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Rezession: Ökonomen nehmen Politik in die Mangel

Die heimische Wirtschaft kommt weiter nicht in die Gänge. Auch 2024 steckt sie in der Rezession, die längste seit 1946. Das Problem sei strukturell, die nächste Regierung müsse handeln.

Am Freitag haben die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS ihre Herbstprognose für die Wirtschaft in den Jahren 2024 und 2025 vorgestellt. Die Zahlen bieten jedoch keinen Grund zum Aufatmen.

Nachdem die Wirtschaft im Vorjahr schon um ein Prozent geschrumpft ist, rechnen die Wirtschaftsforscher auch 2024 mit einem Minus von 0,6 Prozent, wenn man die Inflation wegrechnet.

Die Warenexporte sanken im Vergleich mit dem Vorjahr massiv. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr sieht nun die Zeit für Strukturreformen. 

Wifo sieht die Politik am Zug

Das Wifo rechnet mit einem Budgetdefizit von 3,7 Prozent und im kommenden Jahr von 4 Prozent - damit noch weiter über den Maastricht-Kriterien als bisher angenommen. Der Unterschied zur Prognose des Finanzministeriums ergibt sich, weil diese auf den noch nicht korrigierten Zahlen des Wifos beruhen.

Felbermayr sieht nicht die Zeit für Kürzungen, wichtig sei es, die Konjunktur anzukurbeln. Das Problem sei nicht ein Mangel an Liquidität, sondern ein Mangel an Zuversicht. Auch IHS-Chef Holger Bonin spricht davon, dass sich das Konsumverhalten weitaus schlechter als erwartet entwickelt hat.

Sinnvolle Sparmaßnahmen, so das Wifo, würde eine Streichung oder ein Umbau des Klimabonus sein, weil dieser durch die Indexierung sowieso kompensiert wird - damit könnten laut Felbermayr 1,8 Milliarden Euro jährlich eingespart werden. Außerdem sei der Klimabonus nicht sozial treffsicher.

Auch Lenkungssteuern, wie die Zuckersteuer in Großbritannien stellt der Ökonom in den Raum. Er appelliert auch für eine Anpassung der Mineralölsteuer und betont, dass für die österreichischen Unternehmen vor allem die schlecht planbare Bürokratie hemmend wirken würde.

Felbermayr sieht Bedarf für eine Effizienz-orientierte Steuerreform und eine Senkung der Lohnnebenkosten. Unter anderem empfiehlt er, den Familienausgleichsfonds (aus dem die Familienbeihilfe finanziert wird) und Teile der Arbeitslosenversicherung "vom Lohnzettel" zu nehmen. Auch empfehle er eine Reduktion der Steuerprogression auf mittlere Einkommen. Felbermayr und auch Bonin sprechen sich beide für eine Rekalibration der Korridorpensionen aus. Die Altersuntergrenze sollte erhöht werden oder die Höhe der Abschläge sollte überdacht werden - dadurch könnte auch hier eine soziale Staffelung eingebracht werden.

Auch eine Erbschaftssteuer schließt Bonin nicht prinzipiell aus, er sei aber für eine andere Eingrenzung als wie von der SPÖ im Wahlkampf vorgeschlagen. Die Steuer müsste aber auf den Standort eingegrenzt werden und würde weniger als von der SPÖ propagiert einbringen - das hätten auch Berechnungen der AK gezeigt.

"Rote Laterne"

Nur Irland hat sich in der EU wirtschaftlich schlechter entwickelt, Österreich würde die "rote Laterne" halten, so Bonin, und würde von anderen Ländern abgehängt. Die Ausgangslage Österreichs sei gut, aber es brauche nun Maßnahmen.

Man müsse nun Wachstumskräfte entfesseln, über Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten. Es gäbe keine Spielräume mehr, so Bonin. Die Defizite seien strukturell und nicht konjunkturell und würden sich verfestigen, wenn "Haushaltsruder nicht herumgerissen wird". Aber man müsse aufpassen, dass der "Konjunkturmotor" nicht abwürgt würde.

