Karners Weltblick: Ukrainische Diplomatie feiert Erfolge
Eben hatte der russische Präsident Wladimir Putin noch große Mühe, den afrikanischen Staats- und Regierungschefs beim Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg die russische Position, vor allem die Verhinderung der ukrainischen Getreideexporte durch Russland, zu erklären, schon setzt die Ukraine eigene diplomatische Schritte, möglichst viele Staaten von ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen.
Gemeinsam mit Saudi-Arabien hatte es am vergangenen Wochenende zu einem Treffen im saudischen Dschidda eingeladen, mehr als 40 Länder leisteten der Einladung Folge. Diese bildet offenbar einen wesentlichen Bestandteil einer diplomatischen Offensive der Ukraine, mit Beginn im Vorfeld der UNO-Generalversammlung im September sich auch bei jenen Staaten um zumindest passive Unterstützung zu bemühen, die bislang eine neutrale bis eine gegenüber Russland freundliche Haltung eingenommen hatten.
Saudi-Arabien als Friedensvermittler?
Das Veranstalterland war dabei schlau gewählt: Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman ist bestrebt, auf der Weltbühne als Staatsmann wahrgenommen zu werden, dies stärkt auch seine Position im Inneren. Es geht ihm aber auch darum, Saudi-Arabien eine prominente Stellung als Friedensvermittler zu verschaffen, als Teil einer globalen und praktisch alle Lebensbereiche umfassenden Kampagne zur Neupositionierung des Landes.
China, ein wichtiger Hebel dieser Kampagne, konnte nach der eben erfolgten Vermittlung eine Annäherung zwischen den Erzfeinden Iran und Saudi-Arabien dieser Einladung wohl kaum eine Absage erteilen. Und damit sahen sich offenbar auch Brasilien, Indien und Südafrika, also die anderen BRICS-Staaten, (Russland, welches nicht eingeladen war, ausgenommen) veranlasst, bei diesen Gesprächen hochrangig präsent zu sein.
Isolation Russlands
Das Ziel der Ukraine ist dabei klar: In Erwartung eines zunehmenden internationalen Drucks für eine Aufnahme von Friedensverhandlungen (und dem damit einhergehenden Einfrieren des Krieges) geht es darum, Verständnis und Akzeptanz für die eigenen Positionen zu erzeugen und Russland damit weiter international zu isolieren. Dies scheint für die Ukraine neben der Sicherstellung der weiteren materiellen Unterstützung durch westliche Staaten umso wichtiger, als sich kurzfristig kein Ende des Krieges abzeichnet.
Und glaubt man den dürren Informationen, die aus den Gesprächen, die hinter verschlossenen Türen geführt wurden, durchdringen, so dürfte dies im Wesentlichen auch gelungen sein. Auch wenn dies nicht bedeutet, dass alle dabei vertretenen Länder nunmehr Partei für die Ukraine ergreifen oder diese ab sofort materiell unterstützen würden, konnten offenbar essenzielle ukrainische Bedingungen für eine Aufnahme von Friedensverhandlungen außer Streit gestellt werden.
Erfolg für die ukrainische Diplomatie
So soll etwa Einigkeit darüber geherrscht haben, dass eine friedliche Lösung des Konflikts nur auf Basis der territorialen Unversehrtheit der Ukraine in den Grenzen von 1991 in Frage kommt, was de facto einer Forderung nach einem Truppenabzug Russlands aus den besetzten ukrainischen Gebieten gleichkommt. Dies stellt nur einen von mehreren Schlägen ins Gesicht Russlands im Kontext dieser Konferenz dar.
Im Vorfeld soll Brasilien eine Einladung auch Russlands angeregt haben (eigentlich ist das allein bereits ein Prestigeverlust Moskaus), dies wurde aber von den anderen Teilnehmerstaaten offenbar abgelehnt. Ein klarer Erfolg der ukrainischen Diplomatie, die damit ihre Sicht der Dinge ungestört durch eine zu erwartende russische Obstruktion präsentieren konnte. Saudi-Arabien wird nunmehr Russland von den Ergebnissen der Gespräche in Kenntnis setzen. Und, potenziell besonders bedeutsam, es soll vereinbart worden sein, diese fortzusetzen, möglicherweise auch in kleineren Gruppen, in denen spezifische Aspekte der ukrainischen Positionen angesprochen werden sollen.
