25 bis 30 Kilometer zu Fuß: Wenn die EGS observiert
Wer Beamter bei der Einheit sein will, muss auch viel kriminalistischen Spürsinn und Talent beim Zugriff auf Verdächtige mitbringen und teamfähig sein, denn Einzelgänge gibt es nicht. Die Ermittlerinnen und Ermittler sind de facto Kriminalitätsallrounder. Die EGS in Wien besteht aus vier Einsatzgruppen mit jeweils 20 Ermittlern Sollstärke. Zwei Gruppen beschäftigen sich mit der Drogenkriminalität, die anderen beiden mit dem Eigentumsbereich. Wobei die landläufige Meinung in der Öffentlichkeit dahin geht, dass die Eigentumsgruppen nur hinter Einbrechern her sind. Ein unzutreffendes Bild: Die Palette der Delikte reicht von Taschendiebstahl über Einbrüche, Betrügereien bis hin zum Straßenraub.
Eigentlich begann die Tätigkeit der EGS im Eigentumsbereich auch mit den Taschendieben. In der Wiener Innenstadt gab es 2003 ein veritables Problem mit den in dieser Kriminalitätssparte Tätigen. Ein alteingesessener Privatdetektiv war der einzige damals, der sich dem Thema systematisch widmete. "Der Herr ist dann mit uns Streife gegangen", schilderte Steiger. Zu jenem Zeitpunkt war die EGS noch ein Provisorium. "Wir haben um unsere Existenz gekämpft", sagte Oberst Wolfgang Preiszler, von Beginn an Leiter der Einheit. Oft gehörte Frage sei damals gewesen: "Und was tut ihr eigentlich?"
Die Erfolge der Ermittlerinnen und Ermittler rechtfertigen für sie selbst den Aufwand. Von 35 bis 40 Einbrüchen pro Tag in Wien bei der Gründung der EGS im Jahr 2003 sank diese Zahl auf fünf bis zehn derzeit. Seit Beginn ihrer Tätigkeit 2003 hat die EGS laut Wiener Polizei im Eigentumsbereich 3.966 Verdächtige festgenommen. 98 Prozent dieser Verdächtigen kamen auch in Untersuchungshaft.
Gegen Einbrecher erlebte die EGS eine ihrer anstrengendsten Zeiten im Kampf gegen georgische Tätergruppierungen, die bis etwa 2010 in ganz Europa aktiv waren. Mit der länderübergreifenden "Operation Java", bei der die Organisatoren der Gruppierungen aus dem Verkehr gezogen oder zumindest zur Flucht gezwungen wurden, mussten diese Verbrecherbanden ihre Tätigkeit größtenteils einstellen. Für die EGS waren die Aktionen gegen diese Gruppierungen immer sehr risikoreich: "Die eigentlichen Täter hatten meist ein Problem: Drogensucht oder Alkohol", erzählte Steiger.
Schon Mitte der 2000er-Jahre waren die georgischen Tätergruppen streng hierarchisch organisiert. Der Kopf der Organisation saß in Griechenland und wurde knapp zwei Jahre nach der eigentlichen "Operation Java" geschnappt. In Österreich wurden bei der Operation im März 2010 insgesamt 25 Verdächtige festgenommen, die zahlreichen erwischten Einbrecher zuvor nicht mitgerechnet. Viele dieser Festnahmen gingen auf das Konto der EGS. Die hatte zum Aufklärungserfolg einen weiteren Benefit: Erkenntnisse. "Seit 2005 bis heute ist es ein ständiges Lernen", betonte EGS-Ermittler Thassilo Stöller.
Im Zuge dieses Lernprozesses fanden die Ermittler auch heraus, wie arbeitsteilig und zielgerichtet die Täter vorgingen. Die Einbrecher kamen erst kurz vor der Tat zusammen und bewegten sich möglichst getrennt zu den Tatorten. Auch danach zerstreuten sie sich so schnell wie möglich in alle Winde. Wurden sie erwischt, hatte die Organisation eigene Prozessbeobachter, die in den Verhandlungen saßen und aus den Aussagen der Polizisten versuchten, weitere Erkenntnisse über das Vorgehen ihrer Widersacher zu erlangen. Gegenobservation - also dass die Kriminellen die Ermittler beobachteten - war ein weiteres Thema.