Gleichzeitig appelliert Bonin an die Politik für weniger Verunsicherung zu sorgen. Er warnt vor einem vorschnellen Konjunkturpaket, wünscht sich befristete beschleunigte Abschreibungen bei Investitionen und eine systematische Konsolidierung des Staatsbudgets. Vorstöße, wie das Baupaket, seien keine Wunderlösungen - das sehe man daran, wie lange, die Auswirkungen des aktuellen Pakets auf sich warten ließen.

Inflation geht zurück, Menschen sparen mehr

Grund zum Aufatmen sieht das Wifo in den Daten zur Teuerung. Diese ist in den vergangenen Monaten nämlich stärker zurückgegangen als noch im Juni erwartet. Im September lag sie laut Schnellschätzung der Statistik Austria bei 1,8 Prozent und damit unter dem 2-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB). Allerdings lag die Jahresinflation 2024 bei rund 4 Prozent.

Durch die kräftigen Lohnerhöhungen des vergangenen Jahres bleibt den Haushalten mehr Geld - die real verfügbaren Einkommen steigen heuer um 3,2 Prozent, so das Wifo. Deshalb geben die Österreicher:innen aber nicht mehr Geld aus. Wegen der hohen Zinsen und der höheren Arbeitslosigkeit wird mehr gespart - auch deshalb stottert die Wirtschaft. 

Optimismus auf wackeligen Beinen

Die Wirtschaftsforscher erwarten für 2025 eine Wende. Die Prognose ergibt ein "verhaltenes" Wachstum von einem Prozent - jedoch nicht ohne Haken. "Eine zentrale Prognoseannahme ist, dass die Konjunktur in Deutschland im Jahr 2025 wieder Tritt fassen wird", so das Wifo. Ähnlich wie in Österreich kämpft die Wirtschaft bei unseren Nachbarn zurzeit mächtig - vor allem die so enorm wichtige Autoindustrie liefert besonders schlechte Zahlen. 

Zinsen sinken, Hoffen auf Wirkung

Nachdem die EZB ihre Leitzinsen seit 2022 im Eiltempo nach oben geschraubt hatte, um die Inflation in den Griff zu bekommen, folgten im Juni und September erstmals zwei Zinssenkungen. Der wohl wichtigste Indikator der drei Leitzinsen, der Einlagensatz, liegt derzeit bei 3,5 Prozent. Mitte Oktober folgt die nächste Zinssitzung, wo Expert:innen mit der nächsten Senkung rechnen. 

Auch das Wifo rechnet mit weiteren Zinssenkungen und erwartet den Einlagensatz Ende 2025 bei 2,75 Prozent. Niedrigere Zinsen machen auf der einen Seite Kredite günstiger, Investitionen können von Unternehmen günstiger finanziert werden und auch der Hausbau könnte für manche wieder leistbar werden.

Auf der anderen Seite bekommt man bei der Bank weniger Zinsen und Sparen wird weniger attraktiv. Das soll den Konsum ankurbeln, was wiederum der Wirtschaft hilft. 

Video: Was tun gegen die Rezession?

ribbon Zusammenfassung
  • Die heimische Wirtschaft kommt weiter nicht in die Gänge.
  • Auch 2024 steckt sie in der Rezession, für das kommende Jahr hoffen die Wirtschaftsforscher auf Hilfe aus dem Ausland.
  • Nachdem die Wirtschaft im Vorjahr schon um ein Prozent geschrumpft ist, rechnen die Wirtschaftsforscher auch 2024 mit einem Minus von 0,6 Prozent.
  • Österreich steckt damit in der längsten Rezession seit 1946.
  • Wifo und IHS erwarten für 2025 eine Wende. Die Prognose ergibt ein "verhaltenes" Wachstum von einem Prozent.
  • Das Problem sei strukturell, die nächste Regierung müsse handeln.