Erste Reaktionen Russlands
Nun bedeutet dieses Konferenzformat nicht, dass der Krieg dadurch rasch ein Ende finden wird. Das zeigte auch die erste Reaktion des russischen Ex-Präsidenten und Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrates Russlands, Dimitri Medwedew, indem er meinte "der Feind" müsse "auf die Knie fallen und um Gnade bitten", damit Russland in Friedensverhandlungen eintreten würde.
Aber es ist nicht auszuschließen, dass die ukrainisch-saudische Initiative den Beginn eines Prozesses darstellt, an dessen Ende ernsthafte Verhandlungen über einen Frieden mit einer russischen Führung stehen, deren politische Ziele auf einer realistischen Einschätzung der Weltlage und der eigenen Möglichkeiten beruhen.
Ukrainische Angriffe
Dass dies derzeit eher nicht der Fall ist, darauf deutet auch der aktuelle Kriegsverlauf hin. Dabei gelang es den ukrainischen Streitkräften in der vergangenen Woche neuerlich, mit Drohnen kritische Infrastruktur in Russland anzugreifen und zu beschädigen. Mehr noch, ein russischer Öltanker und ein großes amphibisches Landungsschiff wurden durch Seedrohnen schwer beschädigt.
Potenziell für den unmittelbaren Kriegsverlauf noch bedeutsamer, werden die in Südukraine eingesetzten russischen Truppen durch die Zerstörung von Brücken immer stärker von einer Versorgung über die Halbinsel Krim abgeschnitten, die Krim selbst immer mehr isoliert.
Offenbar will die ukrainische Streitkräfteführung ihre Kräfte nicht mehr in massiven Angriffen gegen durch Minenfelder und Befestigungen geschützte Stellungen verschleißen, sondern hält diese unter Druck, verhindert eine Rotation dieser Kräfte, beraubt sie durch weitreichende Schläge zunehmend der Artillerie und schneidet sie von der Versorgung ab, um schließlich in weiterer Folge gegen einen abgenutzten und ermüdeten Gegner die eigenen Hauptkräfte in weitgehend entminte Räume zum Angriff antreten zu lassen.
Krieg wird noch länger dauern
Nun nimmt ein derartiges Verfahren naturgemäß mehr Zeit in Anspruch, als viele Beobachter angenommen haben, ist aber für die zahlenmäßig unterlegene Streitmacht die sinnvollere Variante einer Offensive. Der Krieg wird daher aller Voraussicht nach länger dauern, als viele erwartet und die meisten erhofft hatten. "It's not a sprint, it's a marathon", wie es ein ukrainischer Offizier einem Reporter der New York Times gegenüber zum Ausdruck brachte.
Und genauso, wie Ukraine auf diplomatischem Weg einen wesentlichen Pfeiler seiner Stärke, die Unterstützung durch Partnerstaaten, langfristig abzusichern versucht, tut dies auch das Regime von Wladimir Putin: Die Stärke der russischen Streitkräfte besteht nicht zuletzt aus einer zahlenmäßigen Überlegenheit, und diese versucht es durch Erhöhung des Einberufungsalters zum Wehrdienst auf 30 Jahre langfristig abzusichern.
Die Frage ist allerdings, wie lange dies unter Inkaufnahme entsetzlicher Verluste (so die jüngsten Einschätzungen von seriösen Quellen zutreffen) und sinkenden Produktionskapazitäten der Rüstungsindustrie noch erfolgversprechend sein kann.
Zusammenfassung
- Nach dem Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg lud die Ukraine zu ihrem eigenen Treffen ein.
- Gemeinsam in Saudi-Arabien veranstaltete sie vergangenes Wochenende eine Konferenz.
- Selbst Staaten, die Russland gut gesinnt sind, nahmen daran teil.