Der ÖVP-Bad-Boy als Kuschel-Monster
Er nimmt seit Wochen einen Keller-Platz in Sympathie-Rankings ein. In Zusammenhang mit seinem Namen hagelte es nur noch Negativ-Schlagzeilen. Wolfgang Sobotka sonnte sich in den vergangenen Monaten zunehmend in der Hauptrolle des schwarzen “Bad Boys”.
In den letzten Wochen des vergangenen Jahres hat Sobotka ohne große Ankündigung die Notbremse gezogen. Er suchte, wo immer es ging, die selbstgewählte Rolle abzustreifen wie einen heillos verschmutzten Anzug.
Die ersten Anzeichen waren nur für besonders aufmerksame Beobachter wahrnehmbar. Im ÖVP-Korruptionsausschuss ließ sich Sobotka als Ausschuss-Vorsitzender immer öfter durch seine PräsidentInnen-Kollegen vertreten.
Provokationen über Nacht auf Pause
Der streitbare Nationalratspräsident stellte über Nacht alle Provokationen im und rund um den U-Ausschuss ein. Keine Wortgefechte mit den Fraktionsführern von SPÖ und Neos, Kai Jan Krainer und Stephanie Krisper, um die Zulässigkeit von Fragen mehr. Die durchsichtigen Bremsmanöver der ÖVP-Mandatare, um parteinahe Auskunftspersonen unbeschadet durch die Befragungen zu bringen, gingen ohne Sobotkas tatkräftiges Zutun über die Bühne.
Die Image-Notbremse hat einen simplen Hintergrund. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner schickte im November langjährige Vertraute Sobotkas mit der Botschaft zu ihm aus: Der 67-Jährige solle sich öffentlich massiv einbremsen und seinen Rückzug aus der Politik ankündigen und so seinen Gegner in- und außerhalb der ÖVP Wind aus den Segeln zu nehmen.
Mikl-Leitner lässt Sobotka rote Karte überbringen
Nicht seine fragwürdige Rolle im U-Ausschuss, sondern der von Sobotka höchstpersönlich für das Parlament georderte vergoldete Bösendorfer-Flügel hatte nachhaltig für Missstimmung gesorgt. Die monatlichen 3000 Euro als Klavier-Miete in Zeiten, in denen sich viele Menschen mit monatlich weitaus weniger Geld immer weniger leisten können - das ist ein Turbo, der eine drohende Wahlniederlage der ÖVP-Niederösterreich zu einem Wahldesaster zu machen drohte.
Die unmissverständliche Botschaft aus der NÖ-ÖVP an Wolfgang Sobotka: Das Zeichen der Einsicht solle noch vor den NÖ-Landtagswahlen erfolgen, mit dem tatsächlichen Rückzug könne er sich notfalls auch bis Ende des Legislaturperiode Zeit lassen. Denn mehr Druckmittel, als ihn bei der kommenden Wahl nicht mehr an wählbarer Stelle zu kandidieren zu lassen, hat auch die mächtigste Frau in der ÖVP gegenüber dem ÖVP-Nationalratspräsidenten nicht.
Sobotka quittiert Rückzugs-Druck mit Reuezeichen: "Ich habe meine Lektion gelernt"
Der ÖVP-Nationalratspräsident kündigt weder das eine noch das andere an, sondern quittiert die rote Karte der NÖ-Landeshauptfrau Sobotka-like: Eigenwillig, aber mit einem sowohl für Partei-Insider als auch für Außenstehende überraschenden Zugeständnis. “Ich habe meine Lektion gelernt”, proklamiert der Nationalratspräsident jüngst öffentlich. Rund um den wohlinszenierten Wiedereinzug ins Hohe Haus am Ring überrascht Wolfgang Sobotka zudem mit moderaten, für seine Verhältnisse beinahe staatsmännisch klingenden Tönen.
Bihänder gegen Bures bleibt im Sack
Auf die von seiner Kollegin Doris Bures in ihrer Rede zur Parlaments-Wiedereröffnung unverhohlen geäußerte Kritik an seinen eigenmächtigen Entscheidungen beim Parlamentsumbau reagiert er etwa postwendend mit Verständnis und Einsichtswillen. Noch vor Wochen hätte er den Bihänder aus dem Sack geholt. Er werde sich, ließ Wolfgang Sobotka in TV-Interviews im Faserschmeichler-Ton wissen, künftig generell verstärkt der Konsens- und Kompromiss-Suche verschreiben.
Generalsanierung des Politik-Vertrauens bleibt auch im neuen Parlament eine Baustelle
Die Feiern rund um die Eröffnung des generalsanierten Parlaments sind für alle Beteiligten durchaus erfolgreich über die Bühne gegangen. Die Generalsanierung des Vertrauens in die Politik lässt freilich weiter auf sich warten.
Wolfgang Sobotka steht stellvertretend für das öffentliche Bild der ÖVP. Mit sturem Bestemm und null Selbstkritik hatte er sich über Monate als ÖVP-Minusmann immer tiefer im schwarzen Loch eingegraben. Jetzt sucht er sich mit reumütigen Ansagen da wieder rauszuziehen: "Vielleicht sollten wir vieles länger diskutieren." Noch sind es bei Wolfgang Sobotka nur Gesten des guten Willens – aus der Not geboren, die eigene Haut in der ÖVP zu retten und nicht zum Sündenbock der Wahlniederlage der ÖVP-Niederösterreich zu werden.
Für Wolfgang Sobotka, die ÖVP und die Politik generell gilt: Für eine nachhaltige Sanierung des Vertrauens braucht es mehr als ein paar wohlklingende Ankündigungen und unerwartet freundliche Gesten.
Josef Votzi ist Journalist und Kolumnist des Magazins "Trend": Seine wöchentliche Kolumne "Politik Backstage" jeden Freitag neu auf trend.at
Zusammenfassung
- "Mister Goldklavier" Wolfgang Sobotka zieht die Skandal-Notbremse.
- Um nicht zum Sündenbock für die ÖVP-Wahlniederlage in Niederösterreich zu werden, gelobt der Nationalratspräsident plötzlich Besserung.
- Das allein wird nicht reichen, um die eigene Haut und die der ÖVP zu retten.