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Party in der Nacht? Luxus-Fähre vs. Fernfahrer-Paradies

Zeitmäßig trennen die Fährenstrecken Helsinki-Stockholm und Stockholm-Danzig nur zwei Stunden. Doch während erstere lange Zeit als Partyboot bekannt war, ist letztere eine Ankunftsstelle für Fernfahrer. Auf beiden Schiffen tummeln sich Menschen, doch die Stimmung könnte nicht unterschiedlicher sein. Womit muss man bei einer Nacht auf einer Fähre rechnen?

19 Stunden dauert die Überfahrt vom schwedischen Nynäsham bis ins polnische Danzig. Die Fähre sieht man schon aus der Weite, sie ist ein beeindruckendes Gefährt – bis man überhaupt auf die Höhe für den Einstieg kommt, muss man zwei ganze Stockwerke nach oben.

In der Eingangshalle empfängt einen eine einladend aussehende Rezeption, der Rest des Schiffs hat einen eher altertümlichen Charme.

Video: Physik-Konferenz auf der Fähre

Auf einem großen Schild wird das Duty-Free-Geschäft mit "Your unlimited luxury Shopping" beworben. Ins Auge sticht das Plakat nur, weil es so viel Platz einnimmt, sonst ist es eine graue Schrift auf weißen Hintergrund. Alles wirkt ein wenig so, als hätte es seine besten Jahre bereits hinter sich.

Galerie: So sieht es auf der Fähre nach Danzig aus

Karaoke auf der Luxus-Fähre

Schon hier wird der Kontrast zur finnischen Silja Linie, die von Helsinki nach Stockholm fährt, deutlich. Dort erwartet einen beim Eingang praktisch eine Flughafen-Halle. Auf einem zentralen Gang reihen sich Geschäfte, Restaurants, Bars und sogar ein Casino. Am Abend treten Bands oder etwa eine Drag Queen auf.

Als Gast ist man hier meist Zuschauer:in, einzige Ausnahme: Eine kleine Karaoke-Ecke in einer der Bars.

Dort melden sich immer wieder dieselben Leute mit Songs an, die Wünsche nimmt eine Offizierin an. Zwei junge Mädchen liefern innerhalb weniger Minuten mehrere Hits, die Offizierin wippt im Takt mit. Die Stimmung ist ausgelassen, nach jeder Performance wird laut geklatscht.

Galerie: Die Fähre nach Stockholm in Bildern

Auch als die Karaoke-Bar schon geschlossen hat, gibt es genug andere Orte, die offen bleiben. Früher ist die Fähre als Partyschiff bekannt gewesen. An Schlaf sei nicht zu denken gewesen - zu viele Gäste hätten die ganze Nacht ausgelassen gefeiert, wird uns erzählt.

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Jetzt sind die Restaurants zwar noch voll mit Menschen, die scheinen aber in ihren eigenen Grüppchen zu bleiben. Der Lautstärke-Pegel ist überschaubar, in den Zimmern selbst hört man maximal die Musik der Bar.

Video: Flo Danner in Schweden

Grill-Bar statt Spritzer

Natürlich bietet auch die polnische Fähre Entertainment, wenn aber auch von etwas rustikalerer Natur. Am Sonnendeck gibt es hier keinen Aperol Spritz, sondern eine Grill-Bar mit einer breiten Auswahl an Bier-Sorten.

Der Griller ist beachtlich, muss aber trotzdem konstant mit fleischlichen Köstlichkeiten beladen werden. Wenn es wieder Würstel mit Semmel und Gurkerl gibt, ruft eine Kellnerin quer übers Deck, dass Nachschub da ist. Schon setzen sich mehrere Männer in Bewegung, auf Papptellern bringen sie ihr Essen zurück zu den Picknicktischen.

Die Preise sind überschaubar, auf der Fähre nach Stockholm muss man da deutlich tiefer in die Tasche greifen. An Deck sind vorwiegend Männer, trotz des Windes tragen sie nur Shorts und T-Shirts. Erst als der Nebel so dicht wird, dass die Fenster aussehen, als hätte man die Jalousien heruntergelassen, wandern sie in den Innenraum.

Verlassener Nachtclub

Auf der polnischen Fähre ist deutlich weniger los als auf der finnischen. Zwar gibt es einen "Nachtclub", der ist aber auch spätabends schlecht besucht. Dennoch bilden sich hier mehr Gruppen, schnell wird klar, dass sie hauptsächlich aus Fernfahrern bestehen.

Dass sie das Hauptpublikum der Fähre sind, zeigt sich an den zahlreichen Schildern, auf denen "only for lorry drivers" steht – Zutritt nur für Truck-Fahrer. In der Cafeteria oder im Restaurant haben sie eigene Bereiche. 

Die Fahrer bleiben unter sich, abends sitzen sie in einer der Cafeterien und spielen Karten. Viele dürften sich kennen und die Reise öfter antreten.

Video: Flo Danner in Finnland

Der Wunsch nach dem Partyboot

Vor zehn Jahren habe die Überfahrt noch anders ausgesehen, erzählt ein Kellner. Er arbeitet im Nachtclub und wünscht sich sichtlich die volle Fähre von damals zurück. Nun seien oft nur mehr um die 200 Leute an Bord, obwohl rund 1.000 Platz haben.

Immer mehr Menschen würde die Strecke nach Danzig fliegen, das sei billiger, erklärt er schulterzuckend. Für die Truck-Fahrer ist das aber keine Option. Nur die Fähre erlaubt es ihnen, ihre Fahrzeuge mitzunehmen. Bei der Ankunft in Danzig rollen Dutzende Lkw vom untersten Deck.

Aussterben dürfte diese Art der Überfahrt nicht, wenn etwa Tourismus-Gruppen kämen, dann sei es voller, betont der Kellner. Um die Tanzfläche zu füllen, bräuchte es aber deutlich mehr Gäste.

Während man auf der finnischen Fähre froh ist, dass man die harten Partyzeiten hinter sich gelassen hat, wünscht man sie sich hier zurück. Der Kellner wäre wohl besser bei der Karaoke-Bar auf der finnischen Fähre aufgehoben. 

ribbon Zusammenfassung
  • Zeitmäßig trennen die Fährenstrecken Helsinki-Stockholm und Stockholm-Danzig nur zwei Stunden.
  • Doch während erstere lange Zeit als Partyboot bekannt war, ist letztere eine Ankunftsstelle für Fernfahrer.
  • Auf beiden Schiffen tummeln sich Menschen, doch die Stimmung könnte nicht unterschiedlicher sein.
  • Wie läuft eine Nacht auf einer Fähre überhaupt ab?