Tiroler Caritas Direktorin: In Teuerungswelle steckt "großer sozialer Sprengstoff"

PULS 24 Chronik-Chefreporterin Magdalena Punz hat bei ihrer Bundesländertour mit Elisabeth Rathgeb, Caritas Direktorin in Tirol, über die derzeitige Teuerung gesprochen. Im Interview sagt sie, dass bereits erkennbar sei, wie die Mittelschicht von den Teuerungen betroffen sei.

Rathgeb erklärt im Gespräch, dass ein klarer Nachfrage-Anstieg bei Sozialberatungsstellen, den Essensausgaben für Obdachlose sowie den Sozialmärken verzeichnet wird. Es gäbe viele Personen, die nun verstärkt Unterstützung bräuchten. Besonders zur Monatsmitte hin hätten die Menschen kein Geld mehr für Lebensmittel und suchen Hilfe bei der Caritas.

"Mindestpensionist:innen und einkommensschwächere Gruppen" sind inzwischen ebenfalls von den Teuerungen betroffen und könnten sich kein Mittagessen mehr leisten, so Rathgeb.

Armut rückt in Mittelschicht vor

Ihre Beobachtungen werden durch derzeitige Zahlen belegt: So würden 35 Prozent der Haushalte inzwischen zu den einkommensschwächeren Haushalten zählen. Laut Rathgeb rücke die Armut in die Mittelschicht vor. Die Caritas Direktorin erwartet, dass mit dem Winter noch mehr Personen vor finanziellen Schwierigkeiten stehen werden. Sie sehe bereits jetzt, dass viele ihre Stromrechnung nicht mehr begleichen könnten.

Laut Rathgeb stecke großer "sozialer Sprengstoff" in der Inflations- und Teuerungswelle - daher müsse aktiv "dagegen gesteuert" werden. Sie sieht jedoch, dass es ein Bewusstsein für die Teuerungen gebe.

Valorisierungen der Sozialleistungen vorziehen

Die Anti-Teuerungs-Pakete der Regierung findet Rathgeb gut. Sie wünscht sich allerdings, dass man vom Gießkannenprinzip wegkommt. Bessere wäre es, wenn man "sozial-treffsichere Maßnahmen" beschließe würde. Es brauche in der Politik mehr strukturelle Maßnahmen, so Rathgeb.

Die Valorisierungen der Sozialleistungen müssten "vorgezogen werden", denn der jetzige Termin (1. Jänner 2023) sei "zu spät". Auch das Arbeitslosengeld und die Familienleistung müsse man in die Valorisierung miteinbeziehen. Besonderes "Gebot der Stunde" seien Maßnahmen gegen die Mietpreissteigerungen, so Rathgeb.

Hemmschwelle überwinden

Personen, die noch nie auf die Hilfe einer Sozialeinrichtung angewiesen waren, würden mit einer gewissen Hemmschwelle zu kämpfen haben. Für diese Personen sei es wichtig, Onlineberatungen anzubieten, um die Hilfesuche zu erleichtern. Einkommensschwache Gruppen hätte jedoch oft keinen Zugang zum Internet und seien deswegen nach wie vor auf Formulare angewiesen.

Es brauche nun gute Kampagnen, um den Menschen den ersten Schritt zu zeigen, wie sie Hilfe bekommen. Zudem sei die Solidarität der Zivilgesellschaft gefragt. Für den Herbst hofft Rathgeb auf ein "gesellschaftliches Zusammenrücken" und "Hilfsbereitschaft", wie man es für die Personen in der Ukraine erlebt habe. 

Die Zivilgesellschaft zeige durch Spenden ihre Anteilnahme und dies wird in den nächsten Monaten auch nötig seien, sagt die Direktorin. Personen, die von der Krise derzeit noch nicht so betroffen sind, könnten zum Beispiel durch ehrenamtliches Engagement oder Geldspenden helfen.

ribbon Zusammenfassung
  • PULS 24 Chronik-Chefreporterin Magdalena Punz hat bei ihrer Bundesländertour mit Elisabeth Rathgeb, Caritas Direktorin in Tirol, über die Teuerungen gesprochen.
  • Im Interview erzählt sie, dass bereits erkennbar sei, dass die Mittelschicht von den Teuerungen betroffen sei.