"Es gibt Menschen für die HIV kein Problem ist"
"Ich habe immer geglaubt HIV betrifft alle anderen, nur nicht mich. Aber die Realität hat mich schnell eingeholt", sagt Wiltrut Stefanek. Die Wienerin hat ihre Diagnose 1996 bekommen. Sie war damals verheiratet. Ihr Mann hat sie angesteckt. Medizinisch hat sich seit ihrer Diagnose vor rund 25 Jahren viel getan. In anderen Bereichen ist vieles unverändert.
Rund 38 Millionen Menschen weltweit leben am heutigen Welt-Aids-Tag mit einer Infektion. Die Krankheit ist mittlerweile gut behandelbar, wenn sie früh genug diagnostiziert wird. Seit Mitte der 90er gibt es antiretrovirale Medikamenten, die verhindern, dass sich das Virus im Körper vermehrt und AIDS ausbricht. Bald könnte auch eine Spritze zur Behandlung und Vorbeugung von HIV zugelassen werden. Schlägt die Behandlung gut an, kann die Viruslast sogar unter die Nachweisegrenze gedrückt werden. Dann ist eine Übertragung selbst beim Sex nicht mehr möglich.
Auch Stefanek geht es gesundheitlich gut. Sie nimmt jeden Tag zwei verschiedene Medikamente. Das Virus ist in ihrem Körper nicht mehr nachweisbar, damit ist sie auch nicht mehr ansteckend. "Ich führe ein recht normales Leben", sagt sie. Schlimmer als die Krankheit ist ihrer Meinung nach die gesellschaftliche Diskriminierung. "Wenn Werte nicht passen geht man zum Arzt, aber für die soziale Ausgrenzung gibt es keine Tablette", sagt die 50-Jährige, die selbst Diskriminierung im Berufsleben erlebt hat.
Stefanek leitet seit über zwanzig Jahren die Selbsthilfeplattform PULSHIV, wenn man ihren Namen googelt, erfährt man sofort von ihrer HIV-Infektion. Deshalb hat sie ihre Diagnose auch offen in ihren Lebenslauf geschrieben. "Ich bekam keinerlei Vorstellungstermine", sagt sie.
Als sie einmal doch zu einem Gespräch eingeladen wurde, entgegnete ihr potentieller Arbeitgeber: "Ich würde sie nehmen, wenn ich einen Behindertenzuschuss bekomme." Wenig später hat Stefanek einen anderen Job gefunden. Ihr jetziger Arbeitgeber weiß, dass sie HIV hat. "Es gibt Menschen für die HIV kein Problem ist", sagt die Trafikverkäuferin. Viele Infizierte sind nicht so offen. Sie verschweigen ihre Erkrankung, damit sie nicht stigmatisiert werden.
Unternehmen gegen Diskriminierung
Dagegen will die Initiative "#positivarbeiten" der Aidshilfe vorgehen. Mehr als 70 österreichische Unternehmen haben sich bereits daran beteiligt und wollen Vorbild im Umgang mit HIV-positiven Menschen im Arbeitsleben sein. "Unternehmen setzen damit ein klares Zeichen für 'Respekt und Selbstverständlichkeit'", sagt Stefanek, die die Initiative unterstützt.
Sie glaubt, die beste Lösung gegen Diskriminierung ist offen mit dem Thema HIV umzugehen. Reden helfe Ängste und Unsicherheiten abzubauen. Man solle die Menschen auch nicht unterschätzen, sagt sie. "Wenn man sagt, man redet nicht darüber, nimmt man seinem Gegenüber die Chance positiv zu reagieren."
Nach ihrer Diagnose hat sich Wiltrud Stefanek von ihrem Mann getrennt. Ein Jahr später lernt sie ihren neuen Partner kennen. Sie sind seit über 20 Jahren zusammen. Er ist HIV-negativ.
Sie sind von HIV-bezogener Diskriminierung betroffen? Dann können Sie sich anonym an die Aids-Hilfe wenden:
Telefon: +43 1 599 37 94
Email: diskriminierung@aids-hilfe-wien.at
Website: www.aids.at/diskriminierung-melden
Wiltrud Stefaneks Selbsthilfegruppe: http://www.pulshiv.at/
Zusammenfassung
- Die Corona-Pandemie hat in diesem Jahr viele andere Themen in den Hintergrund gedrängt. Darunter auch die Viruserkrankungen HIV.
- Rund 38 Millionen Menschen weltweit leben am heutigen Welt-Aids-Tag mit einer Infektion. Viele erleben im Alltag Diskriminierung.
- Dagegen will die Initiative "#positivarbeiten" der Aidshilfe vorgehen.
- Mehr als 70 österreichische Unternehmen haben sich bereits daran beteiligt und wollen Vorbild im Umgang mit HIV-positiven Menschen im Arbeitsleben sein.