Unlust vs. Ungerechtigkeit: Sie wollen Sex? Spülen Sie ab!
"Aber deiner ist doch ein Guter, oder?" - "Ja, er räumt die Spülmaschine aus und hilft im Haushalt mit." Drei Frauen mit Strähnchenfolien auf dem Kopf nicken wissend und augenrollend – und ich frage mich, wie niedrig die Messlatte eigentlich sein kann.
Und dann auch wieder nicht: Forscher*innen aus Australien und Kanada bestätigten in einer neuen Studie nicht nur, was sich die Foliensträhnchen-Gang sich beim Einwirken schon denken konnte: es gibt sehr viele Männer, die sich in heterosexuellen Paarbeziehungen quasi in Kleinkinder verwandeln – sondern schlussfolgerte auch: Frauen, die mit diesen Kleinkindmännern zusammen sind und ihnen permanent hinterherputzen, vermelden einen deutlich verminderten Sexualtrieb.
Na Bumm. "Keine Zeit", den Müll mit runter zu nehmen, "nicht gesehen", dass man mal den Abwasch machen könnte, "vergessen", wo das Putzzeug aufbewahrt wird, oder ein generelles "du kannst das einfach so viel besser" ist also kein Verhalten, das dazu führt, dass sie ihm lüstern seufzend die Klamotten vom Leib reißt? Damit hätte jetzt wirklich niemand rechnen können.
"Weaponized Incompetence" nennt man das auch, die (vermeintliche) Inkompetenz als Waffe – und sie betrifft natürlich nicht nur Kleinkindmänner, sondern auch andere Menschen, die, naja, ganz gern mal was delegieren und dafür spitzenmäßige Begründungen finden. Aktuelle Studien zeigen aber auch: Frauen leisten zehn Stunden unbezahlte Arbeit pro Woche mehr als Männer – nämlich 26 Stunden, in denen sie putzen, kochen, Kinder oder alte Menschen betreuen und sich um die Wäsche kümmern. Ungerecht verteilte Care-Arbeit ist einer der Hauptgründe, warum Frauen deutlich öfter die Scheidung einreichen als Männer.
Und in diesem systemischen Kontext sieht auch die Sache mit der Unlust gleich anders aus. Dr. Emily Harris, eine der Co-Autorinnen der Studie kommentiert die Forschungsergebnisse im VICE Magazine: "Es gibt einige unausgesprochene Annahmen über den weiblichen Sexualtrieb. Eine davon ist, dass eine niedrige Libido von individuellen Faktoren wie Hormonen und Stress ausgelöst wird, oder von generellen Faktoren wie Konflikt und Unzufriedenheit."
Hormone, Stress, Konflikte: das klingt natürlich deutlich diffuser und ist somit auch leichter wegzuschieben, als: Frauen sind abgeturnt und angepisst, weil sie sich um alles kümmern sollen und ein (weiteres) Kind bekommen haben, als sie einen Partner auf Augenhöhe wollten. Möglicherweise braucht es ein bisschen mehr als ne halbe Stunde Me-Time für die Mama in der Badewanne und Self-Care mit regelmäßigen Atemübungen.
Strukturelle Ungerechtigkeit anzugehen klingt natürlich erst mal nicht so sexy, kann sich aber mittelfristig sehr lohnen – zur Inspiration könnte man zum Beispiel mal gemeinsam die 119 unterschiedlichen Aufgaben im Haushalt checken, die in der Studie erhoben wurden, kategorisiert in: Finanzen, Planung des Soziallebens, Kleidung, Essen, Gartenarbeit, Haustiere, Auto, Instandhaltung des Hauses, Generelles Management, Kinderbetreuung, Diskussionseröffnung, andere Menschen kontaktieren. Oder einfach direkt anfangen – die Spülmaschine räumt sich nämlich auch nicht von alleine aus.
Theresa Lachner ist systemische Sexualberaterin und Gründerin des größten deutschsprachigen Sexblogs LVSTPRINZIP sowie des gleichnamigen Podcasts und Buchs.
Quellen
https://www.vice.com/en/article/88q3qk/man-child-scientific-term-new-research
Zusammenfassung
- Von wegen trockene Zahlen.
- PULS 24 Kolumnistin Theresa Lachner bringt zusammen, was zusammen gehört: Sex und Statistik.