgüter gelangen lediglich über einen offenen Grenzübergang von der Türkei aus in die betroffenen Gebiete im Norden des Landes - und bisher war befürchtet worden, dass Machthaber Baschar al-Assad die Lieferungen nur in Gebiete unter Kontrolle seiner Regierung lässt.
Angesichts der nur schwer erreichbaren Erdbeben-Opfer im Nordwesten Syriens verlangte UN-Generalsekretär António Guterres die Öffnung weiterer Grenzübergänge aus der Türkei.
Drei Tage nach dem verheerenden Beben der Stärke 7,8 ist das ganze Ausmaß der Zerstörungen nicht abzusehen. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) könnten bis zu 23 Millionen Menschen von den Folgen des Bebens betroffen sein. Sie befürchtet vor allem, die Rückkehr der Cholera vor wenigen Monaten im Bürgerkriegsland Syrien könnte sich nun zu einer Epidemie ausweiten.
Kleine Erfolgsmeldungen
Rettungskräfte in beiden Ländern versuchten bei weiter eisigen Temperaturen verzweifelt, noch mögliche Überlebende zu finden. Die Suche wird aber immer mehr zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Trotzdem gibt es noch immer kleine Erfolgsmeldungen: Deutsche und britische Helfer befreiten etwa in der Nacht auf Donnerstag in der türkischen Stadt Kahramanmaras eine Mutter und ihre sechsjährige Tochter aus den Trümmern eines eingestürzten Hauses. Mutter und Kind seien in den Trümmern des Hauses geortet worden.
Zusammenfassung
- Die Zahl der Toten nach den Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist auf mehr als 20.000 gestiegen.
- Nach mehr als drei Tagen schwindet langsam die Hoffnung, noch Überlebende zu finden.