Am Puls der Politik: Von Kickl lernen?!
Das Gespräch kreiste um den Russland-Feldzug in der Ukraine und dessen die wirtschaftliche und politische Folgen - von der Teuerungs-Welle bis zum Rückenwind für Rechtspopulisten. Ein Thema beschäftigt den Gesprächspartner, einen in der SPÖ gut verwurzelten, aber pragmatischen und durchaus einflussreichen Funktionär, derzeit besonders. Er sieht die Ausweitung der Waffenlieferungen und damit wohl auch des Krieges vor Europas Haustür kritisch und würde sich dringendst Bemühungen um eine Lösung des Konflikts ohne weitere Opfer auf dem Schlachtfeld in der Ukraine wünschen.
Damit könnten, glaubt er, nicht nur zusätzliche schwere wirtschaftliche Verwerfungen, sondern auch weitere politische Windfall-Profits für die FPÖ verhindert werden.
SPÖ-Mann: "Warum fühle ich mich nur durch Kickl vertreten?"
Den SPÖ-Mann in der zweiten Reihe der roten Spitzen-Hierarchie empört im Moment zudem eines: "Wie komme ich dazu, dass ich mich mit meinem Wunsch nach Friedens-Initiativen in Österreich derzeit nur durch Herbert Kickl vertreten fühle?"
Der SPÖ-Gefolgsmann ist im aktuellen Frontverlauf zwischen Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil keinem der beiden Lager zuzuordnen. Am ehestens jenem, in der Sozialdemokratie immer größer werdenden, das sich einen Spitzenkandidaten jenseits von "Pam" und "Dosko" wünscht.
Die Gemengelage in Sachen Ukraine und Russland ist für alle Parteien herausfordernd. Mit einer simplen Kurswende würde die SPÖ in die gleiche Falle tappen wie die ÖVP mit ihrem Asyl-Alarmismus und damit allein auf das Konto der Blauen einzahlen.
Fakt ist aber auch, dass es innerhalb der SPÖ seit Putins Ukraine-Überfall vor einem Jahr eine lebhafte Debatte über den politischen Umgang mit dem Krieg gab und gibt. In der öffentlich schwelenden Debatte darüber spielen Pamela Rendi-Wagner & Co aber bis heute null Rolle.
Neuer Spaltpilz: Russland-Krieg & Teuerung, Sanktionen & Neutralität
Abseits der großen Polit-Bühne machen sich an den Stammtischen aller Art aber längst spannungsreiche Auseinandersetzungen um den Zusammenhang zwischen Russland-Krieg & Teuerung und über die Verträglichkeit von Sanktionen & Neutralität als neuer gesellschaftlicher Spaltpilz breit.
Dieses Megathema wird zu einem der Magnetfelder werden, an dem sich die Wählerpräferenzen vor der kommenden Nationalrats-Wahl noch einmal neu ausrichten. Es ist aber bei weitem nicht das einzige politische Themenfeld, wo sich die kommunikative Spreu vom Weizen trennt.
Ex-SPÖ-Spitzenmann Kalina: Nur Kickl & Meinl-Reisinger können kommunizieren
Der ehemalige Kanzlersprecher, Ex-SPÖ-Bundesgeschäftsführer und erfolgreiche PR-Unternehmer Josef Kalina diagnostizierte jüngst in einem Zib2-Gespräch mit Armin Wolf: Es gibt in Österreich derzeit nur zwei Parteichefs, die breit verständlich kommunizieren könnten - Herbert Kickl und Beate Meinl-Reisinger.
Diesem messerscharfen Befund ist schwer zu widersprechen. Die Probe aufs Exempel liefert das politische Personal in unterschiedlichen Schattierungen täglich aus Neue. Den Blauen kommt dabei zusätzlich die von der ÖVP befeuerte ureigenste Agenda Asyl und Ausländer entgegen. Die Hochkonjunktur von Themen wie Teuerung und Kriegs-Angst könnte von ihrer DNA her vor allem auch der SPÖ in die Hände spielen.
Diese Themenfelder werden skrupellos, aber handwerklich perfekt allein von der FPÖ und zuvorderst von deren Parteichef bespielt. Im Gegensatz zum schillernden Charmeur Jörg Haider oder dem schulterklopfenden Kumpeltyp Heinz Christian Strache hat Herbert Kickl allerdings nicht das Zeug, zusätzlich mit einem persönlichen Sympathie-Bonus zu punkten.
Dennoch ist Herbert Kickl derzeit in der Pole-Position, den generellen Politiker-Frust und die höchstpersönlichen Nöte und Sorgen der österreichischen Wähler am besten zu artikulieren.
Mehr Glaubwürdigkeit ohne personelle Blutauffrischung bleibt Sisyphus-Job
Der blaue Erfolgslauf löst vor allem bei Rot und Schwarz heftige interne Debatten aus. Da wie dort wird intern dringend gewünscht, bei der Glaubwürdigkeit nachzurüsten. Ob und wie das gelingt, wird für die nächsten Wahlgängen spielentscheidend.
Die intern diskutierten Optionen sind so breit wie steil. Käme auch noch jener Schuss Sympathie-Bonus für die jeweiligen Parteichefs hinzu, der Kickl fehlt, dann könnte das Stimmungslage und Stimmwerben neu eröffnen. Dafür müsste es nicht immer und überall zu einem Wechsel an Spitze kommen. Auch eine Neuformation oder Erweiterung des Spitzenteams abseits von PR-Schmähs kann Rückenwind auslösen.
Eines ist aber aus jedem Blickwinkel sicher: Erneuerte persönliche Glaubwürdigkeit und die Courage, auch die heißen Themen anzusprechen, sind unumgänglich, um nicht weiter hilflos wie das Kaninchen auf die blaue Schlange zu schauen. Ohne eine personelle Blutauffrischung wird das ein Sisyphus-Job bleiben.
Josef Votzi ist Kolumnist des Magazin "Trend" und Kommunikationsberater (www.linkedin.com/in/josef-votzi)
Seine wöchentliche Kolumne "Politik Backstage" jeden Freitag neu auf trend.at
Zusammenfassung
- Der blaue Erfolgslauf löst bei Rot und Schwarz heftige interne Debatten aus.
- Ohne mehr Courage, brennende Fragen offen anzusprechen, und eine personelle Blutaufrischung, drohen SPÖ und ÖVP im Spitzen-Duell Außenseiter zu bleiben, meint Josef Votzi.