"Unser Gegenüber unternimmt alles, um nicht aufzufallen", betonte der Chefinspektor. Über das Darknet werden Hotelzimmer gebucht, die Einbrecher kommen mit falschen Pässen. Auf dem Weg zum Tatort tun sie, "als würden sie nicht zusammengehören". Sie gehen in den Straßen versetzt, oft auf verschiedenen Straßenseiten. Die EGS-Fahnder können sie dennoch nur selten täuschen. "Man bekommt ein Gespür dafür. Wenn zum Beispiel ein wie ein Tourist aussehender Mensch kein touristisches Verhalten an den Tag legt, sich stattdessen dauernd umdreht und sich auffallend für Gegensprechanlagen interessiert, ist das auffällig", sagte der Ermittler.
Die Ermittler räumte mit einem medial oft verbreiteten Mythos auf: Sogenannte Gaunerzinken, also eingeritzte Zeichen bei Haus- und Wohnungstüren, mit denen Verbrecher angeblich kommunizieren, "habe ich im Einbruchsbereich noch nie gesehen", sagte Stöller.
Der Lernprozess beinhaltet auch, wieder auf neue Modi Operandi zu stoßen. Erst Anfang April erwischten die EGS-Fahnder zwei Mädchen, elf und 15 Jahre alt, als Einbrecherinnen. "Die sind in Kroatien in Camps ausgebildet worden. Die Wohnungen haben sie ziemlich brachial aufgebrochen", schilderte Steiger.
Die Spezialität der EGS-Gruppen sind Festnahmen ohne vorherige Ermittlungsergebnisse. Das geht nur mit sehr guten Analysetools, unter anderem mit dem seit Jahren im Betrieb befindlichen Sicherheitsmonitor, der den Polizisten ein genaues Lagebild der angezeigten Straftaten vermittelt. "Das ist das erste, was die Kollegen in der Früh machen: in den Sicherheitsmonitor hineinschauen", erzählte Preiszler. Auf die Analyse folgt die Besprechung. Dabei wird entschieden, was die EGS-Beamten an diesem Tag genauer unter die Lupe nehmen.
Im Regelfall haben die EGS-Polizistinnen und -Polizisten das Ziel, Täter auf frischer Tat zu ertappen. Das ist aber abhängig vom Delikt: "Wir werden etwa, wenn ein Bankanschluss-Räuber eine ältere Frau im Visier hat und sie verfolgt, das Opfer nicht in Gefahr bringen", betonte Stöller. In diesem Fall erfolgt der Zugriff früher. Gerade solche Taten zu klären und die Urheber einzusperren, gibt den Polizisten ein gutes Gefühl. Ein Beispiel dafür war die Klärung mehreren Raubüberfälle auf betagte Frauen, die im Anschluss an deren Bankbesuche im Frühjahr 2007 verübt worden waren. Eines der Opfer war damals an einem Oberschenkelbruch gestorben, den es sich bei einem Überfall zugezogen hatte. Die EGS schnappte einen 18-Jährigen, der für die Serie verantwortlich war. 2012 klärten die Ermittler eine Serie von Wohnungsüberfällen auf betagte Frauen.
Auch internationale Zusammenarbeit ist ein Thema für die EGS: So machte etwa das FBI 2019 darauf aufmerksam, dass vier chilenische Staatsbürger auf dem Weg nach Wien seien, um Einbrüche zu verüben. Steiger: "Vom Flughafen an haben wir sie observiert." Das ging vom Zusammentreffen in einer Favoritner Pension über den gemeinsamen Handschuhkauf bis zur Endstation in Hietzing, wo die Fahnder dem Treiben ein Ende setzten und die Bande auf frischer Tat hochnahmen, unter heftiger Gegenwehr und mit Tasereinsatz. "Es ist nicht immer lustig", sagte Steiger. Aber der Erfolg sorge für die Motivation.
Pausen gibt es für die EGS-Ermittler nicht. Allein heuer haben die beiden mit Eigentumsdelikten befassten Gruppen 42 Verdächtige erwischt. Serien-Einbrecher, Trickdiebe, falsche Polizisten, Bankanschlussräuber und Taschendiebe waren darunter. "Das Verbrechen stirbt nicht aus", sagte Steiger. 799 Wohnraumeinbrecher haben die EGS-Fahnderinnen und -Fahnder seit Bestehen bis Ende der Kalenderwoche 15 im heurigen Jahr auf frischer Tat ertappt. Sie rechnen damit, dass noch einige dazukommen werden.
Zusammenfassung
- Wenn es gegen Diebe, Einbrecher und Betrüger geht, müssen Beamte der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) gut per pedes sein.
- "25 bis 30 Kilometer legen wir pro Tag bei Observationen zu Fuß zurück", erzählte Chefinspektor Johannes Steiger, Leiter einer der beiden EGS-Gruppen im Eigentumsbereich, der APA, die sich die Arbeit der Einheit angesehen hat.
- "Der Herr ist dann mit uns Streife gegangen", schilderte Steiger.