Gerald Karner WeltblickPULS 24

Karners Weltblick: Die China-Russland-Allianz wird nicht kommen

Gerade hatten manche "westliche" Medien nach dem Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Moskau noch das Gespenst einer drohenden Allianz zwischen China und Russland an die Wand gemalt. Schneller und deutlicher hätten die beiderseitigen Demonstrationen einer Absage an allzu enge Bindungen – um dies vorsichtig auszudrücken – nach Ende des Besuchs allerdings kaum ausfallen können.

Während China – offensichtlich ohne dies mit Russland zu koordinieren – zu einem Treffen mit zentralasiatischen Staaten – einem Raum, in dem Russland eigentlich eine Vormachtstellung beansprucht – lud, kündigte Moskau die Stationierung von taktischen Nuklearwaffen in Belarus an. Eben hatte man noch in einer gemeinsamen Erklärung einer Stationierung von Nuklearwaffen außerhalb des eigenen Territoriums eine Absage erteilt, schon strafte man dieses Bekenntnis Lügen.

Es gibt dafür nur wenige plausible Deutungen: Zum einen könnten die chinesischen Unterstützungszusagen dem Regime von Wladimir Putin nicht weit genug gegangen sein. Zum anderen dürfte Putin bestrebt sein, den Anschein einer strategischen Abhängigkeit von China zu konterkarieren. Faktum ist jedenfalls, dass beide Seiten mit ihren Maßnahmen klarstellen, dass sie auch weiterhin primär im eigenen Interesse zu handeln gedenken – und dass das nicht zwangsläufig bedeutet, dabei die Interessen des anderen zu berücksichtigen, ja diese vielleicht nicht einmal zu respektieren.

Wie dies in China aufgenommen werden wird, in dem die Vermeidung von Gesichtsverlust nach wie vor besonders bedeutsam ist, bleibt abzuwarten. Die chinesisch-russische Harmonie dürfte sich tatsächlich auf die Gegnerschaft zu den USA beschränken – und selbst dabei nur insoweit wirken, als die jeweiligen nationalen Interessen dabei nicht beeinträchtigt werden. Um es klar zu sagen: Wenn ein gemeinsames Vorgehen der beiden Staaten den nationalen Interessen etwa Chinas zuwider liefe, dann wird es ein solches nicht geben. Und eine nukleare Eskalation ist erklärtermaßen nicht im chinesischen Interesse.

Praktisch keine Souveränität von Belarus

Dies und die russischen Begründungen für die Stationierung von taktischen Nuklearwaffen in Belarus eröffnen aber auch einen Blick auf die innere Befindlichkeit des Putin-Regimes: Auf die Souveränität des Nachbarlandes wird nun keinerlei Rücksicht mehr genommen. Selbstverständlich wird die Kontrolle über diese Waffensysteme Russland vorbehalten sein. Militärisch – und wenn Nuklearwaffen überhaupt im engeren Sinn als "militärische" und nicht politische Waffen zu bezeichnen sind, dann sind es eben taktische – ergibt diese Stationierung gegenüber der NATO keinerlei "Mehrwert", etwa zu jener in der Exklave Kaliningrad. Für einen Angriff auf die (West-)Ukraine würden sich theoretisch die Vorwarnzeiten verringern, allerdings wäre dies auch mit den – von Russland - so hochgelobten russischen Hyperschallraketen zu erreichen.

Und die engere Begründung für die Stationierung – ein Einsatz von panzerbrechender Munition mit einem Kern aus abgereichertem Uran durch die ukrainischen Streitkräfte – stellt eigentlich eine Persiflage militärischer Expertise dar: Die (Experten-)Welt weiß, dass diese Munition passiv Dichte und Gewicht von abgereichertem Uran nützt, um schwere Panzerungen zu durchschlagen und mit Nuklearwaffen, die auf Kernspaltung beruhen, nichts zu tun hat. Es ist nebenbei sehr wahrscheinlich, dass die russischen Streitkräfte selbst seit Beginn der Invasion in der Ukraine derartige Munition nutzen.

Warum also diese neuerliche Scharade des russischen Regimes? Zunächst geht es wieder darum, die westlichen Öffentlichkeiten zu verunsichern und zu ängstigen. Offenbar hoffen die russischen Machthaber immer noch darauf, dass die Drohung mit einem Einsatz von Nuklearwaffen den Westen zu einem Einlenken und zur Aufnahme von Verhandlungen veranlassen würde. Und in diesen Verhandlungen würde dann natürlich die Existenz von Nuklearwaffen auf belarussischem Territorium für Russland eine probate Verhandlungsmasse bilden, eine nicht neue "Logik" Moskaus, die allerdings auf einer Sicht des "Westens" basiert, die sich mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine erübrigt haben sollte.

Immer größere Nervosität

Abseits dieser "rationalen" Überlegungen offenbaren diese Vorgänge aber vor allem eine immer größer werdende Nervosität Moskaus. Während im Donbass pro Woche tausende russische Soldaten fallen, ohne nennenswerte Erfolge auf dem Schlachtfeld zu erzielen, glaubwürdige Quellen davon sprechen, dass die russische Produktion von komplexeren Waffensystemen deren Verluste bestenfalls bis Ende des Jahres ausgleichen kann und die russische Wirtschaft auf Grund der Sanktionen noch in diesem Jahr gewaltige Einbrüche erleiden wird, bereitet sich die Ukraine auf eine Offensive zur Wiedergewinnung der verloren gegangenen Territorien vor. Und wie prognostiziert, treffen mit Ende des 1. Quartals auch die ersten Kampfpanzer westlicher Provenienz in der Ukraine ein, wichtiger noch: mit entsprechend ausgebildeten Besatzungen. Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass in den nächsten Monaten die "Zeitenwende" eine entscheidende und neue Richtung nehmen kann.

Zurück nach Asien: Japan, nach dem 2. Weltkrieg viele Jahrzehnte lang mehr als zurückhaltend in der Ausgestaltung seiner "Selbstverteidigungskräfte", zieht die Konsequenzen aus der Erstarkung Chinas und seiner Aufrüstung: Es wird seine Verteidigungsausgaben in den nächsten fünf Jahren um 60 Prozent anheben, wodurch das Land das dritthöchste Verteidigungsbudget aller Staaten der Welt aufweisen dürfte. Und es wird militärische Ausbildungsübungen gemeinsam mit US-Kräften auf der Insel Tinian durchführen. Tinian ist Teil der Nördlichen Marianen und ein symbolischer Ort: Von dort aus erfolgten 1945 die Atombombenangriffe der USA auf Hiroshima und Nagasaki. Entsprechende Bedenken wischte ein hoher japanischer Kommandant jedenfalls vom Tisch: "Wir sorgen uns nicht um die Vergangenheit, wir sorgen uns um die Zukunft. Stabilität können wir sicherstellen, indem wir Stärke zeigen." Auch in Asien dürfte die Zeitenwende angekommen sein.

ribbon Zusammenfassung
  • Gerade hatten manche "westliche" Medien nach dem Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Moskau noch das Gespenst einer drohenden Allianz zwischen China und Russland an die Wand gemalt.
  • Doch bereits kurz darauf zeigt sich, dass es sie so nie geben wird, meint Kolumnist Gerald Karner.