Am Puls der Politik: Der Schwurbelkönig spricht Klartext
Die Szene ging im Schlachtenlärm um überhörte Zwischenrufe, eine lähmend lange Sitzungsunterbrechung und ein Bündel von folgenlosen Ordnungsrufen unter. Zurück blieb in Wort und Bild die Message: Österreichs Volksvertreter schaffen es auch im frisch renovierten Prachtbau nicht, zum 1. Jahrestag des Überfalls Russlands auf die Ukraine eine hörens- und sehenswerte Parlamentsdebatte über die Bühne zu bringen.
Den spektakulärsten Auftritt legte so ein Politiker abseits der breiten Wahrnehmung hin. Werner Kogler, Vizekanzler und Grünen-Chef, gilt als alles andere als ein Garant für Klartext. Was für ihn und seine Kritikfähigkeit spricht: An guten Tagen merkt er selber ironisch an, dass er seine Botschaft mit zu vielen Worten wohl wieder einmal verschwurbelt, sprich "versenkt" habe.
Kogler-Kenner sagen: Wenn sich der Grünen-Chef in eine komplexe Materie vertieft hat - und das sind als Vizekanzler nicht wenige - dann legt er Wert darauf, diese Komplexität auch zu vermitteln. Komplex denken und komplex reden geht sich aber in einer Medienwelt der Click-Baits selten aus, wo schnelle und simple Schlagzeilen als wichtigste Währung zählen.
Brandrede gegen "perverse Putin-Propaganda der FPÖ” im Hohen Haus
Umso überraschender: Mitten in der Ukraine-Debatte vergangenen Freitag im Hohen Haus meldet sich der formal unzuständige Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport von der Regierungsbank aus zu Wort.
Werner Kogler sprach in Richtung FPÖ und deren Ruf nach Friedenverhandlungen ohne Wenn und Aber vollkommen schwurbelfrei Klartext: "Wenn Putin aufhört, dann ist Friede. Wenn die Ukraine aufhört, dann ist sie ausgelöscht. Das ist der Unterschied. Das muss doch auch in Ihren Kopf rein. Und das können Sie nicht verwischen. Auch wenn Sie hier perverse Putin-Propaganda betreiben."
Kogler ignoriert ungewöhnliche Standpauke von Doris Bures
Beim letzten Satz fährt dem Vizekanzler die gerade den Vorsitz führende Zweite SPÖ-Nationalratspräsidentin Doris Bures in die Parade. Sie stellte gleich mehrmals sein Mikrophon vom Präsidiumstisch aus stumm und mahnt die Würde des Hauses ein.
Eine Standpauke für einen Minister auf der Regierungsbank vom PräsidentInnen-Tisch aus hat einen hohen Seltenheitswert. Kogler lässt sich dadurch aber nicht aus dem Konzept bringen und beharrt freundlich aber bestimmt auf seinem Verdikt über die Blauen: "Ich lasse mir das Wort nicht verbieten."
Als Auslaufmodell abgeschrieben, aber alles andere als amtsmüde
Viele Kommentatoren und Polit-Analysten hatten Wener Kogler, auch mit Zutun von grünen Parteifreunden, als Spitzenkandidat bei den 2024 fälligen Nationalratswahlen schon abgeschrieben. Nicht nur der jüngste kämpferische Auftritt im Parlament bestärkt den Eindruck: Der Grünen-Chef ist alles andere als amtsmüde.
Mit Werner Kogler ist bei den kommenden Nationalratswahlen und auch danach weiter zu rechnen. Ob von der Regierungs- oder von der Oppositionsbank aus, ist in volatilen Polit-Zeiten wie diesen offen. Eines steht für den Grünen-Chef aber außer Zweifel und das lässt er, wo immer dieser Tage grün-intern darauf die Rede kommt, auch unverschwurbelt wissen: "Für mich ist ganz klar, dass ich weitermache."
Josef Votzi ist Kolumnist des Magazin "Trend" und Kommunikationsberater (www.linkedin.com/in/josef-votzi)
Seine wöchentliche Kolumne "Politik Backstage" jeden Freitag neu auf trend.at
Zusammenfassung
- Der für seine Schachtelsätze berüchtigte Grünen-Chef überrascht dieser Tage mit klaren Ansagen.
- Zuletzt in Sachen Putin-Versteher im Parlament.
- Jüngst auch intern: Werner Kogler ist alles andere als amtsmüde und will die Grünen auch in die kommenden Wahlen führen.